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Ausstellung zu Wilhelm Merton: „Meisten Frankfurter keine Verbindung zum Namen Merton“

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Von: Kathrin Rosendorff

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Der Ur-Enkel Andrew Merton schenkte dem Jüdischen Museum das Gemälde von 1906.
Der Ur-Enkel Andrew Merton schenkte dem Jüdischen Museum das Gemälde von 1906. Foto; üdisches Museum © Norbert Miguletz/Jüdisches Museum

Die Ausstellung zum Großindustriellen und Sozialreformer Wilhelm Merton soll ihn bekannter in seiner Heimatstadt machen.

Mertonviertel, Mertonstraße, Mertonschule oder auch das Wilhelm-Merton-Zentrum der Goethe-Universität. Eigentlich taucht der Name Merton überall in Frankfurt auf. „Und doch verbinden die meisten Frankfurter nichts mit dem Namen Wilhelm Merton, seiner Familie, können ihn kaum einordnen“, betont Mirjam Wenzel, die Direktorin des Jüdischen Museums, am Freitag. Um das zu ändern, präsentiert das Museum die Ausstellung „Wilhelm Merton – Metall & Gesellschaft“, die von Dienstag, 16. Mai, an (bis 7. Januar 2024) zu sehen ist.

175. Geburtstag

An diesem Sonntag ist der 175. Geburtstag des Frankfurter Großindustriellen und Sozialreformers Wilhelm Merton, der auch einer der Mitbegründer der Goethe-Universität war. „Eine Ausnahmepersönlichkeit – mit unruhigem Herzen“, so die Charakterisierung des Freundes und Vertrauten Henry Oswalt, ebenfalls Mitbegründer der Goethe-Uni. Dessen Enkel, der Historiker und ZDF-Redakteur Reinhard Oswalt (62), hatte die Idee zu der Ausstellung. Bis heute sind die Familien befreundet. Am Sonntag reisen zur Eröffnung zahlreiche Mitglieder beider Familien an. Mit dabei auch Popstar Alice Merton, die Ururnichte Wilhelm Mertons.

Am 14. Mai 1848, vier Tage bevor zum ersten Mal die Nationalversammlung in der Paulskirche tagte, wurde Merton in Frankfurt in eine jüdische Familie geboren. Und zwar als William Moses. Sein Vater Ralph Moses erhielt 1856 die Erlaubnis, den Namen seines Heimatortes Merton (heute ein Stadtteil von London) als Nachnamen annehmen zu dürfen.

Auf 100 Quadratmetern hat Kuratorin Heike Drummer das Leben und die Geschichte der Familie in der Kabinettausstellung skizziert. Auf einem eingeblendeten Schwarz-Weiß-Foto sieht man Merton, „ein Workaholic“, wie an der Wand zu lesen ist, an seinem großen Schreibtisch sitzen. Zudem hängt hier ein Gemälde von 1906, ein Porträt von Merton, eines von drei Kopien (das Original ist vermutlich in der NS-Zeit zerstört worden). Original ist die Gedenktafel, auf der steht, dass Wilhelm Merton 1881 die Metallgesellschaft AG gründete.

Diese entwickelte sich zu einem der weltweit erfolgreichsten Unternehmen ihrer Branche. Das Kerngeschäft Mertons – die Förderung und der Handel von Nichteisenmetallen wie Kupfer, Blei und Zink – boomte in den Jahren der elektrotechnischen Revolution und der rasanten Ausbreitung von Telefonie und Überland-Stromleitungen. Die Konzernzentrale war an der Bockenheimer Anlage, Ecke Reuterweg, wo heute die Privatbank Julius Bär sitzt. 1938 wurde die Gedenktafel von den Nationalsozialisten dort entfernt, die Mertonstraße in Universitätstraße umbenannt. Er selbst war bereits 1916 gestorben. Sein Sohn Richard Merton überlebte das KZ Buchenwald und kehrte nach Frankfurt zurück, um die Metallgesellschaft wieder aufzubauen.

Wilhelm Merton und seine Frau Emma Ladenburg waren 1899 zum evangelisch-reformierten Glauben konvertiert; die fünf Kinder ließen sie zuvor taufen. In seinen autobiografischen Fragmenten schreibt Merton, dass er schon früh die streng orthodoxe Lebensweise der Großmutter abgelehnt habe. Aber wie Wenzel betont, folgte er weiter dem jüdischen Gebot der Zedaka, der Wohltätigkeit: 1890 und 1914 entstanden das Institut für Gemeinwohl, die Centrale für private Fürsorge, die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften, das Soziale Museum und eben die Frankfurter Stiftungsuniversität.

Er führte Arbeitsplatzsicherung und Gesundheitsreform für Mitarbeitende ein, hatte Verbindungen zu Oberbürgermeister Franz Adickes sowie zu Vertreterinnen der Frauenbewegung, „setzte sich für die Erwerbstätigkeit von Frauen ein“, so Kuratorin Drummer. Wie Wenzel sagt, scheute er die Öffentlichkeit. So blieb er auch der Ehrung mit dem seltenen Wilhelm-Orden mit goldener Kette fern.

Gedenkband

Auch zu sehen sind Fotografien der HFG-Offenbach-Künstlerin Lena Bils, die 2022 ins australische Broken Hill reiste (schon Merton machte dort Geschäfte). Im Fokus stehen nun die Auswirkungen des industriellen Bergbaus der Metallgesellschaft auf die Umwelt. Zur Ausstellung erscheint der Gedenkband „Wilhelm Merton in seiner Stadt“ von Christoph Sachße. Zudem gibt es ein Begleitprogramm. Alle Infos: www.juedischesmuseum.de

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