Auf 20 Achsen durch die Nacht in Frankfurt

Gigantischer Schwerlasttransport mit 405 Tonnen Gewicht auf 160 Rädern rollt sicher durch Frankfurt.
So ein großes Ding hat Frankfurt selten gesehen. In der Nacht auf Donnerstag rollte ein Schwerlasttransporter mit 43,5 Metern Länge und fünf Metern Höhe von Fechenheim nach Bergen-Enkheim – wegen technischer Probleme einen Tag später als geplant. An Bord der erste von insgesamt vier Transformatoren, die bis 2025 am Galgen in Bergen-Enkheim aufgestellt werden.
Wie es sich anfühlt, einen 405-Tonner zu fahren, beschreibt Alexander Boß grinsend und knapp: „Es ist laut, es stinkt, und es bewegt sich langsam.“ Er ist einer der beiden Männer, die das Ungeheuer je an der Vorderseite und an der Rückseite des 20achsigen Gefährts auf 160 Reifen gekonnt durch die Straßen manövrieren. „Der hintere Fahrer hat es schwerer, weil er außer dem Transformator nichts sieht und sich komplett auf die Funkanweisungen verlassen muss“, so der Transporttechniker, der im vorderen Führerhaus sitzt, in dem zwei Lenkräder, ein wendbarer Sitz und viele Schalter untergebracht sind.
Seit 15 Jahren fährt Boß Schwerlaster bei der Speditionsfirma Kübler, die auf Schwerlasttransporte spezialisiert ist. Acht Stunden lang soll der Transport des Trafos von der Hanauer Landstraße bis zum Umspannwerk am Galgen in Bergen-Enkheim zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens dauern. Sein Kollege mit der Strickmütze beugt sich am anderen Ende des Schwerlasters immer wieder hoch konzentriert aus seinem Fenster und erinnert dabei optisch an das Kinderbuch von Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer von Michael Ende.
So schwer wie drei Blauwale, so hoch wie zwei Giraffenhälse und so lang wie 14 Eisbären schnaubt, dröhnt und brummt das Gefährt. Ein Jahr lang wurde der Transport geplant, ein halbes Jahr lang wurden die Details mit der Polizei ausgearbeitet. Einsatzleiter Sven Daume hat alles im Blick und betrachtet bewundernd das „Getüm“. „Schwerlaster habe ich schon unzählige Male begleitet, aber noch keinen mit solchen Abmessungen“, erzählt er, nachdem der Transporter sicher die Hanauer Landstraße zum ersten Mal überquert hat. Die Drahtkabel der Straßenbahn wurden geerdet und angehoben, das Monster schleicht über die Diesel-, Adam-Opel- und Ernst-Heinkel-Straße zurück auf die Hanauer Landstraße.
Schaulustige warten gespannt mit Handys auf den kritischen Moment, als der Transporter in die Casellastraße einbiegt. Ein kurzer Stopp ist nötig, weil Dübel der entfernten Fahrbahnmarkierungen noch im Boden stecken. Mit Zangen, Sägen und schließlich einer Flex wird der Boden eben gemacht. „Sieht gut aus“, ruft schließlich einer der Arbeiter, und der Koloss rollt weiter entlang der metallenen Fahrmatten, die am Straßenrand mit riesigen Greifkrallen ausgelegt wurden. „Es läuft alles reibunglos und zügiger als gedacht“, so Markus Lieberknecht, Sprecher des Hochspannungsnetzbetreibers Tennet. Bis 2025 kommen noch drei weitere Transformatoren nach Bergen-Enkheim per Schwerlasttransporter. Beim Einbiegen in die Kurve zur Cassellastraße wirkt das Gefährt, als würde es in der Mitte schweben, während es sich fast über Eck zusammenklappt und millimetergenau einbiegt.
Bereits hier ist der Transporter schon eine Stunde früher als geplant, darf aber nicht weiterfahren, weil die Fahrt über die Bahngleise erst ab 1 Uhr in der sogenannten „Sperrzeit“ von der Deutschen Bahn genehmigt ist. Pause für die Fahrer, die Polizei und die Zuschauer:innen. Boß fährt bereits zum zweiten Mal in Frankfurt. „Wir waren einmal auf dem Rollfeld auf dem Flughafen. Von dort haben wir Cargo auf die Straße gebracht. Zwischen den ganzen riesigen und schweren Flugzeugen zu fahren, war schon ein ganz besonderes Gefühl“, sagt er.
Um kurz nach 1 Uhr ist Weiterfahrt. „Wenn kein Eis den Berg hoch kommt, müsste alles glatt gehen“, so Boß. Problemlos geht es weiter über die Gleise, in die Orber Straße, die Schlitzer Straße und in die Wächtersbacher Straße. Auf der Borsigallee rollt das Gefährt, als seien 405 Tonnen ein Leichtes. Selbst der Kreisel auf der Vilbeler Landstraße macht keine Schwierigkeiten. Gekonnt manövrieren die Männer in den Führerhäusern das Monster auf den Berg. Stetig, dröhnend, ratternd.
Um 2.15 Uhr erreicht der Transporter den Galgen, manövriert rückwärts in den Parkplatz am Friedhof und fährt schnurstracks ins Umspannwerk. Neun Minuten später sind nur noch die Rücklichter zu sehen, abgebaute Straßenschilder werden wieder installiert. Der Polizei-Einsatzleiter Daume ist so froh wie alle anderen Beteiligten. „Ich bin begeistert“, sagt er. „Wir sind völlig reibungslos am Ziel angekommen. Und das auch noch dreieinhalb Stunden vor der Zeit. Der Berufsverkehr kann ohne Verzögerung rollen und ohne die Stunde Wartezeit am Bahngleis wäre es sogar noch schneller gegangen.“