Eintracht: Zwischen Tristesse und leiser Hoffnung

Eintracht Frankfurt sieht in der Liga alle Felle wegschwimmen: Ist es eine gute Idee, jetzt alles auf den Pokal zu setzen? Aber bleibt überhaupt etwas anderes?
Der leichte Stimmungsaufheller erfolgte am Sonntag, als der Bundestrainer der Handballer, Alfred Gislason, dem SC Freiburg zielsicher RB Leipzig zuloste, Pokalfinale reloaded. Was gleichzeitig bedeutete, dass es die Eintracht Frankfurt, der kriselnde wie abgestürzte Fußballbundesligist aus dem Hessischen, mit dem rein tabellarisch schwächsten Kontrahenten zu tun bekommen würde im deutschen Cup-Wettbewerb. Na klar, Gislason kugelte der Eintracht noch ein Auswärtsspiel im Ländle herbei, aber ist halt so, lässt sich nicht ändern - und den im Abstiegskampf steckenden VfB Stuttgart wird man ja wohl auch noch in deren Stadion packen können. Irgendwie halt.
Einerseits. Andererseits, so ist es aus dem Schwäbischen frohlockend zu vernehmen, hätte es auch für den VfB nicht leichter kommen können. Ein Heimspiel, dazu gegen den formschwachen Rückrundenzwölften, der gerade mal drei Pünktchen mehr holte als die lange noch formschwächeren und erst jüngst durch Trainer Sebastian Hoeneß wieder wachgeküssten Stuttgarter, der zuletzt mit dem 1:3 (0:2) bei Bayer Leverkusen in der Liga sein sechstes Sieglosspiel in Serie hinlegte, und dem man obendrein vor einem Monat ein manierliches 1:1 in Frankfurt abtrotzte. Alles in allem, so wird es wahrgenommen in Stuttgart: die machbarste aller Aufgaben.
Eintracht Frankfurt: „Wir wollen ins Finale“
So ist es also Ansichtssache, wer denn nun ein gutes Los erwischt hat und wer nicht, vielleicht ja auch beide Teams beides gleichermaßen. Das Niveau der Mannschaften ist in den vergangenen Wochen jedenfalls enger zusammengerückt. „Wir wollen mit aller Macht ins Finale. Es ist unser großes Ziel“, sagt Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche. Es ist dieses Halbfinale vielleicht jenes Match, das die miese Rückrunde zum Guten wenden und damit eine durchwachsene Saison (mit Höhepunkten wie dem Einzug ins Champions-League-Achtelfinale) retten könnte.
Eine erneute Endspielteilnahme, die vierte binnen sieben Jahren, wäre ein beachtlicher Erfolg für Eintracht Frankfurt, zudem die wohl größte Chance noch in die Europa League einzuziehen. „Natürlich wird es ein schwieriges Spiel. Aber es ist ein Halbfinale – da gibt es keine leichten Aufgaben. Aber die Eintracht ist 2017 und 2018 auswärts ins Finale eingezogen“, sagt Manager Krösche.
In der Bundesliga schwimmen den Frankfurtern dagegen ziemlich die Felle davon. Zehn Zähler aus zehn Rückrundenspielen, nur drei Mannschaften (Hoffenheim, Hertha, Stuttgart) punkteten noch schlechter, der letzte Frankfurter Sieg datiert vom 18. Februar gegen Bremen (2:0). Eine lange Zeit des Scheiterns ist das, die flankiert wird vom letztlich chancenlosen Ausscheiden gegen SSC Neapel in der Königsklasse, sowie zwei Pokalerfolgen gegen Darmstadt und Union Berlin. Immerhin.
Einige Eintracht-Spieler schaffen es aktuell nicht aus dem Leistungsloch
Die Rädchen aber greifen deutlich sichtbar nicht mehr ineinander, eigentliche Leistungsträger tauchen abwechselnd ab, bereits vorher wankelmütige Profis machen einfach damit weiter. Kristijan Jakic etwa zeigte gegen Union ein starkes Spiel, patzte dann aber in Leverkusen mehrfach. Andere dagegen kommen überhaupt nicht mehr raus aus ihrem Leistungsloch, Evan Ndicka, Rafael Borré, Daichi Kamada - um nur drei zu nennen. Manch ein Profi mag gar mit seiner Zukunftsplanung über die Saison hinaus beschäftigt sein. Selbst der Trainer Oliver Glasner, der über eineinhalb Jahre durch seine Klarheit und Fokussierung aufs Wesentliche durchweg überzeugte, gab nach Spielschluss in Leverkusen zum zweiten Mal binnen weniger Wochen ein seltsam unsouveränes Bild ab.
Natürlich, unterm Bayer-Kreuz haben Eintracht-Niederlagen längst Tradition, insofern kam auch jene vom Samstag nicht überraschend, zumal die Formkurven der beiden Teams bereits vorher diametral auseinandergingen. Eine Niederlage in Leverkusen, herausgekommen, „weil wir defensiv zu viele Fehler gemacht haben und offensiv zu wenig Effizienz hatten“, so Glasner, kann immer passieren, muss stets eingepreist werden gegen die spiel- und sprintstarke Truppe.
Ungünstig ist es aber, wenn zuvor bereits Heimspiele gegen Leichtgewichte wie Bochum (1:1) und Stuttgart (1:1) vergeigt wurden. Diese (vier) Punkte kommen nicht zurück, und will man seine hohen Ziele, den Europacup, über die Liga noch erreichen, müssten eben Spiele außer der Reihe gewonnen werden. Etwa in Leipzig, in Wolfsburg, bei Union Berlin, in Leverkusen - doch nix da.
Doch der Blick zur Konkurrenz, die von hinten drängt (Mainz, Wolfsburg, womöglich Gladbach), vorbeigezogen (Leverkusen) oder kaum mehr einzuholen ist (Freiburg, Leipzig), lohnt derzeit nicht aus Frankfurter Sicht. Läuft die Saison so weiter wie es aktuell den Anschein macht, also mäßig bis mies, endet sie für die Eintracht in etwa auf den Rängen acht bis zehn. Böse Zungen behaupten, dass das ja immerhin eine Verbesserung zur Vorsaison wäre, als es im Schatten des Europa-League-Triumphs nur zu Platz elf langte. Nun ja.
Eintracht-Sportchef: „Müssen endlich unsere einfachen Fehler abstellen“
Selbstverständlich ist es für die Eintracht noch drin, auch zwei Punkte Rückstand auf Leverkusen wieder einzuholen, oder zumindest den mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Conference League berechtigenden siebten Rang zu verteidigen, das Gezeigte aber spricht dagegen. „Wir werden unsere Zielsetzung nicht ändern“, sagt Krösche zwar, der Sportchef weiß aber auch: „Wir müssen endlich unsere einfachen Fehler abstellen.“ Die Eintracht-Defensive leistete bei den Toren von Amine Adli (10.), Moussa Diaby (35.), Sardar Azmoun (90. + 5) gütige Mithilfe. „Wir wollten in Leverkusen unseren Fußball weiterspielen“, bemängelte Sebastian Rode, „müssten aber auch mal abgezockter sein und mehr nachdenken, wo wir Bälle verlieren können und wo nicht.“ Der Kapitän schlägt vor mit Blick auf die Restrunde in der Bundesliga: „Es sind noch sieben Spiele, erst dann wird abgerechnet.“ Für Europa gelte es, „zu hoffen, zu kämpfen, zu arbeiten“. Oder irgendwie den Pokal zu gewinnen.