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AWO-Prozess in Frankfurt: „In Hände von Raffkes gefallen“

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Von: Claus-Jürgen Göpfert

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Verhandlung vor fast leeren Rängen: Jürgen Richter erschien nicht, dafür sein Anwalt, Thomas Zindel.
Verhandlung vor fast leeren Rängen: Jürgen Richter erschien nicht, dafür sein Anwalt, Thomas Zindel. © peter-juelich.com

Der früherer AWO-Chef Jürgen Richter scheitert mit einem Vergleichsvorschlag vor dem Arbeitsgericht.

Erscheint er oder bleibt er weiter im Verborgenen wie seit Monaten? Journalisten und Fotografen warten im Audimax des Frankfurter Arbeitsgerichts mit Spannung darauf, ob Jürgen Richter, der frühere Geschäftsführer der Frankfurter Arbeiterwohlfahrt (AWO), persönlich erscheint. Sie werden enttäuscht.

Richter, der seit 2019 im Zentrum eines Skandals um Verschwendung und persönliche Bereicherung steht, lässt sich nur von seinem Rechtsanwalt Thomas Zindel vertreten. Nach nicht einmal 45 Minuten ist der Versuch Richters gescheitert, seine fristlose Kündigung durch die AWO durch einen Vergleich zu bereinigen. Es kommt jetzt am Mittwoch, 21. Oktober 2020, vor der 14. Kammer des Arbeitsgerichts zur Verhandlung.

Trotz seiner Kürze aber gewährt dieser erste Gerichtstermin im Frankfurter AWO-Skandal wertvolle Einblicke. Während die Journalisten wie Studierende im Hörsaal hinter ihren Klapptischchen hocken, zählt AWO-Anwalt Norbert Pflüger einige der Vorwürfe gegen Richter auf. Die Arbeiterwohlfahrt, die sich dem Ideal des demokratischen Sozialismus verpflichtet fühle, sei „in die Hände von Raffkes gefallen“. Und Richter habe dieses Netzwerk geknüpft. So habe er zum Beispiel dem Rechtsanwalt Ansgar Dittmar, der auch Geschäftsführer der AWO Hessen Süd war, ein Honorar von 25 704 Euro verschafft, für das „keine Leistung hinterlegt“ sei.

AWO-Gelder für private Küche

Nach Pflügers Worten ließ sich der AWO-Funktionär auf Kosten der Wohlfahrtsorganisation in seine Privatwohnung eine Küche einbauen. Er habe für einzelne Personen Auflösungsverträge im Wert von 500 000 Euro ohne Zustimmung des Kreisvorstandes geschlossen. Für 11 000 Euro sei er in die US-Stadt Philadelphia gereist, für 63 000 Euro habe er die Tour einer ganzen Gruppe nach Israel abgerechnet. Die Vorwürfe der AWO gegen ihren ehemaligen Chef umfassen aber auch kleinere Posten, so die Anschaffung einer Teemaschine zum Preis von 1300 Euro auf Kosten seines Arbeitgebers.

Insgesamt sieben Kündigungen sprach die AWO gegen ihren früheren Chef aus, weil immer wieder neue Tatbestände auftauchten. Eine weitere Kündigung stellte der Rechtsanwalt in Aussicht. Insgesamt habe Richter bis zu den Kündigungen noch 306 000 Euro „ohne jegliche Arbeitsleistung“ von der Arbeiterwohlfahrt bekommen. Laut Pflüger verlangte Richter dann in seinem Vorschlag zur gütlichen Einigung weitere 372 000 Euro Abfindung. Der Rechtsanwalt ging davon aus, dass „weitere Sumpfblüten auftauchen“ werden.

Petra Rossbrey, die Vorsitzende des Frankfurter AWO-Präsidiums, kündigte nach Ende der Verhandlung eine Pressekonferenz für Ende Juni an. Dann werde man den angerichteten Schaden für die Wohlfahrtsorganisation beziffern können. Der neue Frankfurter AWO-Vorstand Steffen Krollmann will dann auch die Antwort auf eine spannende Frage geben: Aus welchen Quellen stammte eigentlich das Geld, das führende AWO-Funktionäre verteilten? Es sei „nicht vom Land und nicht von der Stadt“ gekommen, verriet Krollmann schon mal, es habe „andere Quellen“ gegeben.

Richters Rechtsanwalt Thomas Zindel äußerte sich nur kurz. Er appellierte an den Kammer-Vorsitzenden Wolf-Karl Hopfner, die Verhandlung bis zum Abschluss der staatsanwaltlichen Ermittlungen auszusetzen. Zindel deutete die insgesamt sieben Kündigungen als Zeichen großer Unsicherheit seitens der AWO. „Da kann es mit den Gründen nicht so weit her sein.“ Die „ausgestreckte Hand“ Richters für einen Vergleich sei „ausgeschlagen“ worden. Auf die Vorwürfe ging Zindel kaum ein. Er sagte lediglich, die Reisen, die man Richter vorwerfe, hätten „dienstlichen Charakter“ gehabt.

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