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Julian, liefer‘ jetzt!

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Von: Daniel Schmitt

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Auch er steht unter Druck im Bayern-Kosmos: Julian Nagelsmann. Foto: Imago Images
Auch er steht unter Druck im Bayern-Kosmos: Julian Nagelsmann. Foto: Imago Images © imago

Vor dem Frankfurt-Spiel herrscht beim FC Bayern spürbare Unruhe - mittendrin: Trainer Julian Nagelsmann

Die sommerlichen Wortmeldungen der Münchner Macher, allen voran von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic, ausgerechnet dem Vorstandschef und Sportvorstand, ließen tief blicken. Der FC Bayern, hieß es also vor Saisonbeginn unisono, habe eine riesige Qualität im Spielerkader, vor allem jetzt, da ihnen, den Bossen, mit der Verpflichtung von Weltstar Sadio Mané ein echter Transfercoup gelungen sei. Verbales Schulterklopfen. Auf die eigenen.

Sie sagten auch noch, dass sie Trainer Julian Nagelsmann, den teuersten Coach auf dem Globus, 25 Millionen Euro Ablöse, volle Rückendeckung zusichern würden. Trotz einer für den aus Leipzig geholten Fußballlehrer durchwachsen verlaufenen Premierensaison, trotz des frühen Ausscheidens im DFB-Pokal gegen Mönchengladbach, trotz der Viertelfinal-Schmach in der Champions League gegen Außenseiter Villarreal. Motto: Julian, wir stehen auf jeden Fall hinter dir, aber bitte, liefere jetzt ab. Ein Single-Trainer, lediglich Meister, reicht uns nicht.

Bei Julian Nagelsmann sind diese Botschaften, wenn auch etwas versteckt verbreitet, angekommen, er hat sich bewusst verändert in seinem zweiten Jahr beim deutschen Rekordchampion. Nicht menschlich, diese Behauptung wäre falsch, aber eben mit seiner Art und Weise des Coachings. Nagelsmann wagt weniger als noch in der vergangenen Runde, geht weniger Experimente ein, vertraut stattdessen eher dem Bewährten. Die Systematik ist oft eine ähnliche, 4-2-3-1, es wird seltener personell probiert, schon gar nicht irgendwelche waghalsigen Manöver mit Profis auf für sie fachfremden Positionen. Die Stammelf ist eine wirkliche Stammelf, getauscht wird nur dezent, und wenn dann werden eben Sechser gegen Sechser gewechselt, Außenstürmer gegen Außenstürmer, oder Thomas Müller ab und an gegen den längst an ihm vorbeigezogenen Himmelsstürmer Jamal Musiala.

Denkzettel für Fashionista

Klare Abläufe sollen die Münchner Mannschaft stärken, dieser Plan des Trainers ist offensichtlich, um unter anderem den Verlust des Weltklasseknipsers Robert Lewandowski irgendwie aufzufangen. All diese Ansätze von Julian Nagelsmann muten plausibel an, durchdacht, schlicht vernünftig - und doch rumort es dieser Tage und Wochen kräftig beim FC Bayern. Vor dem Heimspiel an diesem Samstag (18.30 Uhr/Sky) gegen den Tabellenvierten Eintracht Frankfurt steht der Bundesligaprimus unter Druck - und mit ihm sein Trainer. Der „Kicker“ etwa überschrieb einen Kommentar in dieser Woche wie folgt: „Hausgemachte Probleme - und Nagelsmann mittendrin“.

Seit Wochen schon herrscht Unruhe im Bayern-Kosmos: Neuers Skiunfall, dessen entlassener Torwarttrainer und Trauzeuge Tapalovic, von manchem auch als vermeintlicher Kabinen-Maulwurf enttarnt, die ewig lang anhaltende Sommer-Debatte im Winter, das kritisierte Trainingscamp in Katars Wüste, der sich nur langsam aus dem WM-Loch buddelnde Kimmich, die vielen Verletzten (Mané, Hernandez, Mazraoui, nun auch noch Goretzka), der schwach Fußball spielenden Fashionista Gnabry, der gegen die Eintracht als Denkzettel vom Coach auf die Bank gesetzt wird, dorthin also, wo Oldie Müller mittlerweile einen Stammplatz einnimmt.

Ziehen bei all diesen Unstimmigkeiten im Bajuwarischen wirklich alle an einem Strang? Nur Momentaufnahmen? Oder ist doch irgendwas grundsätzlich aus dem Ruder gelaufen? Und welche Rolle spielt dabei eigentlich Julian Nagelsmann?

Der Eindruck jedenfalls drängt sich auf, dass das Binnenklima beim Spitzenreiter (leicht?) geschädigt ist. Dass etwa Nationalspieler wie Manuel Neuer oder Serge Gnabry nicht einverstanden sein dürften, wie derzeit mit ihnen umgangen wird - ob zu Recht oder nicht sei dahingestellt - liegt auf der Hand. Befeuert wird der Eindruck des gegenseitigen Missmuts zudem durch die sportlichen Leistungen. 1:1 in Leipzig, noch okay. 1:1 gegen den Effzeh aus Köln, nicht mehr okay.

Es ist allemal Vorsicht geboten für die Bayern und ihren Coach, schon jetzt, früh im Jahr, droht die Stimmung zu kippen. Nagelsmann nimmt den sich aufbauenden Druck nach außen hin gelassen zur Kenntnis. „Die Stimmung ist so, wie sie immer ist bei Bayern, wenn man nicht gewinnt“, sagt er am Freitagmittag im Vorfeld des Frankfurt-Spiels: „Sie ist nicht extrem ruhig, aber auch nicht super fröhlich. Wir wissen, dass wir Dinge besser machen können, besser machen müssen und besser machen werden.“ Dann nannte er noch die Stichworte „Haltung“ und Einstellung“.

Die Suche nach dem Lauf

Überhaupt ist es nicht ganz einfach, die Arbeit des 35-Jährigen, dem jüngsten Bundesligacoach der Geschichte mit 28 Jahren bei der TSG Hoffenheim, einzuordnen. Erst eine Niederlage kassierten seine Bayern im Saisonverlauf, 0:1 in Augsburg, die Champions League rockten sie, in der Liga ruckelten sie aber doch manchmal durch die Spiele. Der Punkteschnitt des Coaches ist im zweiten Bayern-Jahr höher (2,42) als im ersten (2,26), liegt aber doch nur zwischen seinen beiden Vorgängern, dem erfolgreichen Hansi Flick (2,53) und dem gescheiterten Niko Kovac (2,26). Nicht Fisch, nicht Fleisch also. Schon irgendwie okay und doch ausbaufähig.

Nun kommt es beim FC Bayern, wie auch bei anderen Klubs, logischerweise nicht nur auf Punkteschnitte oder Ungeschlagen-Serien an, sondern auf Siege in den entscheidenden Partien. Klar, die elfte Meisterschaft in Folge sollte es schon werden mit konstanten Ligaleistungen, zumal die Konkurrenz wie immer schwächelt. Auch sollte ein erneutes, frühes Pokal-Aus, kommenden Mittwoch sind die Münchner in Mainz zu Gast, tunlichst verhindert werden. Der wahre Leistungstest aber steht erst danach an: am 14. Februar, das Hinspiel im Königsklassen-Achtelfinale bei Paris Saint-Germain.

Es bleibt für Julian Nagelsmann nicht mehr viel Zeit, im unruhigen Bayern-Kosmos wieder für Stabilität zu sorgen, die Nebenschauplätze zu befrieden, eine Einheit zu bilden, vor allem das fußballerische Niveau seines Teams merklich zu heben. „Ein Lauf, ein Flow entsteht nicht einfach so“, weiß er selbst. Harte Arbeit, Konzentration, Miteinander sind nötig. Er, der Mann mittendrin in den Problemen, ist für all das hauptverantwortlich, zuständig dafür, diese zu beheben, am besten weiterhin mit ruhiger Hand, ohne Aktionismus.

Gelingt ihm das, wird es bald wieder Lobpreisungen regnen. Misslingt es, droht erst das Aus in Europas Eliteliga, und, womöglich noch weitreichender, eine trotzige Reaktion der Münchner Macher. Denn die sommerlichen Ansagen der früheren Torwart-Titanen und Mittelfeld-Brazzos war klar: Abliefern, lieber Julian, sonst wird’s ungemütlich. Für den FC Bayern im Allgemeinen und für Nagelsmann im Speziellen.

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