Der Ton bei Eintracht Frankfurt wird rauer

Wie Trainer Oliver Glasner vor dem Bochum-Spiel die Frankfurter Eintracht aufzurütteln versucht.
Frankfurt am Main – Vielleicht ist es nur eine Vermutung, aber manches deutet daraufhin, dass der nette Herr Glasner angesichts einer mindestens Ergebniskrise der Frankfurter Eintracht in diesen Tagen den Ton verschärft hat. Und dabei auch Journalisten nicht ausnimmt, die auf der Spieltagspressekonferenz vor dem in vielerlei Hinsicht wichtigen Spiel am Freitagabend (20.30 Uhr/live Dazn) gegen den Abstiegskandidaten VfL Bochum wissen wollten, wie er sich die stark gekrümmte Leistungskurve des Gros seiner Leistungsträger erklärt.
Und dann legte der Mann los, hielt eine flammende Lobesrede auf die Hälfte seiner Mannschaft, kreierte flugs das Wörtchen vom „Karriere-High“ und nannte namentlich Randal Kolo Muani („Rekordscorer“), Jesper Lindström, Sebastian Rode, Daichi Kamada, Djibril Sow, die allesamt gerade ihren „Karriere-High“ erlebten, also auf dem Höhepunkt ihrer bisherigen Laufbahn stünden, zumindest gehend nach ihren erzielten Toren. Auch Aurelio Buta und Rafael Borré würden, an ihren Treffern gemessen, klasse spielen.
Eintracht Frankfurt: Glasner sieht nur „kleine Delle“ bei Kamada
„Ich erwarte nicht, dass Daichi Kamada jede Halbsaison zwölf Tore schießt, dann hätte er am Ende 24, dann wäre er eh schon überall.“ Im letzten Herbst hatte der Japaner „herausragend gespielt“, so gut wie noch nie, das reguliere sich aber über die gesamte Runde. „Wenn er am Ende der Saison 15, 16 Tore schießen sollte, sagen wir, was für eine grandiose Runde. Jetzt ist halt eine kleine Delle dabei.“ Nun hinein zu interpretieren, er sei mit dem Kopf woanders, „da mache ich nicht mit.“ Er sehe jeden Tag im Training, was die Spieler leisten, wie hart sie arbeiten und wie viel sie investieren. Und diese von Oliver Glasner aufgezählten Spieler - nicht zufällig alles Offensivkräfte, die Tore erzielten - spielten eine „ziemlich coole und geile Saison“. Krise? „Da sehe ich die Problematik einfach nicht.“
Im Übrigen, und damit richtete sich der Fußballlehrer direkt an die Presse, „müsst ihr Euch Gedanken machen, was Ihr schreibt und ich als Trainer, wie wir erfolgreich spielen.“ Schon in der letzten Woche hatte Glasner in einem anderen Interview sehr deutlich gemacht, dass vieles, was an Unruhe derzeit bei Eintracht Frankfurt herrscht, von außen, von den Medien, hereingetragen worden sei. O-Ton: „Vielleicht sollte man sich mal Gedanken machen, ob es klug ist, von medialer Seite so zu agieren.“ Es ist offensichtlich, dass Oliver Glasner, deutlich dünnhäutiger, mehr unter Druck, die Auseinandersetzung sucht. Reibung ist mitunter förderlich, er will den Laden ein wenig aufmischen, will aufrütteln. Selbst wenn es bei einer Spieltagspressekonferenz ist. Da spürt einer: So wie zuletzt kann es mit Eintracht Frankfurt nicht weitergehen.
Es fehlt ein Wumms bei der Eintracht
Denn zur ganzen Wahrheit gehört natürlich: Eintracht Frankfurt ist weit von den feinen Vorstellungen im Herbst entfernt. Da mag die Mannschaft durchaus über den Verhältnissen gespielt haben, im Moment läuft manches darauf hinaus, dass die Hessen gar ihr Minimalziel verspielen, einen internationalen Startplatz. Ohne einen kräftigen Ruck, ohne eine offensichtliche Leistungssteigerung werden die Frankfurter ihren sechsten Platz nicht verteidigen können, Wolfsburg, Mainz und Leverkusen sitzen ihnen im Nacken. Die Statistik lügt nicht: In der Rückrunde hat die Eintracht in acht Spielen neun Punkte geholt, der letzte Sieg datiert vom 18. Februar, 2:0 gegen Werder Bremen, vier der letzten sechs Pflichtspielen wurden verloren, darunter zweimal gegen die Spitzenmannschaft des SSC Neapel. Neun Punkte in der Rückrunde hat übrigens auch der VfL Bochum geholt. Dazu kommt, dass das Spiel der Hessen nicht mehr funktioniert, es läuft nicht rund, holpert und stolpert, Leistungsträger wie Kamada, Götze. Sow hängen durch, Lindström ist verletzt, alles hängt allein von Kolo Muani ab. Und die Abwehr ist alles andere als sattelfest, „hinten verkacken wir es“.
Das hat Oliver Glasner gesagt, kein einziger Journalist hat das so je geschrieben, und es war auch Oliver Glasner, der nach dem letzten Auswärtsspiel bei Union Berlin einen Teil seiner Spieler in einer furiosen Suada in den Senkel gestellt und fehlende Qualität bei seinen Verteidigern beklagt hatte. Und: „Ich weiß nicht, wie man Qualität trainieren soll“, hatte er in Berlin böse gezischt. Und für diese Kritik, das sagte er am Mittwoch, werde er sich ganz sicher „nicht entschuldigen“.
In dieser Woche hat er seinen abwehrenden Kräfte noch einmal seine Sicht der Dinge erklärt, es dürften klare Worte gefallen sein, immerhin waren bis auf den verletzt von einer Länderspielreise zurückgekehrten Hrvoje Smolcic alle Verteidiger in Frankfurt. Veränderungen wird es sicher geben, Tuta ist gelbgesperrt, für ihn könnte Kristijan Jakic verteidigen, Makoto Hasebe dürfte als Stabilisator zurückkehren. Das Dumme nur: Der VfL Bochum spielt im Prinzip so wie Union Berlin. „Weiter Einwurf, Kopfballverlängerung, wieder Kopfball, Abpraller - Tor“, sagte Glasner. Dazu Standards und zweite Bälle. Also alles, was Eintracht Frankfurt im Frühjahr 2023 nicht mag.