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Eintracht Frankfurt und das Rätsel Daichi Kamada

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Von: Thomas Kilchenstein

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Schafft er noch mal den Turnaround mit der Eintracht? Daichi Kamada.
Schafft er noch mal den Turnaround mit der Eintracht? Daichi Kamada. © Jan Huebner

Im Sommer wird er den Klub verlassen, doch aktuell hält sich der Schmerz darob in Grenzen in Frankfurt: Denn seit der WM ist Daichi Kamada außer Form. Warum eigentlich?

Nasskalt war es, geregnet hat es Bindfäden, echtes Schmuddelwetter mitten im Frühlingsmonat April – und doch hielt das beinahe 1000 Kiebitze am Mittwoch nicht davon ab, der einzigen öffentlichen Trainingseinheit der Frankfurter Eintracht in dieser Woche beizuwohnen. Immerhin bekamen sie fast 90 Minuten Fußball zu sehen, zwar ohne den am Knie angeschlagenen Kapitän Sebastian Rode, dafür probierte der Trainer Oliver Glasner mal wieder die Viererabwehrkette aus. Ein Fingerzeig für Samstag?

Mit dabei einer, der bald nicht mehr da sein wird, im Sommer wird er weiterziehen, er hat schon verlauten lassen, was längst keine Neuigkeit mehr ist: Daichi Kamada wird seinen Vertrag nicht verlängern. Im Augenblick weint ihm in Frankfurt kaum einer eine Träne nach, weil er völlig außer Form ist, neben sich steht, ja fast einen lustlosen Eindruck hinterlässt. So richtig ist das nicht zu verstehen: Kein Mensch verübelt es dem Japaner, dass er nach fünf Jahren für Eintracht Frankfurt noch mal etwas anderes sehen will, zumal ihm als ablösefreiem Profi viele Türen offen stehen und ein fettes Handgeld winkt.

Europa war seine Bühne

Warum er aber, im Grunde seit der WM in Katar, so gar nicht mehr ins Rollen kommt, verunsichert und ohne Selbstvertrauen wirkt, verwundert dann doch. Immerhin kassiert er bei der Eintracht noch gutes Geld, sind die Ziele in Liga und Pokal ja weiterhin attraktiv. Ist er wirklich schon mit dem Kopf bei seinem neuen Klub? Schont er sich, um Verletzungen zu vermeiden? Kaum zu glauben. Gerade jetzt, da er gebraucht würde. Und natürlich hat der dramatische Absturz der Mannschaft mit seiner persönlichen Formkrise zu tun: Kamada zählte zu den absoluten Leistungsträgern, 13 Pflichtspieltore hat er erzielt, zwölf davon in 2022, im neuen Jahr kommt er nur auf einen Treffer und eine Vorlage. Das ist extrem wenig. Seine Ideen, seine Torgefahr, seine Spielfreude fehlen der Eintracht, gerade jetzt, da sie ebenfalls fußballerisch am Stock geht. Am Samstag, im Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach, fällt Mario Götze aus, womöglich auch Rode, Kamada müsste noch ein Stück mehr Verantwortungübernehmen – dabei hat er mit sich selbst zu kämpfen.

Wo ist er nur hin, der Daichi Kamada des Herbstes, der letzten Jahre? Unvergessen, wie er Anfang Dezember im Estádio José Alvalade in Lissabon am Elfmeterpunkt stand, die Augen geblendet von grünen Laserstrahlen, nervös, unsicher lächelnd, und trotzdem knallte er den Ball zum 1:1 ins Tor, die Basis zum späteren 2:1-Sieg über Sporting und den erstmaligen Einzug in eine Champions-League-Achtelfinale. Ohnehin waren die internationalen Auftritte die Bühne des 26-Jährigen, „Euro-Daichi“ genannt, weil auf ihn Verlass war. Der Familienvater war in 23 Europa-League- und acht Champions-League-Partien an 17 Toren (14 Treffer, drei Vorlagen) direkt beteiligt. Gegen die Großen war er präsent, da zeigte er sich.

Daichi Kamada, der 2017 als schmächtiger Junge für 1,6 Millionen Euro von Sagan Tosu kam, bald zum Lernen zum belgischen Klub VV St. Truiden verliehen wurde und dort reifte, hat der Eintracht lange, lange Zeit gut getan. Ein Schönspieler, der das kämpfen gelernt hat. Mit einem Pass, mit einer Finte konnte der japanische Nationalspieler die Statik eines Spiels verändern, er sah und öffnete Räume, die eben noch geschlossen waren, erkannte instinktiv Situationen, machte oft das Unerwartete und von daher Brillante. Daichi Kamada war in seiner guten Zeit einer, der den Unterschied ausmachen konnte, im Guten oder, wie jetzt manchmal, im Schlechten. Dann lässt er den Kopf hängen, und jeder sieht, dass er unzufrieden ist.

Bei der Eintracht hat er Spuren hinterlassen. Er hat 170 Spiele für die Hessen bestritten, 37 Tore markiert, den Pokalsieg 2018 erlebte er noch auf der Tribüne. Beim Triumph von Sevilla schnappte er sich – vor Landsmann Makoto Hasebe – den Ball beim Elfmeterschießen und verwandelte. Sein Abgang schmerzt, vielleicht reißt er sich in den letzten Spielen noch zusammen. Er hat sich einen bessern Abschied verdient.

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