Arbeitsbedingungen beim Spargelstechen ausbaufähig

Lohndumping und ungeregelte Arbeitzeit bei Saisonkräften, die bei der Spargelernte helfen.
Die Spargelsaison in Hessen ist seit Mittwoch offiziell eröffnet, doch wer erntet eigentlich den deutschen Spargel?
Nach einer Schätzung kommen zwei Drittel der Erntehelfer:innen aus Rumänien, 30 Prozent aus Polen und der Rest aus anderen Ländern. Deutsche sind kaum vertreten. Die Lohnabhängigen werden oft durch Agenturen angeworben. Benjamin Luig, Koordinator der „Initiative Faire Landarbeit“, merkt allerdings an: „‚Agentur‘ klingt formeller, als es ist. In vielen Fällen werben einzelne Vermittler aus dem Herkunftsland die Beschäftigten an.“ Diese Informalität führe häufig dazu, dass die Rekrutierenden den potenziellen Arbeitskräften falsche Versprechungen machten.
Aufenthalt an Job gebunden
Warum die Saisonarbeiter:innen fast ausschließlich Menschen aus dem europäischen Ausland sind, erklärt das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft auf seiner Website unter anderem damit, dass die Arbeit für Deutsche nicht attraktiv sei. In der Regel wird die harte körperliche Arbeit nur mit dem Mindestlohn bezahlt, was für Menschen aus Osteuropa lukrativer ist. Dort sind die Lebenshaltungskosten insgesamt niedriger, genauso wie das Lohnniveau. Nur: In vielen Fällen erhalten die Hilfsarbeiter:innen ihren Lohn nicht zur Gänze.
Die Initiative Faire Landarbeit, bestehend aus Gewerkschaften und anderen Organisationen, veröffentlicht jährlich einen Bericht zu den Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitskräften. Im vergangenen Jahr gab es nur bedingt Verbesserungen. Das zeigt sich beispielsweise bei den Löhnen. Zwar gilt hier seit 2022 ebenfalls der Mindestlohn von zwölf Euro. Doch trotzdem kommt es in vielen Fällen noch zu Lohndumping.
Vor allem Arbeiter:innen aus Drittstaaten haben hier ein hohes Risiko. Ihr Aufenthalt ist in der Regel an die Arbeit gebunden. „Das kann von Arbeitgebern unter Umständen genutzt werden, um Druck aufzubauen“, sagt Benjamin Luig. Zum Lohndumping nutzen manche Landwirtinnen und Landwirte zudem laut Bericht kreative Wege, indem sie etwa hohe Mieten für gestellte Unterkünfte nehmen, Überstunden nicht anerkennen, Arbeitszeiten nicht erfassen oder Arbeitsgerät in Rechnung stellen. Ein hessischer Betrieb hat demnach 2021 beispielsweise zusätzlich zur Miete eine sogenannte Abnutzungsgebühr erhoben. Teils gelten diese Methoden als illegal.
Ein weiteres Problem ist die mangelhafte Überprüfung von Betrieben. So hat der Zoll 2021 nur 1,1 Prozent der Landwirtschaftsbetriebe mit Beschäftigten überprüft. Bei 8,6 Prozent aller Betriebsuntersuchungen wurden dabei Verstöße festgestellt, die zu Verfahren führten. Auf Nachfrage durch die FR erklärt der Zoll, dass die Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung in allen Branchen stetig intensiviert würde: „Ziel ist es, die Hemmschwelle zur Begehung entsprechender Verstöße weiter zu erhöhen und dadurch die Sicherung der Sozialsysteme und Steuereinnahmen sowie die Einhaltung des Mindestlohns zu gewährleisten.“ Doch auch die Politik hat bei der Frage nach Arbeitsbedingungen eine Verantwortung.
Keine gravierenden Mängel
Das Landessozialministerium kontrolliert die Einhaltung von Arbeitsschutzanforderungen und Vorschriften für Gemeinschaftsunterkünfte. So teilt das Ministerium auf FR-Anfrage mit, dass alle Anzeigen, Beschwerden oder von Amts wegen zur Kenntnis gelangten Mängel durch Besichtigungen vor Ort überprüft würden. 2020 seien insgesamt 133 landwirtschaftliche Betriebe überprüft worden. Dabei sollen keine gravierenden Verstöße festgestellt worden sein. Allerdings gab es in dem Jahr in Hessen insgesamt knapp 15 000 landwirtschaftliche Betriebe.
Mehr als ein Jahr seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine spielen auf dem Arbeitsmarkt ukrainische Flüchtlinge eine zunehmende Rolle. Durch eine EU-Richtlinie haben diese bereits mit dem vorläufigen Dokument über das Aufenthaltsrecht eine Arbeitserlaubnis. Seit März 2022 konnten in Hessen rund 5200 ukrainische Staatsbürger:innen einen sozialversicherungspflichtigen Job aufnehmen. So konnte die Initiative Faire Landarbeit in der Erntesaison im letzten Jahr einen leichten Anstieg an ukrainischen Saisonarbeiter:innen feststellen. Ob es dieses Jahr mehr werden, lasse sich noch nicht sagen. „Wahrscheinlich wird die Zahl von Saisonarbeitenden aus Drittstaaten mittelfristig zunehmen“, so Luig.