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Eintracht Frankfurt wie im Goldenen Herbst

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Von: Ingo Durstewitz

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Die Freude ist zurück: Mario Götze (links) und Sebastian Rode.
Die Freude ist zurück: Mario Götze (links) und Sebastian Rode. © Imago

Eintracht Frankfurt holt sich durch den souveränen Halbfinaleinzug im DFB-Pokal gegen Union Rückenwind und hat nun auch in der Liga noch viel vor.

Aus gegebenem Anlass erinnerte der Frankfurter Fußballtrainer Oliver Glasner am Dienstagabend noch einmal an die märchenhafte Reise über den alten Kontinent im alten Jahr. Damals pendelte die Eintracht zwischen Last und Lust, Bundesliga und Europapokal, und irgendwann entschied sich die Sportliche Leitung samt Trainerteam „All-in“ zu gehen, alles oder nichts. Verständlicher- und richtigerweise.

Also wurden im heimischen Ligabetrieb schon mal fast ein halbes Dutzend Stammkräfte geschont und Niederlagen billigend in Kauf genommen, nur um auf internationalem Geläuf zu reüssieren. Man weiß es längst: Die Strategie ist aufgegangen, mit dem epischen Europacuptriumph von Sevilla im Mai 2022 belohnt worden. In der Liga rutschte das Team zwar ab, von Rang sechs auf elf. Doch das juckte natürlich niemanden.

Nun, nachdem die Eintracht mal wieder in einem K.o.-Wettbewerb relativ aussichtsreich im Rennen liegt, im nationalen Pokal das Halbfinale erreicht hat durch ein höchst souveränes 2:0 über wachsweiche Eiserne aus Berlin, denkt Coach Glasner eigenem Bekunden nach aber nicht im Traum daran, alles auf die Karte Pokal zu setzen – und auch im Frühjahr 2022, habe erst ein Umdenken stattgefunden, nachdem in der Bundesliga der Zug gen Europa abgefahren war. „Erst dann haben wir Prioritäten gesetzt, vorher nicht“, erklärt der 48-Jährige. Das war damals rund um die beiden Viertelfinalespiele gegen den großen FC Barcelona. Aber in diesem Jahr liege sein Team acht Spieltag vor Schluss ja auch in Deutschlands Premiumklasse aussichtsreich im Rennen, Platz sechs, immer noch, muss man vielleicht sagen, trotz signifikanter Schwächephase zuletzt. „Für uns gibt es jetzt überhaupt keinen Grund, uns nur auf einen Wettbewerb zu konzentrieren.“

Insofern waren Erlebnis und Ergebnis vom Dienstagabend für die Eintracht von enormer Bedeutung. Vielleicht sogar der ersehnte Befreiungsschlag, der Wendepunkt? Das seriös zu beantworten, ist viel zu früh. Doch die Erlösung war spürbar im Eintracht-Lager, da ist eine Menge Ballast abgefallen. „So ein Sieg beruhigt alles drumherum“, sagt Kapitän Sebastian Rode. „Auch in der Mannschaft.“

Und es gibt zumindest ein paar Indizien dafür, dass sich das Team wieder gefangen haben könnte und für den Endspurt gerüstet ist. Denn gegen erschreckend schwache Unioner zeigte die Eintracht, zumindest 45 Minuten, sicher ihre beste Leistung in diesem Kalenderjahr. Der Ball lief gekonnt und präzise durch die eigenen Reihen, in Abschnitt eins erinnerte vieles an den Goldenen Herbst, als die Frankfurter durch die Bundesliga fegten, sich auf einem Champions-League-Platz einnisteten und zeitweise gar als Bayern-Jäger gehandelt wurden. War das am Dienstag im April also die alte Eintracht? Sportvorstand Markus Krösche wollte das nicht verneinen. „Das ist das, was wir spielen können, wir haben es geschafft, diese Qualität auf den Platz bringen.“ Und Käpt’n Rode flankierte: „Das ist jetzt der Gradmesser.“

Weshalb aber lief nun wieder einiges so viel flüssiger als im traurigen Winter dieses Jahres? Offenkundig ist, dass viele Spieler aus ihrem Leistungstief gekrabbelt oder zumindest auf dem Weg nach oben sind. Das gilt für die meisten Akteure aus allen Mannschaftsteilen. Am eindrucksvollsten zu beobachten war es allerdings bei Mario Götze, dem Nationalspieler, der sich wochenlang abmühte, aber weit weg war vom spielerischen Glanz des Vorjahres. Und dann packt er mal eben einen Weltklassehackentrick und eine gekonnte Steilvorlage aus, zack, zack, zwei Geniestreiche, zweimal Kolo Muani, 2:0 – und aus die Maus.

„Man hat die spielerische Klasse gesehen, und mit so einem Hackentrick kommt dann die Leichtigkeit zurück“, befand Spielleiter Rode. Auch Trainer Glasner hatte warme Worte für den 30-Jährigen parat: „Mario war ganz wichtig, er war in sehr gefährlichen Räumen unterwegs.“ Der, der von den perfekten Zuspielen in erheblichem Maße profitierte, wollte in der Lobpreisung nicht zurückstehen. „Mario ist ein bemerkenswerter Spieler, der vieles intuitiv macht und technisch einiges auf dem Kasten hat“, bedeutete Randal Kolo Muani, die Lebensversicherung der Eintracht.

Wie der französische Nationalspieler durch die Abwehrreihen der Kontrahenten pflügt, ist phänomenal. Ohne den 24-Jährigen wäre diese Frankfurter Mannschaft nur die Hälfte wert. Er ist der Unterschiedspieler, das Zünglein an der Waage. Nicht nur am Dienstag, sondern so ganz allgemein.

Aber es gibt noch andere kleine Punkte, die die Hoffnung auf ein Happy End befeuern. Die Mannschaft wirkt wieder geschlossener, williger, galliger. Das lässt sich auch an einem wie Rafael Borré festmachen, den Coach Glasner klugerweise nach eher seichten Auftritten nicht infrage stellte. Der Kolumbianer trifft zwar nicht, ist vor dem Kasten immer noch in einer echten Pechsträhne gefangen, doch er gibt nicht auf, schuftet für die Mannschaft und verliert deutlich weniger Bälle als noch vor einigen Wochen. „Er ist wieder sehr wichtig für uns“, sagt Sebastian Rode. „Und wenn er so weitermacht, trifft er auch wieder.“

Und ganz sicher war es richtig, die Abwehr mit Kristijan Jakic zu verstärken. Der Kroate ist ein Mentalitätsfaktor, einer, der niemals klein bei gibt und sein Herz auf dem Platz lässt. Auf Spieler wie ihn kann man in einer solchen Phase nicht verzichten, zumal er seine Arbeit als Verteidiger auch eine Klasse besser erledigt als der Brasilianer Tuta, der eine Rückrunde zum Vergessen spielt.

Die Eintracht hat sich rechtzeitig vor der heißen Phase in Stellung gebracht, ein Zeichen gesetzt, wonach mit ihr noch zu rechnen sein wird. Im Pokal sowieso. Berlin ist nur noch einen Schritt entfernt, und ein Nachteil ist es gewiss nicht, dass die großen Bayern gegen Freiburg die Segel streichen mussten. In diesen K.o.-Wettbewerben ist den Frankfurtern alles zuzutrauen, das haben sie in der jüngeren Vergangenheit eindrucksvoll bewiesen. „Ein Pokal ist da, um ihn zu gewinnen“, gibt Torwart Kevin Trapp die logische Eintracht-Losung aus. „Wir möchten den Weg bis zum Ende gehen.“

Die Kunst wird sein, in der Liga den sechsten Rang zu verteidigen. Dazu muss die Eintracht jetzt auch im Brot- und Buttergeschäft den Turnaround packen, „Schwung und Flow mitnehmen“, wie es Mario Götze formuliert. Dummerweise wartet am Samstag Bayer Leverkusen auf die Eintracht, bei den Rheinländern setzte es in den vergangenen Jahren stets empfindliche Pleiten, acht deutliche Niederlagen in Serie. Der letzte Sieg liegt fast zehn Jahre zurück, Marco Russ erzielte das Goldene Tor, Kevin Trapp hütete da schon den Kasten, Seppl Rode war auch dabei, fehlte aber verletzt. Der 32-Jährige weiß um die knifflige Mammutaufgabe. „In Leverkusen ist es für uns brutal schwer.“ Doch bange machen gilt nicht, „wir wollen die Vergangenheit und das, was da war, ausblenden“. Vielleicht ist ja Oliver Glasner der entscheidende Mann. Auch ihm ist schon zu Ohren gekommen, dass es für die Eintracht unterm Bayer-Kreuz stets auf die Ohren gab. Er aber habe mit seinem Ex-Klub VfL Wolfsburg zweimal in Leverkusen gewinnen können. „Vielleicht“, sagt er lächelnd, „kann ich ja einen kleinen Input geben.“

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