Blüten, Kunst und Inklusion

Mit eine Saatgut-Tauschbörse ist der Chamissogarten gemeinsam mit dem Landesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte Hessen am Wochenende in den Frühling gestartet.
Verwunschen wie eine andere Welt wirkt der Chamissogarten. Zwischen haushohem Bambus, tiefgrünem Efeu, Blumenbeeten, Brunnen und halb versteckten Büsten und Figuren aus Stein ist der Alltag sofort vergessen. Wer durch das große schmiedeeiserne Tor tritt, wird aufgesogen von der Blütenpracht und mitgerissen. „Wir wollen, dass sich hier jeder wohlfühlt“, sagt Ute Posenenske, die seit drei Jahren aus der ehemaligen Gärtnerei auf 2500 Quadratmeter Fläche ein Paradies der Inklusion, Kunstförderung und ökologischen Bildung geschaffen hat. „60 Stunden ehrenamtliche Arbeit in der Woche gehören dazu.“
Radieschen, Erbsen, Tomaten, Kräuter, Blumen: Auf Tischchen liegen Tüten und stehen Gläser mit unterschiedlichsten Samen leicht erreichbar vor Piktogrammen, die auf einfache Art zeigen, was man wo eintauschen kann gegen selbst mitgebrachte Saatkörner. „So können auch Besucher, die schwer lesen können, sofort erkennen, was für Samen es gibt“, sagt Laura Ebert vom Landesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte Hessen (LVKM). „Das Umweltthema ist uns schon lange wichtig, und weil der Chamissogarten barrierefrei ist, haben wir bei Ute Posenenske angefragt, ob wir eine gemeinsame Saatgut-Tauschbörse machen können.“
Die Gäste staunen über die Auswahl, sie basteln aus Zeitungspapier kleine Samentütchen und tauschen, was sie mitgebracht haben, gegen Neues und anderes für ihre Blumentöpfe, Balkons oder Gärten. Es duftet nach frisch gebackenen Waffeln und Kaffee. „Jetzt fehlt uns nur noch ein Pavillon, in dem wir rund ums Jahr Kaffee, Kuchen und Kunst anbieten können“, sind sich Posenenske und Tanja Wüsten einig. Wüsten gehört ebenfalls zum 40-köpfigen Team der Ehrenamtlichen, die das Gelände mit Permakultur, Hochbeeten und Pflanzen aller Art kultivieren.
Im hinteren Teil des Gartens gackern bald wieder Hühner, die noch im Winterquartier untergebracht sind. Ein riesiger, siebenstrahliger Stern voller Erde ist in Bambus gefasst. An jede Sternspitze kommt ein Bienenstock mit Flugöffnung Richtung Beet. „Das Sternenbeet hat eine junge afghanische Frau ganz alleine mit Silas gebaut“, erzählt Tanja Wüsten. Silas ist behindert und liebt die Arbeit im Chamissogarten. „Ich schließe meine Augen und bin glücklich“, sagt er.
Am Eingang stehen Hunderte Jungpflanzen zum Mitnehmen gegen eine Spende. Nach Ostern will Ute Posenenske donnerstags für die meist selbst gezogenen Pflänzchen öffnen, „damit mehr Normalbetrieb möglich ist“. Mit Veranstaltungen geht es am 30. April weiter. „Mit Bienen durch das Jahr“ heißt der Kurs zur „wesensgemäßen Imkerei“ an sechs Samstagen. Bis dahin werden andere Pflanzen blühen und das Paradies Chamissogarten noch einladender machen.
Informationen über den Chamissogarten und Veranstaltungen gibt es online unter: www.chamissogarten.de