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"Der Roboter könnte einen Menschen allenfalls simulieren"

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Von: Peter Hanack

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Thomas Damberger, geboren 1979, ist seit Oktober 2016 Vertretungsprofessor für Neue Medien am Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung der Goethe-Universität in Frankfurt. Seine Forschungsgebiete sind Philosophie der Bildung und Erziehung, Künstliche Intelligenz, Transhumanismus sowie Medienpädagogik.
Thomas Damberger, geboren 1979, ist seit Oktober 2016 Vertretungsprofessor für Neue Medien am Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung der Goethe-Universität in Frankfurt. Seine Forschungsgebiete sind Philosophie der Bildung und Erziehung, Künstliche Intelligenz, Transhumanismus sowie Medienpädagogik. © Privat

Medienforscher Damberger über allwissende Maschinen.

Dr. Damberger, werden einmal Roboter unsere Kinder oder spätestens die Enkelkinder unterrichten?
Das ist sicher nicht ganz unwahrscheinlich, um es vorsichtig zu sagen. Letztlich ist das eine Frage der Kosten. Auf jeden Fall durchsetzen werden sich die adaptiven Lernsysteme, weil sie recht billig zu haben sind. Da benötigen Sie lediglich einen Rechner, Mikro, Kamera und Monitor. Der Roboter, wenn er menschenähnlich aussehen soll, ist auf jeden Fall teurer. Der braucht einen Körper, Arme, vielleicht Hände, Augen, muss sich bewegen und im Raum orientieren können. Adaptive Lernsysteme werden beispielsweise an den amerikanischen Lab-Schools eingesetzt. Ein Programm beobachtet ein Kind oder einen Jugendlichen beim Lernen am Computer und versucht den Fortschritt zu erkennen, um die nächsten Lernschritte oder Wiederholungen vorzugeben.

Gibt es zwischen solchen Systemen und Robotern außer der Gestalt noch einen wesentlichen Unterschied?
Nein. Es ist wirklich vor allem das Aussehen, das den Unterschied macht. Und dass der Roboter etwas präsenter ist als ein flaches Bild auf dem Monitor, deshalb vielleicht etwas intensiver mit dem Lernenden interagieren kann.

Was können solche intelligenten Lernsysteme, egal in welcher Gestalt sie daherkommen, außer dem Lernenden Aufgaben zu stellen, ohne dabei je zu ermüden?
Eine ganze Menge, wenn man das, was es bereits gibt, zusammenführt. Das Unternehmen Affectiva etwa hat mit Affdex ein Programm entwickelt, das per Kamera am Gesichtsausdruck Emotionen erkennen kann. Jeder Mensch kann mit seinen 40 Gesichtsmuskeln ungefähr 10 000 Gesichtsausdrücke erzeugen. Affdex registriert minimale Bewegungen dieser Muskeln und kann so erkennen, ob das Gegenüber lügt, Angst hat, aufmerksam ist oder desinteressiert. Und darauf passend reagieren.

Besser als jeder Lügendetektor. Schummeln geht da gar nicht?
Absolut. Das Programm kann das Gegenüber permanent analysieren. Viel genauer, als es etwa ein Lehrer könnte. Und das für 30 Schüler auf einmal, wenn man den technischen Fortschritt berücksichtigt. Das kann man dann koppeln mit einem Programm, das Stimmen analysiert. Der Computer oder eben der Roboter weiß also, wie es dem Schüler oder der Schülerin gerade geht. Und er kann das kombinieren mit all den Daten über die Lernentwicklung, die dieser Jugendliche seit dem Eintritt in die Schule oder den Kindergarten genommen hat. Je nachdem, von wo an die adaptiven Lern- und Analysesysteme eingesetzt wurden.

Klingt beängstigend.
Bisher sind die Roboter in der Produktion noch sehr teuer und auch noch nicht in der Lage, selbstständig zu agieren, können also noch nicht wirklich unterrichten. Aber ich bin sicher, dass sie das lernen werden. Und wenn sie dann weniger kosten als ein menschlicher Lehrer, dann wird man sie auch einsetzen.

Wie lange wird das noch dauern?
Japan ist Vorreiter von Robotern, die im Alltag helfen. Das hat vor allem damit zu tun, dass man dort ein massives demographisches Problem mit der zunehmenden Zahl von Alten und deren Betreuung und Pflege hat. Es ist dann nur noch ein kleiner Schritt, diese Technik auch in Kindergärten und Schulen einzusetzen. Ich denke, dass es da in den nächsten zehn bis 15 Jahren große Schritte geben wird. Man wird das kaum verhindern können.

Würden Sie sich über einen solchen elektronischen Superlehrer freuen?
Nein, aber unabhängig davon könnte er einem Lehrer in seinen didaktischen Fähigkeiten weit überlegen sein. Er könnte sehr individuell auf jeden Schüler eingehen. So individuell, wie das ganz früher einmal für sehr wenige Kinder aus wohlhabenden Familien mit dem Hauslehrer möglich war. Und wenn die Roboter nur billig genug werden, dann werden sie vielleicht tatsächlich wie Hauslehrer eingesetzt werden können.

Also gehen wir dank smarter Software einer goldenen pädagogischen Zukunft entgegen?
Schon heute ist deutlich, dass Bildung immer mehr unter dem Aspekt der Optimierung und Leistungssteigerung betrachtet wird. Immer mehr geht es darum, Menschen möglichst optimal für ein Berufsleben zu qualifizieren. Zum Bildungsgedanken aber gehört immer, dass man zu einem Menschen erzogen wird. Dass man das Menschliche am anderen erkennt. Davon jedenfalls war zum Beispiel Immanuel Kant überzeugt. Wilhelm von Humboldt sagte, dass sich der Mensch an der Welt erfahren müsse, um sich bilden zu können. Hat man da nun einen Roboter als Lehrer, dann fällt das zumindest zu einem wesentlichen Teil weg. Der Roboter könnte einen Menschen allenfalls simulieren. Wenn Maschinen Menschen erziehen, dann können die vielleicht die Leistung optimieren. Das Menschliche herauskitzeln können sie nicht.

Interview: Peter Hanack

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