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Eintracht-Trainer Glasner: Laut. Klar. Hadernd.

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Von: Daniel Schmitt

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Beliebtes Fotoobjekt: Eintracht-Trainer Oliver Glasner.
Beliebtes Fotoobjekt: Eintracht-Trainer Oliver Glasner. © Jan Huebner

Wie Eintracht-Coach Oliver Glasner an den Schwächen seiner Mannschaft arbeitet und wie er die kleinen Zweifel an seiner Person beseitigen will.

Oliver Glasner kann es nicht nachvollziehen, dieses Verhalten seines Spielers. Hunderte Male wird er es ihm wohl schon erklärt haben im Laufe ihrer Zusammenarbeit beim Fußballbundesligisten Eintracht Frankfurt. Aber in diesem Moment - offenbar alles vergessen. Der Spieler, Lucas Alario, trottet vor sich hin im Trainingsspielchen, unterlässt das, was sein Trainer von ihm sehen will, jenes energische Attackieren des Verteidigers, um diesen reinzudrängen in die Ecke des Feldes, ihn zu einem langen Schlag zu zwingen. „Go, go, go, Lucas“, ruft Glasner. Er motiviert, sieht genau hin und schüttelt den Kopf. Alario bewegt sich, das schon, doch zu zaghaft. Keine 30 Sekunden später, ähnliche Position, wieder Alario. „Lucas, gooo!“, schreit Glasner diesmal. Er ist erregt, sieht hin und endlich sprintet Alario los, Glasner aber schüttelt erneut den Kopf. Es braucht den Impuls des Trainers für diesen Lauf.

Es sind dies nur zwei von vielen Situationen am Mittwochvormittag, bei denen Oliver Glasner seine Stimme erhebt - die Tonlagen variieren, auch die Inhalte. Mal ist Glasner analytisch, mal meckert er. Neben Alario werden auch andere Profis freundlich-motivierend zurechtgewiesen. Verteidiger Tuta etwa nimmt der Coach in einer Unterbrechung des Spiels in den Arm, redet auf ihn ein, auch bei Ansgar Knauff oder Eric Dina Ebimbe gibt es ähnliche Szenen. Es ist die nur knapp einstündige Übungseinheit eine, die typisch ist für den 48-jährigen Fußballlehrer. Intensiv, wortreich, knackig.

Da gibt einer alles, was er kann, was drinsteckt in seinem Trainer-Werkzeugkasten, um die wacklige Frankfurter Defensive stabiler und gleichzeitig die Offensive effizienter zu machen. Da feilt einer an den Schwächen des Teams, justiert, richtet Dinge neu aus. Oliver Glasner, das wird ihm niemand vorhalten können, ist mit Feuereifer dabei - wie eh und je, wie vom ersten Tage an bei der Eintracht.

Manch Handlung des Cheftrainers in den vergangenen Wochen hat dagegen irritiert, und dadurch vermehrt auch den Fokus auf den Österreicher selbst gerichtet: Der Wutausbruch von Berlin-Köpenick gegen Abwehr und Medien, das Schweigegelübde von Leverkusen, das Anprangern vermeintlich überhöhter Erwartungen, das Vertragsverlängerungs-Zeitspiel, oder nicht zuletzt der Zeitpunkt seines jüngsten Bekenntnisses zur Eintracht.

1500 Fans beim Training

Plötzlich, nach dem Spiel gegen Gladbach, erklärte der 48-Jährige gleich in mehrere TV-Kameras, dass er davon ausgehe, auch im nächsten Jahr Trainer der Eintracht zu sein. Er brauche sich nicht ständig zu bekennen in einer Sache, „die eh klar ist“. Das von der Eintracht im Februar vorgelegte Angebot zur Ausdehnung seines Vertrags bis 2026 unterschrieb er jedoch bisher nicht. Auch ließ er zuvor manch Chance zum öffentlichen Eindeutig-Bekenntnis verstreichen. Das ließ Raum für Spekulationen, selbst ein möglicher Nachfolger, Matthias Jaissle von RB Salzburg, wurde jüngst schon genannt.

Die Vorzeichen haben sich verändert in den vergangenen Wochen, die prüfenden Blicke intern wie extern sind nach der Niederlagenserie intensiver geworden. Trainer und Team liefern nicht mehr ab. Das nervt Glasner wohl am meisten - und treibt ihn an.

Als er am Mittwoch um 10.55 Uhr den Trainingsplatz betritt, geschieht das unter Applaus der 1500 Fans bei der öffentlichen Einheit. Und sofort geht es ans Eingemachte. Kurzes Warmmachen, dann ab in die Spielform. Das macht Glasner häufig so, dort will er die Basis für Besserung legen. Erst soll an diesem Tage die Abwehr gestärkt werden, findet sich die verteidigende Fünferreihe (Buta, Tuta, Hasebe, Lenz, Knauff) in einer Unterzahlsituation wieder, muss sich gegen zwei Spieler mehr erwehren. Das gelingt, zumindest weitestgehend, nur ab und an lässt sich Knauff austanzen von Faride Alidou, oder schließt Tuta das Zentrum nicht rechtzeitig und lässt Randal Kolo Muani durchstechen. Alles in allem: Glasner ist zufrieden. „Yes. Yes. Yes“, kommentiert er. Und wenn es mal eng wird hinten drin, schreit er: „Shoot the ball“ - Haut die Kugel raus! Die Spieler tun wie ihnen gerufen. Manchmal kann’s auch einfach sein.

Ndicka fehlt, Lindström übt

Es fehlt in dieser Übung der Franzose Evan Ndicka, dessen Einsatz am Samstag in Dortmund weiterhin fraglich ist, auch Kristijan Jakic ist verletzt und kann nicht mittun. Christopher Lenz steigt darob zur ersten Alternative für die linke Innenverteidigerposition auf, auch der zuvor länger lädierte Almamy Touré trainiert wieder mit. Auf einem Nebenplatz nähert sich zudem Offensivkraft Jesper Lindström mithilfe eines Rehatrainers der Rückkehr ins Mannschaftstraining. Sein Ziel: Beim Pokalhalbfinale Anfang Mai in Stuttgart will er zum Kader gehören. Ein Wettrennen mit der Zeit.

Vorerst also muss Glasner noch ohne den Dänen auskommen, auch im zweiten Teil des Trainings, bei dem das zuvor sehr enge Feld größer wird. Die Co-Trainer Michael Angerschmid und Ronald Brunmayr sind zuständig, platzieren die Markierungen - und werden überwacht von ihrem Chef. Glasner weist an, die Stangen doch bitte noch zwei Meter nach innen zu versetzen. Es sind dies vermeintlich unwichtige Details, mögen Laien behaupten. Für Profi Glasner sind sie essenziell.

Denn nun rücken die Angriffsbemühungen in den Fokus der Trainingsarbeit, nun kommentiert Glasner nicht mehr Tutas Abwehrversuche, sondern Alarios Anlaufmüdigkeit. Ganz allgemein: Der Trainer lobt viel und unterbricht noch mehr. Nach jedem zweiten Angriff ruht der Ball, spricht der Trainer und benennt seinen Spielern Lösungswege. Nach einem Lattenkracher von Knauff klatscht er. Nach dem einzigen Tor des Kicks, erzielt von Ebimbe, schallt es über den Rasen. „Gut, good!“

Oliver Glasner ist ohne Zweifel ein absoluter Fachmann, einer der kompetentesten Trainer, die bei Eintracht Frankfurt an der Seitenlinie standen. Bloß: Irgendwann sollten die Ergebnisse wieder stimmen. Schafft er, der den Vormittag mit reichlich Fan-Selfies ausklingen lässt, es nicht im restlichen Saisonverlauf, die Wende einzuleiten, werden automatisch Unruhe und (die aktuell sehr kleinen) Zweifel an ihm wachsen. Der Trainer weiß das, er kennt die Usancen des Geschäfts. Und er tut das, was er am besten kann: Fußball lehren. Laut. Klar. Manchmal hadernd.

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