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Die Fortführung der Eintracht-Krise

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Von: Thomas Kilchenstein, Ingo Durstewitz

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Zum Haareraufen: Eintracht Frankfurt kommt gegen zahme Borussen nicht über ein 1:1 hinaus.
Zum Haareraufen: Eintracht Frankfurt kommt gegen zahme Borussen nicht über ein 1:1 hinaus. © dpa

Eintracht Frankfurt bleibt auch im siebten Bundesligaspiel ohne Sieg. Doch Trainer Glasner bleibt cool: „Siege kommen, wenn wir weiter so auftreten.“ Doch Zweifel sind angebracht.

Auch am Sonntagmorgen hat sich Oliver Glasner wieder den Wecker stellen müssen. Er kann ja, wie er selbst sagt, auch nach diesem neuerlichen Rückschlag, einem dürren 1:1 (0:1) zu Hause gegen Borussia Mönchengladbach „ruhig schlafen“. Das siebte Spiel in der Bundesliga ohne eigenen Sieg, das Verharren auf einem Platz, der derzeit nicht für einen Start in der Europa League berechtigt, bereitet dem Trainer von Eintracht Frankfurt noch lange keine Alpträume und unruhiges Herumwälzen in nass geschwitzten Kissen. Was dem 48 Jahren alten Fußballlehrer weiter Mut macht, ist die Leistung der Mannschaft. Die war gegen Gladbach an diesem verregneten Samstagabend, wie er lobte, wechselweise „sehr gut“, „hervorragend“, „toll“, gar „grandios“, er zolle seiner Mannschaft höchsten Respekt, die einen „unglaublichen Charakter“ bewiesen, nie, nie, niemals „verzagt“ habe und bis zum Schluss auf den Siegtreffer gegangen sei. Nur sei der halt leider, leider nicht mehr gefallen, verdient wäre er allemal.

Man muss Trainer ja verstehen. Sie suchen gerne das Positive, probieren, ihr Team immer wieder aufzubauen, gerade in einer Phase, in der es nicht rund läuft und „wir mit Selbstvertrauen nicht gesegnet sind“. In einer solchen Phase stecken die Hessen gerade, seit sieben Spieltagen verlieren sie meist ihre Spiele auswärts und kommen zu Hause über dünne Unentschieden nicht hinaus - gegen Gegner die VfB Stuttgart heißen und VfL Bochum und jetzt Borussia Mönchengladbach, eine Elf jenseits von gut und böse und an diesem Samstag an Biederkeit kaum zu überbieten.

Diese Frankfurter Mannschaft, die vor drei Monaten noch den Champions-League-Platz vier verteidigen wollte, wie Sportvorstand Markus Krösche ausrief, ist drauf und dran, mal wieder nach einer dramatisch schlechten Rückrunde, eine Saison in den Sand zu setzen, die zeitweise Anlass zu schönsten Hoffnungen geboten hatte. Davon ist jetzt nichts mehr zu sehen. Allein in den letzten drei Heimspielen gegen Teams aus unteren Gefilden hat Eintracht Frankfurt sechs Punkte leichtfertig verschenkt, ein Fakt, den Krösche inzwischen „zum Kotzen“ findet.

Wie so häufig zuletzt sprach Krösche von „unnötigen Punktverlusten“ und davon, dass die Frankfurter „punktetechnisch zu wenig“ auf die Beine gestellt hätten. Mit diesen sechs Zählern mehr, die mit einer Prise mehr Effizienz, Konzentration, Kaltschnäuzigkeit leicht hätten geholt werden können, stünden den Hessen weiterhin alle Wege nach oben offen. Und der Frankfurter Anspruch sollte doch schon sein, im eigenen Stadion Stuttgart, Bochum, Gladbach zu schlagen, es verlangte ja niemand Siege in Leverkusen, Leipzig oder bei Union Berlin. Aber elf mickrige Zähler aus elf Rückrundenspielen ist die Bilanz einer mausgrauen Mittelmaßmannschaft mit sorgenvollem Blick nach unten. So schnell kann’s gehen.

Mittlerweile sind in Frankfurt alle verbleibenden Ziele - Europa, Pokalfinale - aufs Höchste gefährdet. Wenn die Eintracht so weiterspielt, wird sie kaum ein Spiel mehr gewinnen - inklusive des Halbfinales beim wiedererstarkten VfB Stuttgart. Es sind ja immer wieder die selben Themen, die bei der Spielanalyse nach Schlusspfiff angesprochen werden: Zu einfach kassiert die Eintracht die Gegentore, oft, wie auch gegen Gladbach, mit dem allerersten Angriff: Ein langer Pass hebelt die aufgerückte Abwehr auf, Marcus Thuram rennt allen davon, spielt quer auf den freien Jonas Hofmann - 0:1 (13.). Zu viele leichte Ballverluste, zu harmlos nach Standards, zu gering der Ertrag nach enorm hohem Einsatz. „Das zieht sich durch“ die ganze Saison, sagt Krösche zu Recht, nur: Warum lernt Eintracht Frankfurt eigentlich nicht aus diesen Fehlern? Immerhin hat Trainer Glasner dieses Mal den Mut aufgebracht, früher und überhaupt mal neue Kräfte (Paxten Aaronson, Faride Alidou) zu bringen (siehe Seite S2). Spät fiel dann nach Vorarbeit von Alidou wenigstens noch der Ausgleich durch Randal Kolo Muani (84.), wer sonst - man stelle sich nur mal vor, der Franzose würde nicht derart sensationell treffen?

Sicher: Glasner hat Recht mit der Feststellung, „das Ergebnis spiegelt die Leistung nicht wider“. Die Eintracht war in der zweiten Halbzeit das klar bessere Team, sie übte eine bemerkenswerte Dominanz auf, kam auf 16 Abschlüsse (Gladbach: 4), hatte beste Gelegenheiten (Kolo Muani, Eric Dina Ebimbe), haute sich rein, zeigte Willen und Engagement. Mangelnden Einsatz konnte ihr niemand vorwerfen, tat auch niemand, am Ende aber fehlten „Glück und Leichtigkeit“ (Sebastian Rode), fehlen zwei Punkte. Und die Krise bei der Eintracht hält damit weiter an, der Befreiungsschlag steht noch aus. Man dürfe sich nicht „runterziehen lassen“, sagt Glasner, man müsse genau so weitermachen. „Wenn wir so auftreten, werden die Siege kommen.“ Ein wenig gewagt ist diese These schon, die Eintracht, die am Samstag beim angezählten Boxer Borussia Dortmund spielt, müsste schon einiges ändern.

Ändern soll sich nichts auf dem Trainerstuhl. Glasner hat Vertrag bis 2024, „ich gehe davon aus, dass ich nächstes Jahr hier auf der Bank sitze“. Er sage dies nicht, „weil mir langweilig ist, das ist meine ehrliche Meinung“. Er finde in Frankfurt „eine tolle Mannschaft“ vor mit „tollen Jungs, haben eine tolle Zusammenarbeit im Team und mit Markus Krösche“. Er brauche sich nicht ständig zu bekennen in einer Sache, „die eh klar ist“. Kaderplanung, Vorbereitung des Trainingslagers - alles nach Plan. Glasner sagte im ZDF, bei sechs, sieben Trainern laufe der Kontrakt 2024 aus, nur bei ihm sei es „das Hauptthema“.

Vielleicht deswegen: Glasner hat in seinem aktuellen Arbeitspapier eine Ausstiegsklausel.

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