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Die Mühen der Ebene

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Von: Thomas Kilchenstein

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Sohn ärgert Papa: Benjamin Hübner (rechts oben) erzielt den TSG-Siegtreffer, sehr zum Leidwesen von Eintracht-Manager und Vater Bruno.
Sohn ärgert Papa: Benjamin Hübner (rechts oben) erzielt den TSG-Siegtreffer, sehr zum Leidwesen von Eintracht-Manager und Vater Bruno. © Uwe Anspach (dpa)

Die Eintracht verliert nach einem Tor von Hübner-Sohn Benjamin in Hoffenheim und tut sich mit dem Alltag schwer.

Bis Montagnachmittag hatte der Frankfurter Vorstand Fredi Bobic seiner Ankündigung noch keine Taten folgen lassen. Am Montagnachmittag war Bruno Hübner nach allem, was man hörte, noch immer in Lohn und Brot, womöglich kommt der Sportdirektor mit einer Abmahnung davon. Am Sonntag, unmittelbar nachdem Eintracht Frankfurt durch ein ganz spätes Kopfballtor (90.) von Benjamin Hübner 0:1 gegen die TSG Hoffenheim verloren hatte, hatte Bobic in Richtung seines Managers mit einem Augenzwinkern gesagt: „Den entlassen wir.“ Benjamin Hübner, der mittlere der drei Hübner-Söhne, hatte mit seinem goldenen Tor den Familienfrieden zumindest vorübergehend getrübt, aber nicht lange. „Er hat mir zum Tor gratuliert“, berichtete Benny Hübner nach seinem zweiten Saisontor. „Das bringt uns nicht auseinander. Er ist ja immer noch mein Vater.“ Es war so ziemlich die letzte Aktion in einem stark von der Taktik geprägten, eher belanglosen, ereignisarmen Spiel. Nachdem die TSG Hoffenheim in den 89 Minuten zuvor sämtliche Standards „unfassbar einfallslos in den Strafraum gechippt“ (TSG-Trainer Julian Nagelsmann) hatte, landete der erst dritte Eckball von Sebastian Rudy passgenau auf dem Schädel des Hoffenheimer Innenverteidigers, der mit Anlauf kommend, sowohl Gegenspieler Marco Russ als auch Torwart Lukas Hradecky keine Abwehrmöglichkeit ließ. Der zum Greifen nahe Punktgewinn war perdu. „Wir können dennoch erhobenen Hauptes vom Platz gehen“, lobte Trainer Niko Kovac sein stark ersatzgeschwächtes Team, das auf acht Spieler hatte verzichten müssen. „Die Mannschaft hat sich leider nicht belohnt für die harte Arbeit. Das ist ärgerlich.“ Ganz zum Ende waren den Frankfurtern die Körner ausgegangen, da mussten sie auch den Strapazen der letzten Tage Tribut zollen. Von einer „langen Woche“ sprach der beschäftigungslose Torwart Hradecky, „wir haben noch die 120 Minuten auf den Knochen“, fand Offensivmann Aymen Barkok.  

Einen Vorwurf wollte der Fußballlehrer seiner Mannschaft darob wahrlich nicht machen. In puncto Einsatz und Leidenschaft sei das großer Sport gewesen, tatsächlich hat die Frankfurter Notelf, in der Marc Stendera nach mehr als elfmonatiger Pause ein anspruchsvolles Comeback feierte, vor allem kämpferisch überzeugt. Spielerisch, fand Hradecky, „war das nicht unser bestes Spiel“. „Die Mannschaft“, sagte Kovac, „ist weit über ihre Grenzen gegangen, geistig wie körperlich.“ Und mit ein bisschen Fortune hätte sie diese Partie sogar gewinnen können: Haris Seferovic (82.) hatte in seiner besten Szene allein vor Torwart Oliver Baumann und nach einem langen Sprint gegen seinen Widersacher Kevin Vogt die Chance zur Führung, doch am Ende traf er den Ball nur noch mit den Stollen. „Spiele, in denen nicht viel los ist, entscheiden Kleinigkeiten“, fasste Kovac die 90 Minute zusammen. Vorne ein zu kraftloser Schuss, hinten einen Moment unaufmerksam – schon ist der Teilerfolg dahin. Unzufrieden war die Sportliche Leitung dennoch nicht. „Die Mannschaft hat das Maximum herausgeholt.“

Eintracht Frankfurt hat in diesem Spiel, in dem Hoffenheim endgültig den vierten Tabellenplatz gesichert hat, im Grunde nur reagiert und sich darauf „versteift, gut zu stehen“. Diese Taktik, aus der schieren Not geboren, war lange Zeit aufgegangen. Die TSG Hoffenheim war klar feldüberlegen, hatte 70 Prozent Ballbesitz, aber klare Chancen – bis auf einen Zufallspfostentreffer von Nadiem Amiri – ließen die Frankfurter nicht zu. Zugespitzt könnte man sagen: Die Eintracht spielte aufs Elfmeterschießen. „Taktisch haben wir nichts falsch gemacht“, fand Kovac. „Es ist nicht einfach, gegen Eintracht Frankfurt Fußball zu spielen und zu Toren zu kommen“, lobte sich Kovac selbst ein bisschen. 35 Gegentore haben die Frankfurter in 31 Spielen bislang nur kassiert, das ist in der Tat die viertbeste Bilanz. Allerdings haben die Frankfurter lediglich 32 Tore geschossen, nur drei Teams haben seltener ins Tor getroffen. Und durch die Niederlage sind die Hessen, die seit dem Wochenende selbst im schlechtesten Fall auch rechnerisch nicht mehr auf einem Relegationsplatz landen können, wieder das schwächste Team der Rückrunde – mit zwölf Punkten aus 14 Spielen und 10:20 Toren.

Erste Gerüchte über Neuzugänge

„Die Woche war dennoch gut für uns“, sagte Trainer Kovac. Der Sieg gegen den FC Augsburg und das Weiterkommen im Pokal hat Eintracht Frankfurt einen gewissen Auftrieb versetzt, auch wenn das Team körperlich am Limit spielt. Der Einzug ins Pokalfinale in Berlin am 27. Mai gegen Borussia Dortmund überstrahlt derzeit vieles, wenn nicht alles. Zumal das Thema Europa League bei der Eintracht kein großes mehr ist, obwohl der Rückstand des Tabellenelften auf den SC Freiburg nur drei Punkte beträgt. „Darauf liegt nicht unser Fokus“, hatte Bruno Hübner schon zu Beginn der vergangene Woche der FR gesagt. Auch wenn Rang sieben bei einer Niederlage der Eintracht am 27. Mai in Berlin gegen Borussia Dortmund reichen würde. Aber die Frankfurter, die auf dem Zahnfleisch gehen, müssten sich erstmal durch den Liga-Endspurt mit den Partien gegen Wolfsburg, Mainz und Leipzig kämpfen. Die Möglichkeit, international zu spielen, ist in der Phase der Rückrunde verspielt worden, als Eintracht Frankfurt zehn Spiele am Stück sieglos bestritten hat. Unterdessen meldet ein polnisches Internetportal das Interesse der Eintracht am Innenverteidiger Jan Bednarek von Lech Posen. Deren Präsident habe dies bestätigt. Die Polen rufen eine Ablösesumme von drei Millionen Euro auf. Auch nach Rechtsverteidiger Giovanni Troupée vom FC Utrecht soll die Eintracht ihre Fühler ausgestreckt haben. Planungssicherheit haben die Frankfurter jetzt. Und noch hat Bobic seinen Sportdirektor ja nicht entlassen.

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