1. Startseite
  2. Eintracht

Manfred Binz: „25, 30 Stationen“

Erstellt:

Von: Thomas Kilchenstein

Kommentare

So war das damals: Anthony Yeboah wird von Tarantino bedrängt.
So war das damals: Anthony Yeboah wird von Tarantino bedrängt. © imago

Manfred Binz erinnert sich, wie die Eintracht 1994 den SSC Neapel zweimal geschlagen hat.

Vor ein paar Wochen hat bei Manfred Binz zu Hause das Handy geklingelt, ein Eintracht-Anhänger war dran und berichtete begeistert von dem Spiel, das er und seine Kumpel gerade in der „Volkswirtschaft“ im Frankfurter Stadtteil Bockenheim guckten. Auf Youtube, es war ein Spiel vor bald 30 Jahren, Eintracht Frankfurt gegen SSC Neapel. „Da komm ich dazu“, sagte Binz kurzentschlossen, schwang sich aufs Rad, guckte mit und war richtig angetan vom Gesehenen. „Da gab es Ballstafetten über 25, 30 Stationen“, schwärmte er. Er wirkte tatsächlich ein wenig überrascht.

Manfred Binz hätte es wissen können, er hat ja damals mitgespielt, als offensiver, spielstarker Libero, 29 Jahre alt, Achtelfinale im Uefa-Cup, 24. November 1994. Binz war längst Nationalspieler, ein eleganter Abwehrspieler, der sich ständig in den Angriff einschaltete. Er stand - heute unvorstellbar - in 246 Spielen hintereinander auf dem Rasen, er verpasste fast siebeneinhalb Jahre kein einziges Spiel, ehe ein kleinlicher Streit mit Ex-Trainer Klaus Toppmöller die Serie reißen ließ.

Gaudino, Okocha, Yeboah

„Wir hatten eine richtig gute Mannschaft“, erinnert sich der inzwischen 57-Jährige an die Partien gegen Napoli, und was für eine. Andy Köpke im Tor, Uwe Bindewald und Slobodan Komljenovic als Manndecker, er der Libero, Rudi Bommer, Ralf Weber, Mirko Dickhaut, Thorsten Legat, Maurizio Gaudino im Mittelfeld, Jay-Jay Okocha und Tony Yeboah im Sturm, was für ein Team. Und auch bei den Italienern waren Hochkaräter am Ball, Fabio Cannavaro etwa, der Weltmeister-Kapitän, der freilich mit Gelb-Rot vom Platz flog, oder Freddy Rincon aus Kolumbien. 1:0 hatten die Hessen das Hinspiel für sich entscheiden, Komljenovic und Gaudino per Hacke hatten es vorbereitet, Yeboah und Renato Buso per Pressschlag letztlich den Ball ins Tor gewuchtet (55.). 31 000 Zuschauer waren da im alten Waldstadion mit Laufbahn, nur 31 000. Trainer war damals kein Geringerer als Jupp Heynckes, der ein paar Tage nach dem Triumph eine historische, den Klub um Jahrzehnte zurückwerfende Rolle spielen sollte.

Totengräber Heynckes

Doch erst zeigte die Diva ihr hässliches Gesicht. Drei Tage nach dem 1:0-Sieg über das italienische Spitzenteam verlor diese Eintracht beim Tabellenletzten MSV Duisburg 0:1. „Das war typisch damals“, sagt Binz, mit 336 Bundesliga-Spielen für die Hessen der Frankfurter Profi mit den sechstmeisten Einsätzen. Und eine Woche später, kurz vor dem Rückspiel in Neapel, kam es dann zum großen Knall, von dem sich die Eintracht viele, viele Jahre nicht erholen sollte: Beim Abschlusstraining am Vormittag übten Gaudino, Yeboah und Okocha nach Ansicht von Heynckes zu lässig. „Es war beim Flankentraining, die drei ließen es eher leger angehen“, erinnert sich Binz. Nach dem leichten Training verdonnerte der gestrenge Coach das Trio zu einer Laufeinheit am Nachmittag mit den Ersatzspielern. „Manni, du musst was sagen“, habe ihm Andreas Köpke zugeraunt. „Ich bin später zu Heynckes in die Kabine“, erzählt Binz, „Trainer, das können Sie nicht machen, die spielen morgen nicht. Lassen Sie mich laufen.“ Aber Heynckes war nicht umzustimmen, sah auch nicht die Tragweite der Entscheidung. Das Ende ist bekannt: Alle drei fühlten sich respektlos behandelt, Yeboah war immerhin Kapitän, sie meldeten sich „erschöpft“ für das Bundesligaspiel ab. Sie wurden auf Druck von Heynckes vom Klub suspendiert, Yeboah und Gaudino verließen die Eintracht bald darauf.

Ironie am Rande. Das Spiel tags darauf gegen den HSV gewann die Eintracht 2:0, drei Tage später durch ein Tor von Ralf Falkenmayer sogar 1:0 in Neapel. Danach ging es rapide bergab, eineinhalb Jahre später war man erstmals abgestiegen. „Qualität“, sagt Binz, „ist auf Dauer nicht zu ersetzen.“ Heynckes hielt er - trotz alledem - ansonsten für einen „Top-Trainer“.

Auch interessant

Kommentare