Der nächste Umbruch

Eintracht Frankfurt wird die Saison mit einem Gewinn abschließen, muss sich aber schon wieder eine neue Mannschaft basteln.
Dieser Tage haben die bei Eintracht Frankfurt sportlich Verantwortlichen einen kleinen Blick in die Zukunft gewagt. Zwar ist die Saison erst am 27. Mai gegen 22 Uhr zu Ende, aber natürlich müssen Weichen gestellt werden, gerade was die Personalsituation angeht. „Wir wissen, was wir machen wollen“, hat Eintracht-Vorstand Fredi Bobic schon angekündigt, er hat im gleichen Atemzug aber auch gesagt: „Es wird kein einfacher Sommer.“ Und Trainer Niko Kovac hat assistiert: „Wir müssen alles genau unter die Lupe nehmen und gut treffen.“ Fehlschläge kann sich Eintracht Frankfurt kaum leisten. Scoutingabteilung und Trainerstab werden genauso akribisch arbeiten müssen wie in der vergangenen Runde, als die Hessen lediglich um die 2,5 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben und sich deshalb in großer Zahl Leihspieler bedient hatten. Das wird im neuen Jahr nicht anders sein.
Wie viel Geld für Neuverpflichtungen zur Verfügung steht, ist noch nicht ganz sicher und hängt zwingend vom Ausgang des Pokalfinales ab. Bislang sind im Pokal rund 4,5 Millionen Euro hängen geblieben, der Verlierer des Finales erhält 3,3 Millionen Euro (der Gewinner 4,5 Millionen). Dazu wird Eintracht Frankfurt für die neue Saison wegen des neuen Fernsehvertrags mit etwa elf Millionen Euro mehr kalkulieren können; für diese Runde erhielten die Hessen etwa 35 Millionen Euro. Der Etat für die neue Saison wird sich auf 40, 41 Millionen Euro einpendeln. In dieser Saison rechnet Finanzvorstand Oliver Frankenbach wegen des Erreichen des Finales mit einem kleinen Gewinn von einer Million Euro, das Eigenkapital werde sich auf 13 Millionen Euro summieren.
Allerdings hätte Eintracht Frankfurt ohne die missratene Rückserie mit bislang lediglich zwölf Punkten aus 15 Spielen ein deutlich besseres Ergebnis erzielen können. Die Hessen werden in der (für die finanzielle Ausstattung enorm wichtigen) TV-Tabelle wohl keine Plätze gutmachen können. Aktuell rangieren sie auf Rang 13. „Platz zehn oder zwölf – das sind vier Millionen Euro mehr oder weniger“, hatte Frankenbach vor Wochen schon der „Frankfurter Neuen Presse“ gesagt. Womöglich sogar noch mehr. Um im TV-Ranking zu steigen, hätte die Eintracht sechs Plätze vor dem FC Augsburg (Platz 13) und einen Platz hinter dem 1. FC Köln (Platz sieben) landen müssen. Das ist jetzt, da die Eintracht auf Platz elf liegt, nur noch sehr schwer zu erreichen. Inzwischen hat Werder Bremen die Eintracht im TV-Ranking überholt. Aber: Selbst wenn die Hessen auf Platz 13 in der TV-Tabelle zurückfallen würden, so „können wir unsere Planungen für 2017/2018“ durch den Einzug ins Finale „einhalten“, sagte Frankenbach der FR.
Immerhin wird Eintracht Frankfurt nach Lage der Dinge für Neuverpflichtungen mehr Geld in die Hand nehmen können als im vergangenen Jahr, schätzungsweise zwischen fünf und sechs Millionen Euro, aber großen Staat wird man damit auch nicht machen können.
Und wenn nicht alles täuscht, steht der Klub erneut vor einem gewaltigen Umbruch, zwölf Spieler (inklusive der Winterzugänge Ordonez, Besuschkow, Wolf) waren neu gekommen, in ähnlicher Größenordnung wird sich die Fluktuation auch dieses Mal bewegen. Verlassen werden den Klub definitiv Haris Seferovic (Benfica Lissabon), Slobodan Medojevic und Heinz Lindner, alle drei Verträge laufen im Simmer aus. Dazu sind die Kontrakte der Leihspieler Michael Hector, Shani Tarashaj, Guillermo Varela, Marius Wolf, Jesus Vallejo und Ante Rebic lediglich bis zum Sommer fixiert. Dass die Eintracht größtes Interesse hat, Abwehrspieler Vallejo ein weiteres Jahr zu binden, ist bekannt. „Auf ihn warten wir bis August“, hat Sportdirektor Bruno Hübner gesagt. Die Zukunft Vallejos liegt aber in der Hand von Real Madrid. Bei Stürmer Ante Rebic (AC Florenz) besitzt die Eintracht eine Kaufoption, sie liegt bei drei Millionen Euro. Viel Geld für einen Angreifer, der viel Wind macht, aber ohne klare Linie spielt und kaum Tore schießt. Hector, Tarashaj und Wolf dürften zu ihren Arbeitgebern zurückkehren, bei Varela (Manchester United) ist man sich noch unsicher; auch für ihn wäre eine Ablöse fällig.
Dazu kommt, dass momentan schwer zu beurteilen ist, auf welches Leistungsniveau sich eine Reihe von Eintracht-Profis entwickeln werden. Taleb Tawatha, Andersson Ordonez (die beide für zusammen 2,3 Millionen Euro verpflichtet wurden), Max Besuschkow, Yanni Regäsel, der in dieser Saison auch wegen einer Operation an der Hüfte kein Spiel bestritten hat, haben bis jetzt nicht gezeigt, dass sie eine Rolle in der Bundesliga zu spielen in der Lage sind. Über Ansätze sind sie nicht hinausgekommen, alle haben noch Arbeitspapiere bis mindestens 2019. Danny Blum hat sich ebenfalls nicht durchsetzen können, von ihm müsse mehr kommen, sagte Kovac schon. Auch Aymen Barkok hat seit seinen beiden Toren in der Hinrunde keine Bäume mehr ausgerissen. Dazu ist ungewiss, ob Marc Stendera oder Marco Russ nach ihren langwierigen Verletzungen noch einmal richtig Fuß fassen. Russ saß, obwohl fit und Innenverteidiger fehlten, gegen Wolfsburg 90 Minuten auf der Bank. Ungewiss ist auch, wann Makoto Hasebe (Knie-OP) und vor allem Omar Mascarell wieder auf den Beinen sind. Dem Spanier droht womöglich eine Operation an der entzündeten Achillessehne, alle konservativen Behandlungsmethoden fruchteten bislang nichts. Er würde bei einer OP monatelang ausfallen.
Im Grunde verfügt Eintracht Frankfurt im Moment über maximal acht gestandene Bundesligaprofis – und da sind die beiden Sorgenkinder Mijat Gacinovic und Branimir Hrgota schon mitgezählt, nämlich: Lukas Hradecky, Timothy Chandler, Bastian Oczipka, David Abraham, Marco Fabian und Alex Meier, wobei der 34 Jahre alte Kapitän wegen Fersenproblemen auch schon eine Weile fehlt und ohnehin nicht mehr die besten Karten beim Trainerteam hat.
Um dieses Gerüst wollen die Frankfurter eine neue Mannschaft aufbauen. „Wir müssen unseren Kader auf Vordermann bringen“, sagt Niko Kovac. In allen Mannschaftsteilen herrscht Bedarf – sowohl in der Defensive (vor allem im Mittelfeld) als auch in der Offensive. Mangels finanziellen Spielraums werden wohl wieder einige Leihspieler aus aller Herren Länder nach Frankfurt kommen. Das muss nicht per se verkehrt sein, in dieser Saison hat das im Großen und Ganzen geklappt. Die Eintracht, die sich ohnehin immer mehr abkapselt, muss allerdings aufpassen, dass wenigstens noch ein paar Identifikationsfiguren im Team stehen, dass noch ein paar Spieler übrig bleiben, die man mit den Adlern in Verbindung bringt, die die Gesichter der Eintracht sind.
Denn manches spricht dafür, dass auch Torwart Lukas Hradecky am Saisonende den Klub verlässt. Für ihn würde die Eintracht immerhin noch eine ordentliche Ablösesumme erzielen. Geld, das man dringend benötigt, um die Mannschaft zu verstärken. „Wir müssen uns wirtschaftlich ganz anders aufstellen, ansonsten werden wir uns schneller, als man denkt, in der zweiten Liga wiederfinden“,unkte Fredi Bobic bereits. Fürwahr: Das wird kein einfacher Sommer.