Bochum-Torwart Manuel Riemann: Zwischen Genie und Wahnsinn

Der Bochumer Torhüter Manuel Riemann wandelt zwischen den Extremen.
Es brauchte dann tatsächlich eine unangenehme Magen-Darm-Grippe, damit Manuel Riemann, der Unverbiegbare zwischen den Pfosten des VfL Bochum, die Nummer eins seiner Fußballmannschaft bleiben durfte. Sein Ersatz, Michael Esser, ein ganz erfahrener Mann, 35, der bereits bei etlichen Klubs einen soliden Rückhalt gab (unter anderem Darmstadt 98, Hannover 96 und TSG Hoffenheim), musste passen. Und so blieb es dem Trainer Thomas Letsch doch noch erspart, eine schwierige Entscheidung zu treffen und vermutlich den eigentlichen Stammballfänger Riemann aus dem Kasten zu beordern.
Anfang März war das, da hatte Riemann, ein Keeper zwischen Genie und Wahnsinn, letzterem unfreiwillig freien Lauf gelassen. Im Ruhrpottknaller gegen Schalke 04 (0:2) patzte er sehenswert. Sehenswert deshalb, weil solch Slapstick-Eigentore wie dieses nur selten vorkommen in Profigefilden. Riemann also krabbelte und patschte, im gutem Willen, das Gegentor zu verhindern, den Ball kurzerhand selbst über die Linie. Es war dies nicht der erste Patzer des Torhüters in der laufenden Runde, sieben sind in der erbarmungslosen Statistik bereits notiert. Mal segelte der 34-Jährige unter Flanken hindurch, mal reagierte er auf der Torlinie zu trantütig, oft irrte er außerhalb des Strafraums umher. Kurzum: Es war bis dato nicht die Saison des Manuel Riemann.
Und dann? Dann explodierte er. Nicht verbal, wofür er ebenfalls bekannt ist, Radio Riemann sein Spitzname, sondern leistungsmäßig. In den folgenden Partien in Köln (2:0) und vor allem gegen Leipzig (1:0) war er nicht nur bester Spieler seines Teams, sondern auf dem gesamten Platz. Kurz nachdem er in der Nachspielzeit gegen die Sachsen gleich drei Glanztaten vollführte, ertönten an der Castroper Straße Manuel-Riemann-Sprechchöre. Er, der Torhüter, genoss für sich. Mit feuchten Augen.
So wird der gebürtige Bayer auch an diesem Freitagabend (20.30 Uhr/Dazn) unter der Bochumer Latte stehen, wenn der Tabellen-14. zu Gast ist bei der Frankfurter Eintracht und seinen Positivlauf fortsetzen will. Und Riemann wird ein Hoffnungsträger seiner Truppe sein, der in selbstbewusster Form schon so manch gegnerischen Stürmer mit seiner unorthodoxen Spielweise zum Verzweifeln gebracht hat. „Nach dem Schalke-Spiel war keine einfache Woche für ihn. Er hat sich viele Vorwürfe gemacht. Jetzt hat er den Reset-Knopf gedrückt und den alten Manu wiedergefunden“, sagt Angreifer Philipp Hofmann, mit sieben Treffern bester Bochumer Schütze. Vor allem konzentriert er sich mehr auf sich selbst.
Spitze bei parierten Schüssen
Riemann polarisiert gerne, ist das, was in der Fußballersprache „ein Typ“ ist, einer, der nicht erst jedes Wörtchen abwiegt, sondern gerne frei heraus lospoltert. Gegen Medien, gegen Gegner, auch gegen Mitspieler. Der „VfL-Spieler der Saison 2021/2022“, einst über Burghausen, Osnabrück und Sandhausen nach Bochum gekommen, ist ein verrückter Vogel wie es in der Torhütergilde hierzulande wohl nur noch Augsburgs Rafal Gikiewicz verkörpert. Doch: In den vergangenen Wochen, seit dem Schalke-Dilemma, nahm er sich bewusst zurück, suchte die Stille, die innere Ruhe, igelte sich ein, besann sich auf seine Stärken, die er zweifelsohne hat. Bestes Beispiel: Mit 105 gehaltenen Torschüssen ist Manuel Riemann Ligaspitze. Kein Wert, der eine Ersatzrolle rechtfertigen würde.