Borussia Mönchengladbach: Die graue Maus vom Bökelberg

Ablösefreie Stars, meckernde Ersatzspieler und ein dickes Minus in der Bilanz – bei Eintracht Frankfurts nächstem Gegener läuft es eher mäßig.
Frankfurt - Der Ur-Gladbacher, geboren in der Stadt am Niederrhein, dort aufgewachsen, gewohnt, gearbeitet, seit mehr als 30 Jahren beim hiesigen Profifußballverein VfL Borussia, erlebt mal wieder unruhige Tage. Im Grunde sind sie durchweg unruhig, seitdem er, Sportdirektor Roland Virkus, im Februar 2022 die Führung von Max Eberl übernahm. Das liegt nicht vorwiegend an ihm, aber auch, denn Virkus strampelt sich sichtbar mühevoll ab im Haifischbecken Bundesliga.
In diesen Tagen also, nach dem Sieg gegen den Vfl Wolfsburg (2:0) und vor dem Spiel am Samstagabend (18.30 Uhr/Sky) bei Eintracht Frankfurt, ploppten rund um den Borussia-Park zu Mönchengladbach erneut einige unangenehme Themen auf. So ließen, erstens, die Topspieler Marcus Thuram und Ramy Bensebaini verlauten, den Klub am Saisonende zu verlassen, ablösefrei, was ihr Recht ist, mit Blick auf die auslaufenden Verträge, was ihnen aber die Wut der Fans einbrachte. Viel zu große Wut, mal ganz nebenbei bemerkt. So ist halt das Geschäft. Ebenfalls nicht unüblich wie gleichwohl für eine Mannschaft störend ist, dass, zweitens, ein Ersatzspieler seinem Bankfrust freien Lauf lässt. Marvin Friedrich, kein Überverteidiger, beschwerte sich per Boulevard erstaunlich lautstark über seine Nebenrolle. Kann man so machen, sollte man aber nicht.
Borussia Mönchengladbach: Stindl-Abgang schmerzt
Und, drittens, machte der allseits geschätzte Gladbacher Kapitän Lars Stindl seinen Gladbach-Abschied im Sommer publik. Nach acht Spielzeiten (264 Pflichtspiele, 80 Tore, 61 Assists) bei der Borussia sieht er mit 34 Jahren die Zeit gekommen, zurückzukehren in seine Heimat Karlsruhe, wo er im nahen Umfeld ein Eigenheim beziehen wird. Ob er für seinen Jugendklub KSC noch eine Spielzeit in Liga zwei dranhängt, ist noch nicht ganz geklärt, aber wahrscheinlich. Die Zeit bei der Borussia jedenfalls sei „die schönste meines Lebens“ gewesen, so der Ex-Nationalspieler und Confed-Cup-Sieger von 2017. Ihm, der für den Klub in den vergangenen Jahren stand wie kein anderer Profi, weinen sie im Borussia-Park gewiss einige Tränen nach.
Für Roland Virkus bedeutet all das viel Arbeit. Er wird für kommende Saison gemeinsam mit dem Trainer Daniel Farke eine neue Teamstruktur schaffen müssen - ohne qualitativ überdurchschnittliche Spieler wie Bensebaini und Thuram, ohne Führungskräfte wie Stindl, ohne ein prall gefülltes Konto. In den vergangenen drei Geschäftsjahren machten die Gladbacher ein Minus von rund 50 Millionen Euro. Jeder ablösefreie Wechsel von Spielern wiegt daher doppelt schwer. Heißt im Umkehrschluss für Sportchef Virkus: ein schwieriges Unterfangen.
Borussia Mönchengladbach dümpelt im grauen Mittelfeld der Tabelle rum
Zumal die Gladbacher schon in dieser Runde rumdümpeln im grauen Mittelfeld der Tabelle, die als aktuell Zehnter einen Sieg in Frankfurt zwangsläufig bräuchten, um womöglich noch den für die Conference League berechtigenden siebten Rang zu attackieren. „Die Eintracht ist aus den internationalen Plätzen rausgefallen und wird alles versuchen, das schnell wieder zu korrigieren“, hält Virkus die Auswärtsaufgabe für fordernd: „Sie werden versuchen, uns unter Druck zu setzen.“
Der vierfache Vater, der seit 1990 für die Borussia arbeitet, erst als Jugendtrainer, dann als Nachwuchsleiter und seit 2022 bei den Profis, ist ein angenehmer Typ. Einer, den man auf den ersten Blick nicht diesem beinharten Profigeschäft zuordnen würde, was zugleich Stärke wie Schwäche ist. Die unverstellte Art von Virkus, dieses Nahbare, Umgängliche, Leutselige schafft zweifelsohne eine gewisse Sympathie.
Geht es zu ruhig zu bei Borussia Mönchengladbach?
Andererseits wirkt der 56-jährige Sportdirektoren-Frischling, der am liebsten Schweinebraten mit Klößen isst, Ed Sheeran hört und auf Fuerteventura urlaubt, manchmal so, als fiele es ihm schwer, den Laden in den Griff zu bekommen. Solch Holterdiepolter-Auftritte wie einst von Max Eberl gewohnt, die unangenehm lärmen, aber mitunter Respekt verschaffen in der Szene, gibt es bei der Borussia unter Virkus nicht mehr. Es geht jetzt ruhiger zu – womöglich zu ruhig? Verabschiedet sich da etwa gerade ein lange Zeit in die Spitze strebender Traditionsklub in den Graue-Maus-Bereich der Bundesliga?
Vor einigen Monaten schon hat Roland Virkus mal gesagt: „Das Schiff ist wieder auf Kurs, aber noch nicht im Hafen. Mein Wunsch ist, dass wir in dieser Saison keinen größeren Sturm mehr durchfahren müssen und wir eine ruhige Saison spielen, in der es hauptsächlich um Fußball geht.“ Klingt eher nach Verwaltungsmodus denn nach großer Aufbruchstimmung. Die jüngste Unruhe passt dazu. (Daniel Schmitt)