„Babbelbänksche“ und andere Frankfurter Enttäuschungen

Der Frankfurter Demokratiekonvent will, dass die Stadt viel stärker auf ihre Bürgerinnen und Bürger eingeht.
Viel Redebedarf, viel Enttäuschung, viel „Learning“ und viel „Babbelbänksche“: So lässt sich zusammenfassen, was die Podiumsdiskussion zum Frankfurter Demokratiekonvent am Montagabend dominiert hat. Ein schöner, demokratischer Abend. Aber in Sachen Bürgerbeteiligung muss die Stadt noch viel tun.
Demokratiekonvent? Da treffen sich rund 60 Leute, die meisten per Losverfahren zu ihrer eigenen Überraschung ausgewählt, aber großartigerweise mit Feuereifer dabei, und besprechen regelmäßig, was die Demokratie auf kommunaler Ebene voranbringt. Zwei Mal gab es das in Frankfurt. Zuletzt war das Thema der Leute im Alter zwischen 16 und 83 Jahren: die Klimakrise und was dagegen getan werden muss.
Unter den Forderungen der Gruppe waren unter anderem Information und Transparenz, Solardächer auf den Schulen – und Babbelbänksche, um ins Gespräch zu kommen. Es sei viel Bemühen da in Frankfurt, sagt Dominik Herold am Anfang des Abends, der Podiumsvertreter des federführenden Vereins „Mehr als wählen“, aber es komme nicht genug bei den Bürgerinnen und Bürgern an. Später wird er konkreter: Von der Stadt komme viel zu wenig zurück, Stichwort Kommunikation und Transparenz. So frage sich der Konvent, was denn nun aus der Forderung nach Solardächern geworden sei. Es gehe alles zu langsam. Besonders an zwei Punkten macht Herold fest, wie sich die Gruppe vernachlässigt fühlt. Erstens: „Auf der Website klimaschutz-frankfurt.de gibt es keinen Querverweis auf den Demokratiekonvent.“
Groß auch die Enttäuschung, zweitens, über das Fernbleiben mehrerer Eingeladener am Montagabend. „Ein Unding“, sagt Herold. „Die Leute haben nicht mal den Anstand, eine Mail zu schreiben und abzusagen.“ Eingeladen waren etwa Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD) und Wirtschaftsdezernentin Stephanie Wüst (FDP); Stefan Majer (Grüne, Mobilität) sagte wenigstens ab. Herold: „Das Zeichen, das wir bekommen: Bürgerbeteiligung ist ganz nett“, aber letztlich sei sie wohl nicht so wichtig.
Daran sind die anwesenden Magistratsmitglieder nicht schuld, aber einsichtig. „Die mahnenden Worte sind angebracht“, sagt Stadtkämmerer Bastian Bergerhoff (Grüne): Die Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt sei dabei, Strukturen umzustellen. „Aber wenn wir etwas beschließen, fängt die Arbeit erst an. Dieses Schiff hat eine große Trägheit, aber eine große Verlässlichkeit.“
„Egal, wer OB wird – ich wünsche mir, dass er darauf schaut, dass die Außendarstellung lebensnäher wird“, sagt Eileen O’Sullivan (Volt), die Dezernentin für Kommunikation und Bürger:innenservice. „Die Kommunikation muss sich ändern“, sagt sie. Benötigt werde die Ansprache „in unterschiedliche Lebensrealitäten hinein“.
Am deutlichsten wird Klimadezernentin Rosemarie Heilig (Grüne). Dass es nicht schneller gehe, etwa mit Solar für die 2000 bis 2500 städtischen Gebäude, liege an den politischen Abläufen und der Bürokratie – die brauche manchmal „einen ordentlichen Arschtritt“. Sie sei skeptisch, ob Frankfurt die Klimaneutralität wie geplant bis 2035 erreiche, sagt Heilig. „Wir sind viel zu langsam.“ Viele glaubten immer noch, es gehe nicht ohne das Auto. Als sie vor elf Jahren angetreten sei, habe sie gesagt: Die Verwaltung muss ihre Einstellung zum Klimawandel ändern. „Ich habe mir das sehr einfach vorgestellt“, sagt Heilig. Dann habe sie festgestellt: „Wir haben gute Leute, aber auch solche, die sagen, ich will mich nicht ändern.“ Beim neuen Klimareferat sei sie vorangeprescht: „Ich werde es einfach machen.“ Das habe aber auch dazu geführt, „dass einige sagen: kein Bock. Und die machen einfach nichts. Wir müssen zum Teil wirklich dicke Bretter bohren durch verkrustete Strukturen“. Heilig bietet den Gästen an: „Wer mich mal eine Woche begleiten will, kann das gerne machen.“
Darauf wird sie Moderator und FR-Autor Stephan Hebel später noch festnageln (es nimmt auch jemand Heiligs Angebot an), aber Hebel ermittelt noch ein symbolträchtiges Thema: besagtes Babbelbänksche. Das sollte eigentlich „durch die verwendeten, recyclebaren Materialien, eine vertikale Begrünung und den Repair-Ansatz inkludierend, ökologisch sein“, so die Forderung des Klimakonvents in seiner Handlungsempfehlung. Was daraus geworden ist? Eine Holzbank auf dem Römerberg. Mit Plakette dran. Herold: „Wenn ich daran vorbeilaufe, denke ich: Das ist nicht, was ich mir vorgestellt habe.“ – „Das liegt am Geld“, sagt Heilig. Die große Lösung hätte von den Stadtverordneten beschlossen werden müssen. „Was ich realisieren konnte, ist das, was wir haben. Wenn erwartet wird, dass alles 1:1 umgesetzt wird, was der Konvent beschließt, dann muss ich sagen, sorry, dann muss ich passen.“
Darum geht es Herold gar nicht so sehr. Was sich der Demokratiekonvent wünscht, ist zuvorderst mehr Ansprache und Rückmeldung, mehr Beteiligung – sprich: mehr Demokratie. „Möchte ich ein Feigenblatt, oder möchte ich Demokratie?“, fragt Herold, dazu müsse sich die Stadt äußern, „und das zeitnah“. Das betont auch die 20-jährige Konventteilnehmerin Kalania Karakaya: Sie habe sich für Solaranlagen auf Schuldächern eingesetzt und sei enttäuscht, weil seitens der Stadt nichts zurückkomme. „Es heißt immer, die Jugend sei politikverdrossen, aber wenn wir uns engagieren, haben wir das Gefühl, dass nichts passiert.“ Teilnehmer Günter Horn (62, Ingenieur) assistiert: „Die Stadt muss die Schlagzahl erhöhen.“
Das wollen die drei Magistratsmitglieder auch – und verweisen auf die politischen Mehrheiten, die der träge Tanker Stadt immer wieder brauche. „Die Bremsen lösen“, will Bergerhoff, niedrigschwellige Angebote will O’Sullivan machen. „Kritik angekommen, wir machen’s besser“, sagt Heilig. Konventteilnehmer Kai Hartmann ermutigt: „Sie haben Partner hier auf dieser Seite sitzen.“ Und Moderator Hebel greift für seine Schlussempfehlung das Bild mit dem trägen Tanker auf: „Ihr müsst die Richtung des Schiffes nicht toll finden, aber ihr müsst unbedingt drumherum schwimmen und gelegentlich ins Steuer greifen.“