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Plötzlich der Buhmann: Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche im Auge des Sturms

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Von: Ingo Durstewitz

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Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche wird in Frankfurt plötzlich zum Buhmann und rechtfertigt die Trennung von dem beliebten Trainer Oliver Glasner.

Frankfurt - Man kann nun beim besten Willen nicht behaupten, dass Markus Krösche mit der Entscheidung, sich im Sommer von Oliver Glasner zu trennen, in der breiten Öffentlichkeit besonders viele Pluspunkte gesammelt hätte. So ziemlich das Gegenteil ist der Fall.

Krösche erklärt Glasner-Aus: „Treffe keine Entscheidungen aus der Emotionalität heraus“

In den sozialen Netzwerken, und nicht nur da, bekommt der Eintracht-Sportvorstand heftigen Gegenwind. Was Wunder, Oliver Glasner hat nicht nur einen großen Titel geholt und hat die Aussicht auf einen weiteren, nein, er ist auch sehr beliebt bei den Fans. Durch die Erfolge, aber auch durch sein Auftreten, authentisch, nahbar und zuvorkommend. Mal machte er den Diver vor der Kurve, dann feierte er auf Malle im Bierkönig mit Schlapphut und Eintracht-Trikot ab, Autogramme schreibt er, bis die Finger bluten. Das kommt an.

In diversen aktuellen Umfragen ist die überwältigende Mehrheit der Meinung, dass es ein Fehler ist, dem Coach nach dieser Saison den Laufpass zu geben. Dem Manager wird der Schwarze Peter zugeschustert, er wird als Königsmörder gebrandmarkt. Krösche, plötzlich der Buhmann. Im Heimspiel am Samstag gegen Mainz ist mit Pro-Glasner-Aktionen zu rechnen. Was er sich verdient hat.

Krösche kann mit dem Unmut der Menschen umgehen. Er weiß, dass er mit der baldigen Freistellung des Österreichers auf der Sympathieleiter nicht nach oben klettert. Doch die Entscheidung sei alternativlos gewesen – auch wenn sie die breite Öffentlichkeit vielleicht nicht nachvollziehen könne. „Ich treffe keine Entscheidung aus der Emotionalität heraus“, sagte er am Mittwoch. „Und ich kann sie nicht davon abhängig machen, was die Leute denken. Ich treffe Entscheidungen aus Überzeugung. Manchmal sind sie unangenehm und unpopulär, vielleicht nicht verständlich für Außenstehende.“

Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche wird wohl vom FC Chelsea umworben, möchte aber in Frankfurt bleiben.
Steht bei den Fans in der Kritik: Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche. © Imago / Sven Simon

Frankfurt-Sportvorstand Krösche sieht sich nicht als „Hire-Fire-Typ“

In diesem Fall habe sich im Laufe der Zeit „das Gefühl“ entwickelt, dass die Mannschaft zur neuen Saison einen anderen Impuls brauche. „Man stellt sich die Frage: Macht es noch Sinn oder nicht? Wir haben jetzt gesagt: Es macht keinen Sinn mehr, wir machen einen klaren Cut.“

Er, Krösche, sei ganz gewiss „kein Hire-and-Fire-Typ“, doch nach der beispiellosen Negativserie in der Rückrunde, dem Abrutschen von Rang vier auf neun und dem doch immer seltsamer werdenden Verhalten des Trainers habe er keine andere Möglichkeit mehr gesehen. „Eine Trennung ist nie schön, aber ich darf vor gewissen Entwicklungen meine Augen nicht verschließen. Ich muss fragen: Okay, was war sportlich, was war atmosphärisch?“ Hier: Beides nicht mehr gut.

Das Hauptargument für die Trennung sei der sportliche Trend gewesen. „Das war das maßgebliche Thema.“ Krösche aber führt auch „Nebengeräusche“ ins Feld, die er nicht näher benennen will. Kein Geheimnis ist, dass der Trainer immer mehr die Linie und seinen Kompass verlor. Sein Wutausbruch vom Samstag in Hoffenheim war intern keine Seltenheit.

Krösche gegründet Trennung von Glasner: „Unruhe, Spekulationen und Unsicherheit“

Der Manager betonte einmal mehr, dass er Glasner prinzipiell für einen „hervorragenden Trainer“ halte, der „für uns absolut richtig“ war. Aber eben nicht in der Zukunft. Man werde aber keinesfalls im Bösen auseinandergehen. „Um das ein für allemal abzuräumen: Wir hatten nie ein persönliches Problem, der Umgang war sehr gut.“ Glasner habe sich auch nach den Trennungsgesprächen höchst anständig verhalten. „Er trägt die Entscheidung mit, er versteht sie auch.“

Krösche erhofft sich dadurch eine Initialzündung, einen Brustlöser, Mannschaft und Coach soll der Druck genommen werden. „Wir hatten Unruhe, es gab Spekulationen und Unsicherheit. Jetzt haben wir für klare Verhältnisse gesorgt. Wir wollen alle Kräfte bündeln.“ Er wünsche sich, dass Oliver Glasner am 3. Juni in Berlin mit dem Pokalsieg abtritt. „Er soll durchs große Tor gehen, das hat er sich verdient. Das wäre das Schönste.“

Im Grunde war Oliver Glasners Zeit in Frankfurt abgelaufen, als er am Sonntag von Vorstandssprecher Axel Hellmann öffentlich gerügt wurde. Da bekam die Geschichte eine Eigendynamik, die den Trainer hinfort gespült hat. Doch die Entwicklung wäre ohnehin nicht mehr aufzuhalten gewesen. Die Zweifel am Trainer wuchsen in den vergangenen Wochen immer mehr – auch innerhalb der Mannschaft.

Krösches Kader-Zusammenstellung gefiel Glasner offenbar nicht

Krösche hat vieles versucht, den immer unruhiger und nervöser werdenden Trainer einzufangen. Er machte es auf seine Weise, mit Gesprächen, schluckte auch die Spitzen des Trainers. „Ich habe ein dickes Fell, die Trainer haben unfassbaren Druck. Ich habe die Worte nie auf die Goldwaage gelegt.“

Klar ist: Der 42-Jährige steht nun im Auge des Sturms und muss beweisen, dass er seine erste richtige Krise meistern und den Klub befrieden kann. Zu viel Unruhe schadet. Zu viel Diva ebenfalls. Krösche ist gefragt. Er muss wieder ein anderes Klima schaffen, eines, das Erfolg fördert und bedingt. Und eine Mannschaft zusammenstellen, die die hohen Ziele angehen kann.

Die Zusammenstellung des aktuellen Kaders schmeckte dem Trainer nicht, das ließ er immer wieder durchblicken. Dabei hat der Sportchef zweifelsfrei sehr gute Griffe getätigt – Jesper Lindström etwa, Mario Götze oder Eric Dina Ebimbe, allen voran natürlich Randal Kolo Muani (den freilich vorher schon Ben Manga entdeckt hatte). Aber eben auch schon das eine oder andere Mal daneben gelegen.

Lucas Alario, Jerome Onguene, Sam Lammers, Hrvoje Smolcic, Luca Pellegrini oder Jens Petter Hauge waren teils teure Missverständnisse. Und er hat es nicht geschafft, einen Spieler wie Martin Hinteregger adäquat zu ersetzen. Richtig ist aber auch, dass er es im Winter sehr wohl versucht hat: Doch letztlich scheiterten die Transfers von Yann Aurel Bisseck (Aarhus GF) und Victor Lindelöf (Manchester United) entweder an der aufgerufenen Ablösesumme oder dem Veto des abgebenden Vereins. Auch ein vorgezogener Wechsel von Willian Pacho klappte nicht, Antwerpen rief 18 Millionen Euro auf. Viel zu viel.

Krösche auf der Suche nach einem Glasner-Nachfolger: Kommt Toppmöller?

Nicht vergessen sollte man, dass Krösche sehr wohl unter starken wirtschaftlichen Zwängen arbeitet. Corona hat mal eben 80 Millionen Euro vernichtet, und nur durch zwei Kapitalmaßnahmen konnte der Verein überhaupt die Mannschaft halten und bauen, die er jetzt hat. Umso ärgerlicher, keine Frage, sind teure Fehlgriffe. Von denen gab es vorher aber auch nicht wenige. Mitläufer wie Stefan Ilsanker, Erik Durm oder Steven Zuber strichen fast drei Millionen Euro ein – für wenig Gegenleistung. Dieses hohe Gehaltsniveau in der Kategorie Ergänzungsspieler musste erst einmal wieder abgesenkt werden. Das sind Dinge, die die Öffentlichkeit kaum wahrnimmt.

Dem Sportboss fliegen in Frankfurt nicht die Herzen zu, er ist ein Kopfmensch, der seine Zeit braucht, um diesen wuchtigen Traditionsverein in seiner ganzen Tiefe zu durchdringen und zu verstehen. In diesem Zusammenhang wird nun immer häufiger seine RB-Leipzig-Vergangenheit ausgegraben. Das Kunstprodukt wird (nicht nur) in Frankfurt höchst kritisch gesehen.

Dass Krösche nun Dino Toppmöller als Glasner-Nachfolger holen will, passt ins Bild und kommt nicht überall gut an. Nicht nur, weil der 42-Jährige als Cheftrainer noch ziemlich unbeleckt ist, sondern auch, weil er mal bei RB war (und mit Krösche zusammenarbeitete). Die RB-Nähe – auch der designierte Sportdirektor Timmo Hardung arbeitete zuvor für den Konzern, zwei Scouts aus dem Imperium kommen noch – stößt vielen Fans sauer auf.

Doch bei Licht betrachtet ist das eine oberflächliche Sichtweise. Zumindest bei Spitzenkandidat Toppmöller. Den schätzt Krösche, hält ihn für einen Toptrainer und hat ihn damals in Leipzig Julian Nagelsmann als Assistent empfohlen. Die Chemie stimmte. Ihm dann nicht die Chance zu geben und gegen die eigene Überzeugung zu handeln, nur weil der Weg riskant und vielleicht nicht populär ist, wäre widersinnig. Eine mutige Entscheidung wäre es dennoch. Wie die, den beliebten Oliver Glasner zu schassen.

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