Zum Tod von Friedel Lutz: „Amateurn ham wir hier genug“

Friedel Lutz, Eintrachtler durch und durch, ist am Dienstag im Alter von 84 Jahren im Kreise seiner Familie gestorben. Ein Nachruf.
Es ist mehr als ein Vierteljahrhundert her, als sich der sehr junge Alexander Schur, damals noch bei der Zweiten am Ball, am Riederwald in der Kabine der Profis vorstellte, schüchtern, aber wohl erzogen. „Guten Tag, ich bin der Neue, ich komme von den Amateuren und soll jetzt mittrainieren“, sagte der Frankfurter Bub. Friedel Lutz war da, er ordnete, wie er das seinerzeit machte, als Zeugwart die Trainingsleibchen, er schaute kurz auf: „Amateurn ham wir hier genug.“
Das war typisch Friedel Lutz, der am Dienstagabend (nach dem Schlusspfiff des Pokalspiels) im Alter von 84 Jahren im Kreise seiner Familie an den Folgen seiner Demenzerkrankung gestorben ist: direkt, derb, geradeaus, Frankfurter Schlappmaul, könnte man sagen, aber herzensgut und mit viel Wärme, harte Schale, weicher Kern. Denn natürlich hat er dann dem Alex Schur alles gezeigt und erklärt.
Friedrich Heinrich Lutz war bei der Eintracht eine Institution, er gehörte viele, viele Jahre praktisch zum Inventar, 1957 kam der gelernte Schlosser vom FV Bad Vilbel zur Eintracht, ein eisenharter Verteidiger, und er verließ den Klub erst 46 Jahre später im Jahre 2003 mit 65 Jahren. Friedel Lutz, dessen hohe Stimme sein unverwechselbares Markenzeichen war, war ein prima Fußballer. Er machte mehr als 400 Spiele für die Eintracht, gehörte natürlich zur 59er-Meisterelf und zu dem Team, das 1960 nur knapp gegen Real Madrid im Europapokal-Finale der Meister unterlag (3:7). Von der 59er-Elf sind jetzt nur noch fünf Spieler am Leben, Egon Loy, Dieter Stinka, Istvan Sztani, Dieter Lindner und Ekko Feigenspan. Lutz zählte seinerzeit mit Lindner zu den jungen Wilden im Team.
Lutz wäre sogar fast Weltmeister geworden - wenn es das verflixte dritte Tor von Wembley nicht gegeben hätte. Er gehörte 1966 zum WM-Kader der DFB-Auswahl, spielte sogar im Halbfinale gegen die Sowjetunion (2:1), weil sich der Bremer Hans-Dieter Höttges verletzt hatte. Im Finale war Höttges wieder fit.
In den Allerwertesten
Sechs Jahre zuvor hatte Lutz sein erstes Länderspiel bestritten, Sepp Herberger berief ihn für die Partie gegen Island, „Mein Nonplusultra“, sagte er später, elf weitere Auswahlspiele sollten folgen. Und das, obwohl er damals jeden Tag von 7 bis 15.30 Uhr einer Arbeit nachging, bei einer Bestuhlungsfirma in Bergen-Enkheim, 37 Jahre lang verknüpfte er Arbeit und Fußball. „Damals hat niemand vom Fußball leben können. Wir haben uns eben so durchgewurschtelt“, sagte Lutz einmal, der mit seiner Frau Helga und Sohn Peter seit ewigen Zeiten in Dortelweil lebt.
Friedel Lutz hatte sie alle gehabt, Gerd Müller, Jupp Heynckes, Klaus Fischer. Uwe Seeler, Helmut Haller, die großen Mittelstürmer von damals. Als Mittelläufer war er gefürchtet, schnell wie der Wind war er, und hart, kompromisslos und immer in Manndeckung. „Notfalls wäre ich mit auf die Toilette gegangen“, erzählte er gerne. So war das - und Schienbeinschoner trugen nur Waschlappen.
Historisches hat Friedel Lutz auch geschafft: Er war der erste Spieler in der Bundesliga gewesen, der die - im Januar 1971 - hierzulande neu eingeführte Rote Karte gesehen hatte. Und das kam so: Im Spiel gegen Eintracht Braunschweig, am 3. April 1971 war das, hatte ihn Gegenspieler Jaro Deppe einmal derart böse getreten, dass dem guten Friedel kurz die Sicherungen durchbrannten: „Ich habe ihn in den Arsch getreten“, sagte er auf seine direkte Art. Klar flog er da sofort vom Platz. Ein böser Bube war Lutz nicht, der noch auf 211 Bundesligaspiele kam. Von 1957 bis 1973 spielte er bei der Eintracht, nur eine Saison, 1966/67, spielte er für 1860 München gewechselt. Er war für 175 000 Mark gewechselt. Doch bald kehrte er zurück. Er habe den Föhn in Bayern nicht vertragen, begründete er schelmisch sein Comeback.
Nach der Profikarriere kickte er noch kurz bei TuS Makkabi, der SpVgg. Neu-Isenburg und dem FC Rhein-Main. Mit 61 stand er gar noch bei den AH-Kickern des SC Dortelweil seinen Mann. Der Eintracht blieb er stets treu, ab 1995 bis 2003 war er deren Zeugwart und erlebte auch die weniger große Zeit des Klubs, mit den ersten Abstiegen und großen finanziellen Zwängen. Es war der damalige Vizepräsident Bernd Hölzenbein, der den Kempen zur Eintracht als Nachfolger von Anton Hübler holte. Sein Ende 2003 hat ihm weh getan, er hätte gern noch weitergemacht, denn die Eintracht war sein Leben.
Bald 68 Jahre war er Mitglied bei den Hessen. „Es hat ja keiner gesagt, dass ich austreten soll. Deshalb bin ich geblieben, bis heute“, sagte er einmal in seiner typischen Art.