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Eintracht Frankfurt: Die Rückkehr der magischen Nächte

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Von: Daniel Schmitt

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Geballte Freude in Andalusien: Die Eintracht siegt in Sevilla.
Geballte Freude in Andalusien: Die Eintracht siegt in Sevilla. © dpa

Die Eintracht erspielt sich im Hexenkessel Sevilla gute Chancen aufs Weiterkommen - sie hätten noch besser sein können.

So spät die Fans von Real Betis gekommen waren, so früh verließen sie das Estadio Benito Villamarín, dieses alte, aber dadurch erst recht charmante und stimmungsvolle Fußballstadion inmitten Sevillas, auch wieder. Die Nachspielzeit war gerade erst angebrochen, vier Minuten sollte sie dauern, als Tausende der spanischen Fans unter den 36 500 Zuschauenden eiligst die Arena verließen. Sie waren bedient, logisch, verlor ihre Elf doch am Ende mit 1:2 (1:2) das Europa-League-Achtelfinalhinspiel gegen Eintracht Frankfurt, ernsthaft sauer schienen sie aber nicht.

Denn dieser Mittwochabend hätte aus ihrer Sicht noch übler enden können. Die Eintracht, der Tabellenzehnte der Bundesliga, zeigte mal wieder, was es heißt, wenn Frankfurter Fußballer in Europa unterwegs sind. Dann blühen sie auf, entfliehen dem tristen Ligaalltag, raffen sich zu besonderen Leistungen auf - und spielen guten Fußball. Der Sieg, daran bestand hinterher kein Zweifel, war völlig verdient, hätte höher ausfallen können, womöglich müssen. Trainer Oliver Glasner lobte entsprechend euphorisch, sprach von einer „fantastischen Leistung“ und bescheinigte seinem Team, „einen absoluten Spitzenauftritt“ hingelegt zu haben. Er sei „sehr, sehr happy“.

Torwart Kevin Trapp indes, kaum geprüft, sagte und traf damit den Nagel auf den Kopf: „Schade, dass wir nur 2:1 gewonnen haben“. Unisono war klar. Da war an diesem Mittwochabend sogar noch mehr drin gewesen. „Drei, vier Tore hätten wir machen müssen“, fand der bärenstarke Djibril Sow.

Als das Stadion dann zehn Minuten nach Abpfiff endgültig von spanischen Fußballfans verlassen worden war und nur noch die rund 5000 mitgereisten Frankfurter Anhänger Mannschaft feierten, mischte sich unter zufriedene und stolze Eintracht-Gesichter unten auf dem Feld durchaus auch das eine oder andere hadernde.

Oliver Glasner hatte am Vorabend des Spiels ja sein Pokerface aufgesetzt. Er, der Frankfurter Trainer, denke trotz des 4:1-Erfolgs von Berlin nämlich sehr wohl darüber nach, die Startelf dem Kontrahenten anzupassen, sagte er da. Schließlich habe Betis, der Tabellenfünfte aus Spanien, eine äußerst gefährliche Offensive, vor allem auf den Flügeln seien die Andalusier forsch nach vorne unterwegs. Da gelte es, womöglich den einen oder anderen defensiver ausgerichteten Akteur als zuletzt aufs Feld zu schicken. In der Praxis bedeutete sie: keine Änderung in der Anfangsformation. Glasner also bot mit Rafael Borré, Jesper Lindström, Daichi Kamada, Filip Kostic und Ansgar Knauff gleich fünf eher offensiv denkenden Profis auf – allemal mutig. „Die Jungs haben es gut gemacht in Berlin, deshalb lassen wir sie wieder von der Leine“, sagte der Coach vor Anpfiff.

Gesagt, getan. Die Hessen suchten stets den schnellen Weg nach vorne. Zwar hatten die Spanier, angeführt vom besten Kicker auf dem Rasen, Nabil Fekir, häufiger ihre Füße am Ball, sie kamen mit der Körperlichkeit der Frankfurter, ansonsten ja eher eine Eintracht-Schwäche, aber kaum zurecht. Immer wieder erkämpfte vor allem der bärenstarke Djibril Sow im Mittelfeld die Bälle und spielte sie rasch in die Spitze. Mit Erfolg. Infolge einer Seitenverlagerung des Schweizers stoppte Filip Kostic erst den Ball nicht optimal, machte dann aber das Optimale aus der keineswegs prächtigen Situation. Vom Strafraumeck hob der Linksaußen die Kugel gefühlvoll über Betis-Torwart Claudio Bravo hinweg ins Netz - die Frankfurter Führung, brillant erzielt (14.). Kostic wusste das, er breitete nach dieser Bogenlampe die Arme aus und ließ sich von seinen jubelnden Kollegen herzen. Hatte er sich verdient.

Dass es nicht bei diesem einen Tor in den 90 Minuten bleiben sollte, durfte an diesem Abend nun wahrlich keinen überraschen. Das hohe Risiko der Hessen, die hinten oft genug Mann gegen Mann verteidigten, ebenso wie eine erkennbare Defensivschwäche der Sevillanos ließ im Grunde nichts anderes zu.

So kam es denn auch: Nachdem der schwächste Frankfurter des ersten Abschnitts, Ansgar Knauff, der ja erstmals in einem richtig stimmungsvollen Umfeld zeit seiner noch jungen Profikarriere unterwegs war, in der 30. Minute leichtfertig die Kugel verlor, schalteten diesmal die Spanier eiligst um. Und brachten den Ball zu Fekir. Der Franzose ließ seinen Landsmann Evan Ndicka locker stehen, tanzte ihn geradezu aus und schlenzte gekonnt zum 1:1 ins lange Eck.

Doch die Antwort der Eintracht ließ nicht lange auf sich warten, nicht mal 120 Sekunden. Dann schlug der Euro-Daichi wieder zu. Erneut eroberte Sow den Ball, Lindström trieb ihn den gegnerischen Strafraum, passte uneigennützig quer und Daichi Kamada schob mühelos ein (32.). Beachtlich: Es war der vierte Europa-League-Treffer des Japaners in dieser Saison, gar der zehnte auf europäischer Bühne im 23. Einsatz. In Europa blüht ein Daichi Kamada richtig auf.

Die zweite Hälfte begann, wie die erste aufgehört hatte: ereignisreich. Das Spiel verlor auch nach dem Seitenwechsel nicht an Tempo, legte gar noch zu. Die Heimfans, sie peitschten ihre Mannschaft ein, durften dann nach 52 Minuten aber durchatmen. Nach einem Handspiel im Betis-Strafraum hatte die Eintracht die Riesenchance, einen Elfmeter, um die Partie endgültig auf ihre Seite zu bekommen. Borré lief an, verlor jedoch mit jedem Schritt das Zutrauen in die eigene Stärke und schob den Ball harmlos in die Arme von Bravo. Es waren überhaupt die Minuten in der Partie, in der die Eintracht hätte einen noch größeren, vielleicht einen entscheidenden Schritt in Richtung Viertelfinale gehen können. Konter rollte nach Konter über die Spanier hinweg, die nun hohes Risiko gingen, von der Eintracht aber nicht in letzter Konsequenz bestraft wurden. Lindström mit einigen Durchbrüchen, Kostic mit viel Raum vor sich und etlichen Flanken, vor allem Rafael Borré mit klarsten Möglichkeiten, die der Kolumbianer doch recht simpel vergab (65., 67.) - da war deutlich mehr drin für die Eintracht.

So ist für das Rückspiel am kommenden Donnerstag, dann im Frankfurter Stadtwald, natürlich längst noch nichts entschieden in Sachen Weiterkommen. Die Eintracht aber überstand den Hexenkessel von Sevilla in beachtlicher Manier, sie spielte stark, kämpfte noch besser und verdiente sich dadurch den Vorteil für Wiedersehen. Das war ihnen im Vorfeld gewiss nicht allerorten zugetraut worden.

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