Gegen Neapel: Eintracht Frankfurt ist heiß wie Frittenfett

Eintracht Frankfurt vor dem Spiel der Spiele in der Champions League gegen SSC Neapel: Eine ganz Stadt fiebert dem historischen Ereignis entgegen.
Frankfurt – Der fensterlose Presseraum im Tiefgeschoss des Stadions platzt aus allen Nähten, kein Stuhl mehr frei. Die Nudeln Arrabiata sind aufgefuttert, auch das Curry-Hühnchen niedergekämpft. Großer Bahnhof im Keller der Arena. Rund 80 Medienschaffende haben sich zur Spieltags-PK eingefunden, allein 20, 25 sind aus Bella Italia schon am Vortag des Spiels der Könige angereist. Und Eintracht-Trainer Oliver Glasner, der auch schon mal nur vor einer Handvoll Reporter doziert, blickt ein wenig verdutzt ins Auditorium. „Full House“, entfährt es ihm. „Das zeigt, dass wohl ein außergewöhnliches Spiel vor uns liegt.“ Ein Grinsen kann er sich nicht verkneifen, da freut sich einer wie Bolle, ganz offensichtlich.
Es ist angerichtet in Frankfurt, das erste Champions-League-Achtelfinale der Eintracht-Historie steht bevor, am Dienstagabend (21 Uhr/Amazon Prime) wird die Luft flirren im Waldstadion, auch ohne Choreo, dann kommt es zum Aufeinandertreffen zwischen dem Europa-League-Sieger vom Main und dem Spitzenreiter der Serie A in Italien, Eintracht Frankfurt gegen SSC Neapel. „Die ganze Stadt freut sich auf dieses sensationell gute Spiel“, hat Nationalspieler Mario Götze erkannt. „Es wird eine gigantische Stimmung sein, die Vorfreude ist riesengroß.“
Selbst vor dem ausgebufften 30-Jährigen macht diese elektrisierende Atmosphäre nicht Halt, obwohl der Sportkamerad ja schon ein bisschen was erlebt hat, WM-Titel, Meisterschaften, Pokalsiege, unzählige Europapokalnächte, Champions-League-Spiele en masse, 67, um genau zu sein, doch die Partie am Dienstag „hat auch für mich persönlich einen sehr hohen Stellenwert“.
Eintracht Frankfurt gegen SSC Neapel: Und dann am Vesuv ins Viertelfinale einziehen
Der Mann ist gut drauf, nicht mal eine seltsame Frage nach angeblichen Auswanderungsplänen seiner Frau nach Dubai bringt ihn aus dem Konzept. „Ist mir neu“, sagt er nur lachend. Puh, wäre das auch geklärt.
Der Frankfurter Coach hat sich mit elementaren Fragen wie dieser eher nicht so sehr beschäftigt, dafür den Kontrahenten aus dem Süden ausgelesen. Der italienische Klassenprimus liegt in der heimischen Liga satte 15 Punkte vor dem Tabellenzweiten Inter Mailand. Die Lombarden waren es auch, die den Neapolitanern eine von nur zwei Pflichtspielniederlagen beigebracht haben, 0:1 kurz nach dem Jahreswechsel. Die andere Pleite setzte es beim FC Liverpool Anfang November 2022, 0:2. Beim Klopp-Klub wird, das am Rande der Bande, der Frankfurter Sportvorstand Markus Krösche als neuer Manager gehandelt. Der Sportboss ist eigentlich bis 2025 gebunden, aber man weiß ja nie. Coach Glasner jedenfalls orientiert sich an Inter und Liverpool. „Das Ziel ist ganz klar: Wir wollen die dritte Mannschaft sein, die Napoli schlägt.“ Und dann im März am Vesuv ins Viertelfinale einziehen, versteht sich von selbst.
Auf besondere Motivationstricks greift der 48-Jährige nicht zurück. Weshalb auch? „Die Mannschaft ist heiß wie Frittenfett“, sagt er schmunzelnd und erklärt dann seriös, weshalb man auf einen zusätzlichen „Input durch wunderbare Bilder“ verzichtet hat. „Emotion und Begeisterung sind wichtig, aber es darf auch nicht too much sein.“ Man müsse auf dem Feld einen kühlen Kopf bewahren und kluge, nüchterne Entscheidungen treffen. „Da brauchen wir kein Extravideo.“
Eintracht Frankfurt gegen SSC Neapel: Ein Gegner mit „wahnsinnig intensivem Stil“
Vor dem Gegner hat Glasner natürlich einen Heidenrespekt, wer so ungefährdet seine Kreise zieht, der ist halt eine Klasse für sich und ein enorm schwer zu bezwingender Kontrahent. Glasner hat einen plausiblen Ansatz, weshalb der SSC Neapel die heimische Liga nach Belieben dominiert. „Sie spielen anti-italienisch“, erläutert der Österreicher. „Deshalb sind sie so weit vorne.“ Die Mannschaft von Trainer Luciano Spalletti verfolge einen „wahnsinnig intensiven“ Stil, agiere aktiver und aggressiver und damit anders als alle anderen Teams in der Serie A. „Sie geben dir immer Druck, aber darauf sind wir vorbereitet“, berichtet der Trainer, der sich während der Europa-League-Saison vor einem Jahr mit seinem Ensemble gegen Mannschaften aus Südeuropa im Vorteil wähnte, weil diese mit dem höchst aufwendigen und eindringlichen Spielstil der Eintracht arge Probleme hatten. „Den Vorteil in puncto Intensität werden wir in diesem Spiel aber nicht haben.“
Doch seine Formation wisse auch so, was sie zu tun habe, um den widerstandsfähigen Opponenten trotzdem in die Knie zu zwingen. „Unsere Herangehensweise ändert sich nicht, wir wollen unseren Fußball und unsere Stärken auf den Platz bringen“, betont Glasner. Da sei der Wettbewerb und der Widersacher einerlei. „Wenn wir an unserem obersten Limit performen, können wir gegen jeden Gegner in Europa gewinnen.“
Dazu müsse man, flankiert Mario Götze, aber auch das Momentum auf seine Seite ziehen. „Flow und Energie sind wichtig“, findet der Routinier, der die Aufgabe logischerweise als knifflig erachtet, aber andererseits voller Zuversicht und Selbstvertrauen ins Spiel gehen wird. „Wir wissen, wie gut wir sind.“ Und was ist drin, so allgemein, vielleicht noch mehr als die nächste Runde, wie damals mit Borussia Dortmund, als es der BVB bis ins Finale der Königsklasse schaffte gegen die Bayern? Götze lacht. „Das ist zehn Jahre her, da ist es schwierig, Parallelen zu ziehen.“ So halb defensiv antwortet der Offensive dann doch noch: „Es ist vieles möglich.“
Eintracht Frankfurt gegen SSC Neapel:
Eine Trumpfkarte ist sicherlich Randal Kolo Muani, der Himmelsstürmer aus Frankreich. „Seine Qualität ist sensationell“, findet Mitspieler Götze. Der Angreifer sei ein ganz feiner Kerl mit einem guten Charakter, „ein sensationeller Typ und eine Bereicherung für uns“. Dummerweise spielt bei den Italienern auch so ein Kolo Muani, der aber Victor Osimhen heißt und die Verteidiger in Europa das Fürchten lehrt. Für Coach Glasner sind die beiden Erfolgsgaranten ihrer Teams. „Beide haben ein außergewöhnlich hohes Tempo“, Osimhen sei etwas robuster, Kolo Muani attackiere dafür mehr die Tiefe. „Beide sind unter den Top-Fünf der in Europa spielenden Stürmer“, glaubt Glasner, der auf Kapitän Sebastian Rode verzichten muss – zumindest in der Startelf. Der 32-Jährige habe seinen grippalen Infekt zwar weitgehend auskuriert und wird im Kader stehen, doch für einen Platz in der Anfangsformation reiche es nicht.
Für die Eintracht geht es, so als Nebeneffekt, am Dienstag und am 15. März in Neapel auch um eine Menge Zaster. Sie hat durch den royalen Wettbewerb schon jetzt deutlich mehr als 50 Millionen Euro erlöst. Für den Einzug ins Viertelfinale gäbe es noch mal 10,6 Millionen Euro obendrauf. Ein Anreiz mehr, das neapolitanische Niederlagen-Triple perfekt zu machen. Leicht wird’s eher nicht. (Ingo Durstewitz)