Bockenheim: Feiern vor der Hausbesetzung

Auf dem Stadtteilfest rund um den Hülyaplatz treffen und solidarisieren sich die Nachbarn.
Punk und Trap, ein Aufruf zum solidarischen Zusammenhalt und zur „Stadt von Unten“, bilden das Programm beim Bockenheimer Stadtteilfest. Statt in einem Feuerwerk mündet es in einer Hausbesetzung. Das Bockenheimer Stadtteilbüro und die Initiative Social Hub, die sich gegen Gentrifizierung einsetzt, hatten am Samstag zum Bockenheimer Stadtteilfest geladen. Der kleine Hülyaplatz – benannt nach Hülya Genç, einem Kind, das 1993 Opfer der rechtsextremen Brandanschläge in Solingen wurde – und seine Seitenstraßen sind gut besucht.
Mit violetter Sturmmaske, Anglerhut und Sicherheits- statt Goldkette begrüßt der Trap-Rapper „Tetraphobik“ das Publikum. Es sei schön, dass alle da seien, noch schöner wäre es, wenn alle näher zur Bühne kämen. Aber insgesamt dürfe natürlich jeder genau dort sein, wo er sein möchte. Einige nähern sich der Bühne, später stellt sich heraus: Am Liebsten wären viele Besucher des Festes im angrenzenden ehemaligen „Tibethaus“ oder Backhaus, Kaufungerstraße 4. Obwohl in der Veranstaltungsankündigung noch vom „Gespräch über unsere Träume und Utopien“ die Rede ist, schufen Aktivisten lieber Tatsachen: Das Backhaus ist seit diesem Nachmittag besetzt.

„Nachbarschaftlich bei einem Kaffee zusammenkommen“ sei wichtig, sagt ein kaffeetrinkender Besucher. Ebenso Partizipationsmöglichkeiten für Leute mit wenig Geld. „Das ist in Bockenheim traditionell so, jetzt muss man gucken, dass das nicht den Bach runter geht.“
Es gibt Crêpes und Gurkensalat, die „Elende Bande“ spielt soften Punk, neben Ethno-Schmuck- und Flohmarktständen präsentieren sich die Seenotrettungs-Organisation Seebrücke, das Offene Haus der Kulturen und die Gewerkschaft der freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union FAU. Es wird an die zwölf Brandanschläge aus dem vergangenen Jahr erinnert, bei dem linke Zentren und Wohnungen – darunter auch das Bockenheimer Exzess – angegriffen wurden. Weil der mutmaßliche Täter zweimal erwischt worden sei, gilt die Kritik der Frankfurter Polizei, die das ignorieren würde.
Über die „Initiative Anarchistische Bewegung Frankfurt“ (IABF) informiert Alexander an einem Infostand. „Wir wollen die anarchistische Idee unters Volk bringen, aber wir sind keine Sekte“, stellt er klar. „Wir verkaufen auch Seife. Sie wurde von Arbeitern in Griechenland produziert“, hält er ein Stück hoch. „Nachdem ihre Firma pleite gegangen ist, haben sie die Fabrik übernommen. Auch ein anarchistischer Ansatz.“

Die Bockenheimerinnen Marion und Andrea sind unpolitisch da. Sie haben einen Flohmarktstand mit Kinderkleidung und Spielsachen. Das gemischte Gefüge und die grünen Flecken in Bockenheim seien toll. „Man kennt sich.“ Sie wollen, dass es so bleibt. „Schade ist, dass die Leipziger Straße gelitten hat. Für das gemischte Kleingewerbe sind die Mieten zu hoch.“ Die Mieten seien auch bei ihnen Thema, sagen zwei Besucherinnen, die seit 40 und 20 Jahren in Bockenheim leben. Dass es Exzesskeller und Stadtteilbüro, ein schönes Miteinander und ihr Urban Gardening Projekt gebe, schätzen sie besonders an ihrem Stadtteil. „Wir wollen hier alle nicht mehr weg.“