Oliver Glasner: Mehr als branchenübliche Bekenntnisse bei Eintracht Frankfurt

Trainer Oliver Glasner hat aus Eintracht Frankfurt in aller Ruhe und mit klugen Entscheidungen ein Topteam geformt.
Frankfurt – Es ist noch nicht so furchtbar lange her, da musste der stets besonnene Frankfurter Sportvorstand Markus Krösche tatsächlich unbequeme Fragen beantworten, die nach der Zukunft des Trainers Oliver Glasner etwa. Ende Oktober war das, Eintracht Frankfurt war gerade sang- und klanglos mit 0:2 in Bochum untergegangen und kam so gar nicht ins Rollen: neun Spiele, acht Punkte, Platz 15, mitunter schaurige Vorstellungen. Das roch nach Abstiegskampf und einer unruhigen Saison mit einigen Unwägbarkeiten, es war so gar nicht das, was man sich vorgestellt hatte. Selbst wenn die Verantwortlichen ahnten: Es könnte eine verdammt schwierige Saison werden.
Markus Krösche, der Neue auf der Kommandobrücke, blieb cool, reagierte auch nicht kiebig-hektisch wie der Gladbacher Kollege Max Eberl unlängst. „Die Frage nach dem Trainer stellt sich überhaupt nicht“, sagte der Sportchef von Eintracht Frankfurt betont nüchtern. „Wir sind mit Oliver Glasner sehr zufrieden. Er ist sehr akribisch, er arbeitet gut mit der Mannschaft. Wir agieren als Team gemeinsam.“ Das waren mehr als die branchenüblichen Bekenntnisse oder vorgestanzten Worthülsen, Krösche war überzeugt von seinem (Nichts-)Tun und seinem Fußballlehrer.
Eintracht Frankfurt: Oliver Glasner wird längst als Glücksfall gehandelt
Heute, nicht mal zwei Monate später, käme niemand, der nur halbwegs alle Sinne beisammen hat, auf die Idee, Markus Krösche solche oder ähnliche Fragen zu stellen – ganz im Gegenteil. Oliver Glasner wird längst als Glücksfall gehandelt, als Architekt des Erfolges. Die Arbeit des 47 Jahre alten Österreichers ist in der Tat nicht hoch genug zu bewerten, der frühere Wolfsburger hat den großen Umbruch angenommen und ihn gekonnt moderiert. Selbst wenn er im großen FR-Interview, das auch noch nicht lange zurückliegt, einen guten Monat nur, eingestand: „Ich hätte mir den Start etwas einfacher gewünscht.“

Er ist dennoch nicht nervös geworden, als es zu Beginn, wie er selbst sagt, arg holprig lief, oder vielleicht nur ein ganz kleines bisschen. Vor dem Auswärtsspiel in Piräus in der Europa League Anfang November schien er erstmals etwas angeschlagen, die Fragen nach einem Worst-Case-Szenario nervten ihn ein wenig. Bis Weihnachten, sagte er, seien allenfalls kleine Schritte möglich, irgendwie durchlavieren sollte man sich, um im neuen Jahr durch intensiveres Training besser zu werden. Er wusste aber auch: „Wenn wir die nächsten 15 Spiele verlieren“, sagte er an die Journalisten gewandt, „werdet Ihr mit jemandem anderen sprechen.“ Es kam anders, nicht nur beim 2:1-Erfolg in Griechenland, sondern so ganz generell.
Die Eintracht hat die Liga von hinten aufgerollt und die Konkurrenz überrollt, ist von Sieg zu Sieg geeilt, hat zuletzt 18 von möglichen 21 Punkten geholt. Zum Vergleich: Einige Schwergewichte haben in diesem Zeitraum in nur höchst überschaubarem Rahmen gepunktet: RB Leipzig sieben Zähler, Borussia Mönchengladbach fünf, VfL Wolfsburg vier – so wenige wie Prügelknabe Greuther Fürth.
Oliver Glasner funktioniert bei Eintracht Frankfurt
Glasner funktioniert in Frankfurt, im Gegensatz zu einigen neuen Fußballlehrern an anderen Standorten. Vorgänger Adi Hütter, dem die Eintracht nicht mehr gut genug war, hat am Niederrhein riesige Probleme und liegt weit (neun Punkte) unter dem Vorjahresniveau der Gladbacher. Selbst Gerardo Seoane hat mit Leverkusen vier Punkte weniger geholt als Bayer in der letzten Saison nach 17 Spielen verbucht hatte. Desaströs ist das Bild, das der VfL Wolfsburg abgibt: Dort stürzt unter Mark van Bommel und nun Florian Kohfeldt gerade alles ein, was Glasner aufgebaut hat. Sieben Pflichtspielniederlagen in Folge sind kein Ruhmesblatt für den aktuellen Trainer – trotz eines identischen und noch verstärkten Kaders – mit dem Oliver Glasner im vergangenen Jahr die Teilnahme für die Champions League klargemacht hat. Aus der haben sich die Niedersachsen schon längst wieder verabschiedet.
In Frankfurt hingegen hat Glasner mit seinem Team die Europa-League-Gruppe gewonnen und in der Liga nach Beendigung der Hinserie genauso viele Zähler gesammelt wie die Eintracht unter Adi Hütter in der letzten Saison (27) – und das trotz Doppelbelastung, einem großen personellen Umbruch auf allen Ebenen, dem Weggang der Tormaschine André Silva, totaler Unruhe zu Saisonbeginn (Kostic-Streik, Younes-Freistellung) und einem arg rumpeligen Start. Glasner hat alle Klippen umschifft, die Kurve bekommen.
Eintracht Frankfurt: Oliver Glasner ist kein Zampano oder Einpeitscher
Der Österreicher hat das auf seine eigene Weise geschafft, er ist kein Zampano oder Einpeitscher, keiner mit Tamtam oder Chichi und Pipapo, keiner, der mit seinem Charisma ganze Räume füllt und die Herzen der Menschen im Sturm erobert. Glasner, studierter Diplom-Kaufmann und Kopfmensch, ist so etwas wie der Anti-Klopp, der Gegenentwurf zu den Lautsprechern der Zunft. „Du musst nicht extrovertiert sein, um auf Menschen einen guten Einfluss zu haben“, sagt Manager Krösche und hat damit völlig Recht. „Er hat einen guten Draht zu den Jungs, es war eine Frage der Zeit, bis sie die Inhalte übernehmen.“
Glasner ist eher der ruhige Tüftler, nicht der große Motivator oder Brandredner. Das heißt nicht, dass er still und zurückgezogen ist, in Pressegesprächen nimmt er sich viel Zeit, erklärt Hintergründe, führt seine Gedanken wortreich aus: Er gibt sich am lebhaften und heterogenen Standort Frankfurt Mühe, die Menschen mitzunehmen, sie teilhaben zu lassen an dem, was er vorhat. Am Spielfeldrand kann er auch mal ausflippen, sein Coaching ist aktiv und emotional.
Glasner besticht durch Kompetenz, Fleiß, Verlässlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Authentizität, er ist keiner, der sich verstellt oder verbiegt. Er ist so, wie er ist, so wird er auch bleiben. Dass er fachlich eine absolute Koryphäe ist, daran gibt es ohnehin keinen Zweifel. „Wir haben uns ja was dabei gedacht, als wir ihn geholt haben. Wir wissen, für was er steht und wie sein Fußball aussieht“, sagt Markus Krösche.
Eintracht Frankfurt: Oliver Glasner ist der klassische Bessermacher
Bis Glasners Denke aber in den Köpfen der Spieler angekommen ist und sie wissen, was von ihnen erwartet wird, braucht es seine Zeit. Das war in Frankfurt deutlich zu sehen. „Man braucht Geduld“, betont der Sportvorstand, „aber Oliver hat eine sehr hohe Qualität und eine hohe Vermittlungskompetenz.“
Glasner ist der klassische Bessermacher, weil er akribisch ist, mehr sieht als andere. „Er arbeitet an den Schwächen der Spieler, ohne ihre Stärken weniger werden zu lassen“, erklärt Krösche. „Über die Entwicklung des einzelnen Spielers verändert sich die ganze Mannschaft. Das haben die letzten sechs, sieben Wochen eindrucksvoll gezeigt.“
Ohne die Bereitschaft der Profis hätte das alles nicht geklappt. „Die Jungs sind immer bei der Stange geblieben und waren immer offen für unseren Input“, sagt Glasner und ergänzt erstaunlich offen: „Ich weiß, dass du als Trainer irgendwann mal Siege brauchst, damit die Jungs dir weiter zu hören und an deine Ideen glauben. Als Trainer bist du nichts, wenn du deine Spieler nicht auf deiner Seite hast.“ (Ingo Durstewitz)