1. Startseite
  2. Frankfurt

Boarding-Haus für Prostituierte in Frankfurt

Erstellt:

Von: Steven Micksch

Kommentare

Manche Frauen bieten ihre Dienste auch außerhalb der Prostitutionsstätten an.
Manche Frauen bieten ihre Dienste auch außerhalb der Prostitutionsstätten an. © Renate Hoyer

Der Frankfurter Verein Dona Carmen beobachtet immer häufiger prekärere Wohnungssituation bei Prostituierten. Eine kommunal geführte Immobilie soll das ändern und auch noch ein zweites, größeres Problem beheben.

Der Verein für soziale und politische Rechte von Prostituierten, Dona Carmen, fordert die Frankfurter Stadtregierung auf, ein Boarding-Haus für Sexarbeiterinnen, also ein Art Wohnheim, in kommunaler Trägerschaft einzurichten. Weder Stadtgesellschaft noch Politik dürfen sich vor der Verantwortung für die Frauen wegducken, sagte Gerhard Walentowitz vom Vorstand des Vereins am Donnerstag. Die Corona-Pandemie habe das Problem der Wohnungssituation der Frauen sichtbar gemacht. Das Haus könnte dort Abhilfe schaffen.

Dona Carmen hatte im Zuge der Pandemie viele Erfahrungen während der Beratung von rund 200 Sexarbeiterinnen sammeln können. Wegen der für lange Zeit geschlossenen Bordelle hatte ein Teil der Frauen ALG-II-Anträge gestellt. Dabei mussten viele Hürden überwunden werden, so Walentowitz. Etwa die undokumentierten Einnahmen, Selbstständigkeit, fehlende Krankenversicherung, mangelnde Sprachkenntnisse und in vielen Fällen ein fehlendes Bankkonto.

Am prekärsten habe sich aber die Wohnsituation der Frauen dargestellt. Von 118 Frauen, die einen Antrag gestellt hatten, wohnten 36 Prozent bei Bekannten oder Menschen aus der ethnischen Community, 33 Prozent in Hotels und nur 13 Prozent in einer eigenen Wohnung. Der Großteil war also wohnungslos, was nicht mit obdachlos verwechselt werden darf. Trotzdem waren die Frauen auf Hilfe angewiesen. Doch von 118 Antragstellerinnen erhielten am Ende nur 19 Personen Zuschüsse zu den Unterkunftskosten. Besonders die Frauen in den Hotels erhielten vom Jobcenter Frankfurt keinen Zuschuss und blieben auf den monatlichen Kosten von 1500 bis 1800 Euro sitzen. Für Walentowitz ein rechtswidriges Verhalten seitens des Jobcenters. Denn laut SGB-II-Kommentar können die Kosten eines angemessenen Hotelzimmers als Kosten-der-Unterkunft-Bedarf anerkannt werden. Die Zimmer kosteten zwischen 35 und 60 Euro pro Tag.

Selbst für den Fall, dass das Jobcenter diese Kosten für unangemessen hielte, müsse es ein Kostensenkungsverfahren durchführen und darlegen, welchen Mietpreis es für angemessen erachtet. Nichts davon sei aber erfolgt. „Das waren auch keine Ausrutscher. Das war ganz klar die Linie des Jobcenters hier“, sagt Walentowitz. Normalerweise hätte man dagegen klagen müssen, doch der ehrenamtliche Verein sei damals einfach überfordert mit dem Alltagsgeschäft gewesen, das auch so von Widersprüchen und Klagen vor dem Sozialgericht wegen der generellen ALG-II-Anträge geprägt war. Das Jobcenter Frankfurt äußerte sich am Donnerstag auf Nachfrage nicht zu den Vorwürfen.

Der Kostendruck auf die Frauen habe schließlich dazu geführt, dass viele – wegen der geschlossenen Bordelle – ihre Dienste „im informellen Sektor“, also auf der Straße, in Hotelzimmern oder Wohnungen anboten. Dieser Trend sei auch heute ungebrochen. Eine Entwicklung, welche die Stadt Frankfurt eigentlich gar nicht gern sieht. Auch der Verein Dona Carmen wünsche sich lieber professionelle Strukturen. Weil diese den Prostituierten Sicherheit, aber auch bessere Hygienemöglichkeiten böten.

Ein Boarding-Haus würde den finanziellen Druck der Frauen mindern und sie könnten sich aus dem informellen Sektor wieder zurückziehen. Das sei auch der Wunsch vieler Frauen, so der Verein. Dona Carmen fordert ein Haus im Bahnhofsviertel oder unmittelbarer Nähe. Es müsse mindestens 50 Plätze bieten und von der Kommune getragen werden. Die Sexarbeiterinnen und Bordelle könnten sich finanziell beteiligen. Das Haus dürfe kein Ort sexueller Dienstleistungen sein, könne als Meldeadresse fungieren und sogar Platz für Beratungen bieten. „Wir erwarten von den Parteien jetzt Verantwortung zu übernehmen. Und zwar bevor das Problem der Informalität überhand nimmt.“

Auch interessant

Kommentare