Frankfurt: Anbau für das Bockenheimer Backhaus

Der Architekt Holger Meyer präsentiert Pläne für das Gebäude-Ensemble am Hülya-Platz. Anwohner sehen das Projekt skeptisch.
Für das sogenannte Backhaus-Ensemble zwischen Hülya-Platz, Friesengasse und Kaufunger Straße liegen recht weit gediehene Baupläne vor. Der neue Eigentümer, Architekt Holger Meyer, hat sie am Montagabend in einer Sondersitzung des Ortsbeirats 2 vorgestellt. Demnach möchte er den Bestand weitgehend erhalten. An der Grünfläche zur Kaufunger Straße soll ein zweigeteilter, vierstöckiger Anbau entstehen, der zum Hülya-Platz eine rötliche Ziegelfassade erhalten soll
Insgesamt sieben Eigentumswohnungen will er darin schaffen, vier Zweizimmerwohnungen und drei Dreizimmerwohnungen, mit Wohnflächen zwischen 48 und 100 Quadratmetern. Außerdem möchte er das Backhaus aufstocken. Dort möchte der Architekt selber einziehen, wie er versichert. Genau genommen hat er auch nicht die Immobilie vom Vorbesitzer übernommen, sondern zwei GmbHs, denen das Areal gehört.

Die Stadt hat auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet. Sie hat im Juli 2018 bereits mit Meyer einen entsprechenden Abwendungsvertrag geschlossen. Dafür verpflichtet sich Meyer, die drei bestehenden Mietverhältnisse für zehn Jahre zu erhalten. Das betrifft zwei Wohnungen und ein Fotostudio. Meyer möchte das Fachwerkhaus an der Friesengasse sanieren. Das Haus soll „prägender Teil von Alt-Bockenheim“ bleiben. Auch das vor 15 Jahren erbaute Zwischengebäude mit der Holzfassade bleibe erhalten. Ebenso die Grundstückszufahrten, die Hofstruktur mit Terrassen, die Grünfläche an der Kaufunger Straße. Das Ensemble soll wirken wie fünf eigenständige Gebäude.
„Ich habe kein Interesse daran, im Krawall in Bockenheim zu leben“, erklärt Meyer, warum er in die Sitzung des Ortsbeirats gekommen ist. In Dialog möchte er auch mit den Nachbarn und den Initiativen treten, die sich Sorgen machen wegen der Gentrifizierung des Stadtteils. Anfang Oktober hatten Aktivisten von Social Hub das Backhaus besetzt. Eigentümer Meyer hat Strafanzeige gestellt, die Polizei hat geräumt. Meyer bietet nun an, die Strafanzeige zurückzuziehen. Wenn es zum gewünschten Dialog in seinem Sinne kommt.
An der Ecke von Friesengasse und Kaufunger Straße wurde um 1860 ein der ersten Großbäckereien des 19. Jahrhunderts gebaut. Bei der Bockenheimer Sanierung erhielt sie als erstes Gebäude in Frankfurt ein Grasdach.
Mitte der 1980er Jahre wurde die alte Brotfabrik zum sozialen Zentrum, das Dritte-Welt-Haus zog ein, später das Tibethaus.
Anfang Oktober hat die Initiative Social Hub das inzwischen leerstehende Backhaus besetzt, um wieder eine soziale Nutzung zu etablieren. sky
Die in der Sitzung anwesenden Bürger hat er größtenteils nicht von seinem Vorhaben überzeugen können. Wenn auch den Ortsbeiräten und Sitzungsbesuchern Meyers Planung deutlich besser gefällt als das 2016 vorgestellte Bauprojekt, bei dem 21 neue Wohnungen hätten entstehen sollen. An jeder anderen Stelle der Stadt wäre das Projekt als passend und angenehm zurückhaltend zu werten, so der Tenor. Just an dieser Stelle zerstöre es aber den Charakter des Straßenzugs, was mit der städtischen Erhaltungssatzung nicht vereinbar sei.
Ebenso seien die teuren neuen Wohnungen nicht mit dem gewünschten Milieuschutz zu vereinbaren. Kritisch sehen die Bürger auch den neuen Anbau. Der werde den Hülya-Platz verschatten, was besonders die Bewohner des angrenzenden Pflegeheims treffe, denen dadurch ein Stück Lebensqualität verloren gehe. Schließlich könnten die meisten Bewohner nicht mehr weit laufen und einen anderen Park ansteuern.
Seinen Bauantrag hat Holger Meyer bereits eingereicht, genehmigt ist er noch nicht. Simone Zapke, die Leiterin der Frankfurter Bauaufsicht, ist aber voll des Lobes. Die Erhaltungssatzung, die für das Quartier gilt, ist Grundlage der Verhandlungen zwischen Stadt und Bauherren gewesen. Zur Kaufunger Straße sei demnach eine zwei- bis viergeschossige Blockrandbebauung möglich, sieben neue Wohnungen statt der vormals geplanten 21 entspreche der gewünschten Kleinteiligkeit fürs Quartier. „Es besteht kein Denkmalschutz“, betont Zapke. Dennoch bleibe nach Meyers Entwurf das Backhaus erhalten. Die Milieuschutzsatzung sieht Zapke ebenfalls gewahrt, weil die vorhandenen Mietverhältnisse bestehen bleiben.
Thema der Sitzung ist auch der Polizeieinsatz bei der Räumung des Backhauses in den Morgenstunden des 8. Oktobers gewesen. Aktivistinnen der Initiative Social Hub erheben schwere Vorwürfe. Der Einsatz sei unverhältnismäßig gewesen. Die Beamten hätten wenig zimperlich agiert, hätten Personen über den Boden geschleift. Eine minderjährige Person sei ungebührlich auf offener Straße im Intimbereich untersucht worden.
Polizei weist Kritik zurück
Einsatzleiterin Claudia Rogalski mochte das nicht bestätigen. Sie sei die ganze Räumung über vor Ort gewesen. Unangemessene Übergriffe habe sie nicht beobachtet. Die Polizei habe die Besetzer so vorsichtig wie möglich weggetragen. Manche Aktivisten seien durchsucht worden, um Aufschluss über ihre Personalien zu erhalten. Keineswegs seien übermäßig viele Polizisten im Einsatz gewesen. Von einer „niedrigen dreistelligen Zahl“ spricht Rogalski. Das Räumfahrzeug war nur für Notfälle vor Ort und sei nicht benötigt worden.
Sie habe ja nicht gewusst, wie viele Besetzer im Gebäude anzutreffen sind. Das Stadtteilfest, das der Besetzung vorangegangen war, hätten um die 150 bis 200 Personen besucht. Letztlich haben die Einsatzkräfte dann lediglich 20 Besetzer weggetragen.
Übrigens: In Hessen ist die Zahl der sogenannten Sozialbestattungen gestiegen. Viele Menschen können sich ein Begräbnis nicht mehr leisten.