Beschäftigte des hessischen Handels sind kampfbereit

Die Gewerkschaft Verdi stimmt in Frankfurt die Betriebsräte des hessischen Handelsbetriebe auf „Aktionen“ ein. Das erste Angebot der Arbeitgeber in der laufenden Tarifverhandlungsrunde sorgt für Empörung.
Durchaus passend positionieren sich die etwa 250 Betriebsratsmitglieder zahlreicher hessischer Handelsfilialen am Dienstag vor dem Euro-Zeichen am Willy-Brandt-Platz und rufen: „Alles wird teurer – wir auch“ und „Zwei Euro fünfzig, wir sind nicht günstig“. Die Zeichen für die nächsten Wochen im Tarifstreit des Einzel- und Versandhandels stehen auf Konfrontation und wahrscheinlich auch Streik. „Wir sind bereit zu kämpfen“, erklärt Marcel Schäuble, Landesfachbereichsleiter Handel der Gewerkschaft Verdi Hessen und Leiter der Tarifverhandlungen für den hessischen Handel.
Am Montag waren die Arbeitgeberseite und die Gewerkschaft erstmals in dieser Tarifrunde zusammengekommen. In der Corona-Zeit waren die Handelsunternehmen noch mit einem Angebot von null Prozent in die Verhandlungen gekommen, diesmal hatten sie drei Prozent fürs erste und zwei Prozent fürs zweite Jahr dabei. Dieses Angebot nannte Schäuble am Dienstag wahlweise Armutszeugnis, Ohrfeige und Zeichen mangelnder Wertschätzung. „Einst wurden wir als Helden gefeiert“, rief er und meinte die Zeit der Pandemie, in der die Supermarktbeschäftigten zur Arbeit kamen, trotz aller Unsicherheiten.
Schäuble rechnete vor, dass drei Prozent netto etwa 45 Euro mehr bedeuten würden – falls man Vollzeit arbeite. Problem sei aber, dass etwa 80 Prozent der 235 000 Beschäftigten der Branche in Hessen nur in Teilzeit arbeiten. Sie gehen bisher mit rund 1300 Euro netto nach Hause und wüssten aktuell nicht ein noch aus. Es herrschten existenzielle Notlagen, weil die Inflation um sich greife und bei vielen die Ersparnisse schon aufgebraucht seien.
Die Beschäftigten bräuchten ein ausreichendes Einkommen, von dem sie leben könnten. Dies sei das Mindestmaß an Wertschätzung, das man ihnen entgegenbringen könne. Verdi fordert 2,50 Euro pro Stunde mehr für die Beschäftigten. Die Vergütungen für Azubis sollen zudem um 250 Euro je Ausbildungsjahr angehoben werden. Und es brauche eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Branchentarifverträge. Nur 20 Prozent der Betriebe zahlen überhaupt Tarif. Für den 24. Mai ist die zweite Verhandlungsrunde angesetzt. Dass sie bis dahin nicht die Füße stillhalten wollen, hatten die Betriebsratsmitglieder vor der Demo auf einer Betriebsrätekonferenz beschlossen. Die rekordverdächtige Beteiligung – üblicherweise kämen immer nur um die 100 Kolleg:innen – zeige, wie brennend das Thema sei. „Es zählt jeder Euro“, sagt Schäuble. Im Mai soll es dann in Absprache mit der bundesweiten Tarifkommission Aktionen geben, um den Arbeitgebern die Dringlichkeit der Forderungen zu verdeutlichen. „Die Leute in den Betrieben sind bereit mitzuziehen.“
Mitte Mai beginnen zusätzlich die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten des Groß- und Außenhandels. Dort fordert Verdi 13 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 400 Euro. Auch hier wird ein zäher Kampf um ausreichend mehr Geld erwartet.