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Amtsgericht Frankfurt: Haftstrafen für Abseilaktion über der A5

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Von: Oliver Teutsch

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Gericht kennt kein Pardon für Klimaschutz. Verteidigung wirft Staatsanwaltschaft Kriminalisierung von politischem Protest vor.

Die Ausführungen von Angeklagten und Verteidigung waren mitreißend, das Urteil ernüchternd. Für ihre Abseilaktion auf der A5 im Oktober 2020 haben fünf junge Klimaschützer:innen Haftstrafen von sechs und sieben Monaten auf Bewährung erhalten. „Der Sachverhalt ist hier eindeutig“, urteilte Strafrichterin Lara Gielok im Hinblick auf die von der Staatsanwaltschaft angeklagte Nötigung.

Der knappen Urteilsverkündung am Mittwoch war eine zähe Beweisaufnahme vorausgegangen, in der zwei Welten aufeinanderprallten. Auf der einen Seite die Angeklagten und deren stattliche Zahl an Pflicht- und Wahlverteidiger:innen, die immer wieder auf die Notwendigkeit eines Umdenkens im Klimaschutz hinwiesen und die Abseilaktion als rechtfertigenden Notstand ansahen, da Petitionen drei Jahrzehnte lang keinen Erfolg gebracht hätten. Auf der anderen Seite die Staatsanwaltschaft, die auf das Strafgesetz Paragraf 240 pochte.

Die Anklagebehörde hatte in ihrem Plädoyer Haftstrafen von acht und neun Monaten gefordert und in einer „Vorbemerkung“ konstatiert: „Das deutsche Strafgesetz kennt keinen Klima-Notstand.“ Das sorgte für reichlich Gelächter im gut gefüllten Zuschauerraum, weil es unerbittlich gemeint, aber eher entschuldigend rüberkam und die Misere der zwei Welten auf den Punkt brachte. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer auch mangelnden Respekt der Angeklagten während des Prozesses beklagt. „Die Verachtung des Rechtsstaats ist beispiellos.“ Die Verteidigung hielt dem entgegen, es sei schwer, Respekt für die Justiz aufzubringen, wenn man für einen politischen Protest bis zu fünf Wochen in Untersuchungshaft verbringen müsse und dort menschenunwürdig behandelt werde.

Einer der Pflichtverteidiger warf der Staatsanwaltschaft vor, die politische Aktion des Abseilens „in bisher nicht bekanntem Maße zu kriminalisieren“. Die Anklagebehörde folge in ihrer Argumentationskette Hessens Innenminister Peter Beuth, der gegenüber den Angeklagten zudem „horrende Kosten“ geltend mache. Denn um die fünf Angeseilten, die mehrere Meter über der Fahrbahn hingen, herunterzuholen, habe die Höhenrettung der Polizei aus Rheinland-Pfalz eingeflogen werden müssen.

Unklar blieb während der viertägigen Beweisaufnahme indes, wie groß die Auswirkungen der Aktion auf Höhe des Luftbrückendenkmals für den Verkehr waren. Die Staatsanwaltschaft sprach in ihrem Plädoyer von sieben Kilometer Stau in beiden Richtungen und 32 eingegangenen Notrufen. Die Verteidigung hielt dem entgegen, in Richtung Norden habe sich gar kein Stau gebildet, dieser sei nur konstruiert worden, damit das Amtsgericht Frankfurt für die Aktion nahe Zeppelinheim überhaupt zuständig war. Richterin Gielok räumte in ihrem Urteil ein, die Angeklagten hätten „eigentlich ein hehres Ziel verfolgt, nämlich den Klimaschutz“. Die Form des Protests aber sei die falsche gewesen, da sie billigend in Kauf genommen hätten, dass „ganz schlimme Dinge passieren“.

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