Tüftler Niko Kovac

Der Trainer von Eintracht Frankfurt hat nicht viel Zeit, um die richtige Mischung im neuen Team zu finden.
Der Seitenwechsler Bastian Oczipka hat dieser Tage in einem Interview einen kurzen Blick zurück auf seine Eintracht-Zeit geworfen und schließlich festgestellt, dass er ein paar Gesichter aus der aktuellen Mannschaft noch gar nicht kenne. „Letztes Jahr hatten wir am Anfang, als es top lief, neun Spieler aus dem alten Kader und nur zwei Neue auf dem Platz. Dieses Gerüst ist wichtig für eine Mannschaft“, sagte der 28-jährige Schalker der „Bild“.
Oczipka hat viel erlebt in Frankfurt, fünf Jahre trug der Linksverteidiger das Jersey mit dem Adler auf der Brust, aber eine solche Radikalumwälzung wie vor dieser Saison ist ihm neu und scheint ihm auch aus sicherer Entfernung etwas suspekt zu sein. „Der Umbruch in diesem Jahr ist nicht so einfach.“
In der Tat hat Eintracht Frankfurt in der starken Hinserie der Vorsaison zumeist Akteure aufgeboten, die schon in der Spielzeit zuvor für die Hessen am Ball waren. Am dritten Spieltag etwa beim 2:1 über Bayer Leverkusen standen zehn „alte“ Profis auf dem Platz, nur Jesus Vallejo, ohnehin ein königlicher Rohdiamant, gehörte der Startformation an. Das ist in dieser Runde nicht mehr so, in den ersten beiden Partien in Freiburg (0:0) und zu Hause gegen den VfL Wolfsburg (0:1) fanden sich gleich sechs Neuzugänge in der Anfangself.
Das ist zwingend logisch, denn wer zwölf neue Spieler holt (die Talente aus dem eigenen Stall nicht mitgerechnet), der erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gros davon spielt, sonst hätte man sie ja nicht holen brauchen. Einen ähnlich großen Umbau, das bestätigen die Verantwortlichen bei jeder Gelegenheit, soll es zukünftig eher nicht mehr geben, doch durch die vielen Leihspieler (eine Folge der finanziellen Zwängen im vergangenen Jahr) sei die große Fluktuation quasi unausweichlich gewesen. Deshalb ist die Vertragsgestaltung der aktuellen Zugänge jetzt so ausgearbeitet worden, dass im kommenden Sommer nicht wieder alles von vorne aufgebaut werden muss. Gut so.
Bei solchen Umwälzungen ist es allerdings genauso logisch, dass noch nicht alle Abläufe stimmen können, die Mannschaft kann gar nicht eingespielt sein. Zumal ja einige der Neuen keine Bundesligaerfahrung haben und auch die Sprache nicht beherrschen, weshalb Vizekapitän David Abraham kürzlich klar forderte, dass die Zugänge möglichst schnell Deutsch lernen. Kurse sind vom Verein sowieso vorgeschrieben, dennoch gibt es natürlich Unterschiede in der Begabung und auch dem Lernwillen.
Das Problem für die Eintracht ist generell: In der Bundesliga wird einem nicht allzu viel Zeit zugestanden, alles muss quasi ad hoc funktionieren. Schließlich ist ja der Verdrängungswettbewerb in der Liga nach Einschätzung aller Experten in dieser Runde noch sehr viel größer als in den Jahren zuvor. Deshalb hat Trainer Niko Kovac auch in der Länderspielpause beharrlich weiter an der Abstimmung und am Feintuning gewerkelt. „Manchmal fehlt noch der letzte Pass“, sagt etwa Verteidiger Danny da Costa. „Und die Flanken könnten besser in den Zielraum kommen. Daran arbeiten wir.“ Der Anpassungsprozess ist nicht beendet.
Coach Kovac will ein variables Spielsystem, er will sich nicht festlegen lassen, weder auf eine generelle Philosophie, auf eine Spielidee, noch auf eine taktische Formation. Er tüftelt noch. Bisher hat er sich in beiden Begegnungen für ein 3-5-2 entschieden, also mit einer Dreierkette hinten, zwei offensiven Außenverteidigern, einem nominellen Sechser, zwei Achtern und zwei Stürmern. Das hat in Freiburg ganz gut, gegen Wolfsburg weniger gut funktioniert.
Hinten steht die Eintracht kompakt, lässt auch wenig Chancen zu. Personell ist lediglich die Frage, ob der Mexikaner Carlos Salcedo für den bislang matten Simon Falette ins Team rutscht. Außen haben Jetro Willems (links) und Timothy Chandler (rechts) ihre Plätze sicher.
Im Mittelfeld haben einige Spieler kaum Spuren hinterlassen und nicht alle Zweifel beseitigen können. Gelson Fernandes ist als zentraler Mittelfeldmann ein reiner Abräumer. Sollte der Schweizer weiterhin das Vertrauen genießen, würde ihm ein spielstarker Nebenmann gut tun. Mijat Gacinovic ist auf der Halbposition absolut gesetzt, wird sich aber steigern müssen, das ist ihm zuzutrauen: In der serbischen Nationalmannschaft hat der 22-Jährige einen bärenstarken Eindruck hinterlassen. Und Jonathan de Guzman? Der fast 30-Jährige ist ballsicher, aber für was steht er eigentlich? Er ist nicht besonders schnell, gefährliche Bälle in die Spitze hat er ebenfalls noch nicht in Reihe gespielt und vor dem Tor eine eklatante Abschlussschwäche offenbart. Der Niederländer muss sich steigern, gerade auf Spieler wie ihn baut Coach Kovac. Immerhin: De Guzman hat die Klasse, er kann Fußball spielen, doch ihm fehlt der Rhythmus und auch die Fitness, in der Vorbereitung hat er fast drei Wochen wegen einer Adduktorenzerrung pausieren müssen.
Im Sturm ist Sebastien Haller gesetzt, klar, er hat auch sehr manierlich gespielt bisher, aber eine tiefe Abneigung zu den Alustangen des Tores aufgebaut. An seiner Seite stürmte gegen Wolfsburg lange Zeit der in Abwesenheit von Alex Meier einzig verbliebene Starspieler: Kevin-Prince Boateng. Wird er das auch weiter tun? Kovac beorderte den 30-Jährigen gegen Wolfsburg nach 65 Minuten ins defensive Mittelfeld. Da kam er aber gar nicht zurecht. Boateng hat sicherlich noch Nachholbedarf, muss körperlich zulegen.
Intern ist er beliebt, hat seine Führungsrolle angenommen, er ist sich auch für keinen offiziellen Termin zu schade, kein Selfie lehnt er ab. Das ist bei seinem Ruf nicht unwichtig. Aber wo soll er spielen? Vielleicht doch als hängende Spitze, zwischen offensivem Mittelfeld und Angreifer Haller? Dann müsste Kovac sein System etwas modifizieren.
Und was wird aus Rückkehrer Ante Rebic? Der Kroate ist eigentlich ein reiner Flügelspieler. „Ante fühlt sich außen am wohlsten, wenn er mit dem Gesicht zum Tor stürmen kann“, sagte Kovac erst kurz vor Ende der abgelaufenen Saison. Wenn für den 23-Jährigen nur ein Platz am Flügel bleibt, müsste der Trainer seine Taktik ändern. Denn mit Rebic auf links und dem ebenfalls extrem hoch stehenden und offensiv agierenden Willems dahinter, das scheint wenig zielgerichtet. Vielleicht Rebic aber doch mal als zweite Spitze probieren. Mit seiner Wucht und Dynamik, mit seiner Unberechenbarkeit könnte er sich mit Sturmtank Haller gut ergänzen.