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Mit dem Kopf woanders

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Von: Ingo Durstewitz

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Wo geht der Weg hin? Frankfurts Cheftrainer Oliver Glasner.
Wo geht der Weg hin? Frankfurts Cheftrainer Oliver Glasner. © dpa

Bei Eintracht Frankfurt war die Trennung von Trainer Oliver Glasner ein Thema, das schnell wieder verworfen wurde. Ein Umbruch scheint nach Saisonende unausweichlich.

Dass Eintracht Frankfurt am Mittwoch zum bedeutsamen Halbfinale beim VfB Stuttgart mit Oliver Glasner an der Seitenlinie antreten wird, ist in diesen schweren Zeiten am Main keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern eine Erwähnung wert. Nach dem desolaten Auftritt gegen Augsburg hielten sich Gerüchte hartnäckig, dass der Fußballlehrer mit sofortigen Wirkung abgelöst werden würde. Es erschien nicht abwegig: Wenn es noch mal einen Impuls geben soll in einer verfahrenen Situation für eine blutleere Mannschaft mit einem angeschlagenen Trainer, dann jetzt. Das Szenario entpuppte sich als haltlos. Doch klar ist: Die Zweifel an Oliver Glasner sind gewachsen.

Der Österreicher hat es nicht geschafft, einen beispiellosen Absturz irgendwann mal zu stoppen – das zweite Mal in Serie wird seine Mannschaft in der Bundesliga durchgereicht. Er hat keinen Weg aus der Krise gefunden, keinen Plan B in petto. Und doch ist es richtig, Oliver Glasner jetzt die Chance zu geben, über den Pokal noch die Saison zu retten. Denn der Österreicher ist eine absolute Fachkraft, ein sehr guter Trainer, der sich große Verdienste um die Eintracht erworben und dem Verein den größten Titel seit fast einem halben Jahrhundert geschenkt hat. So einen serviert man nicht schnöde ab, das hat mit Respekt und Anstand zu tun, es wäre unwürdig, den erfolgreichen Coach ein paar Tage vor einem wichtigen Spiel vom Hof zu jagen. Das ist eine Frage des Stils.

Das freilich bedeutet nicht, dass es mit Oliver Glasner in der neuen Saison weitergeht. Der Mann steht auf der Kippe, und selbst ein Pokaltriumph hielte ihn nicht automatisch im Amt. Zu viel ist kaputt gegangen, zu viele Dissonanzen zutage getreten. Intern wird es kritisch gesehen, dass der Coach es nicht schafft, das Team spielerisch weiterzuentwickeln und es dauerhaft auf ein anderes Level zu hieven. Er hat es zuletzt auch nicht gepackt, junge Spieler besser zu machen.

Doch man kann es auch rumdrehen. Zur Wahrheit gehört genauso, dass der Kader nicht austariert ist. Das Gefälle ist zu groß. Dass das Aufgebot in der Spitze breiter geworden sei, ist eine Mär. Sportvorstand Markus Krösche hat gute Griffe getätigt, Jesper Lindström, Dina Ebimbe, Mario Götze und allen voran Randal Kolo Muani, der 100 Millionen Euro wert ist. Der Ritterschlag für den Manager.

Einige Fehlgriffe

Aber: Krösche lag auch oft genug daneben: Jens Petter Hauge war ein sündhaft teureres Missverständnis, genauso wie jetzt Lucas Alario. Von Sam Lammers, Luca Pellegrini oder Jerome Onguene gar nicht zu sprechen.

Hinzu kommt: Es wurde unterschätzt, dass zu viele Spieler mit dem Kopf schon woanders sind und sich für den Verein nicht mehr zerreißen. Es droht ein großer Umbruch, die Hälfte der Mannschaft ist auf dem Absprung. Selbst der Trainer hat sich lange nicht klar bekannt. Das macht sich bemerkbar und das hat jetzt selbst Kevin Trapp kritisch angemerkt. Ändern lässt es sich nicht mehr, aber: Ein Pokaltriumph ist für jeden Spieler auch eine persönliche Erfolgsstory. Insofern wäre es keine riesige Überraschung, würde die Eintracht jetzt im K.o.-Duell in Stuttgart ein anderes Gesicht zeigen. Über den Charakter der Spieler würde es aber einiges sagen.

Und generell gilt, dass bei der Eintracht ein bisschen was verrutscht ist im ganzen Konstrukt. Die innere Kraft fehlt, diese Wucht, die den Verein immer ausgezeichnet hat. Das fängt unten auf dem Rasen an und endet ganz oben in der Führungsetage, dort, wo die Unternehmenskultur ausgegeben und gelebt wird. Die ungeklärte Zukunft von Vorstandssprecher Axel Hellmann lähmt den Klub. Der mächtige Mann ist quasi abgetaucht – muss nun aber dringend aus der Deckung, sich erklären und – sollte er in Frankfurt bleiben – die Zügel in die Hand nehmen. Der Verein braucht Führung, Vorgaben und Geschlossenheit. Das alles ist aktuell nicht gegeben. Die Eintracht muss sich straffen und neu ausrichten, das Schlingern ein Ende haben. Auf dem Platz – und auf allen anderen Ebenen.

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