1. Startseite
  2. Eintracht

Glasners Abschied auf Raten bei Eintracht Frankfurt

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Ingo Durstewitz

Kommentare

Der lange Zeit so erfolgreiche Eintracht-Trainer muss am Saisonende ein Jahr vor Vertragsende gehen - es hatte sich angedeutet

Es hatte sich abgezeichnet, spätestens nach dem verstörenden Wutausbruch am Wochenende, nun ist es offiziell: Eintracht Frankfurt und Oliver Glasner werden am Saisonende getrennte Wege gehen. Trotz eines laufenden Vertrages bis 2024 wird der Cheftrainer vorzeitig geschasst – bekommt aber noch die Chance, die Saison zu retten und sie gar durch einen Pokalsieg am 3. Juni gegen RB Leipzig zu einem guten Ende zu bringen. Glasner geht als Gewinner, so oder so. Er hat die Eintracht in Sevilla zum epochalen Europapokalsieg geführt. Das vergisst ihm niemand, das nimmt ihm niemand.

„Die sportliche Entwicklung und die Gesamtdarstellung in der Rückrunde“ veranlassten die Klubverantwortlichen dennoch zu diesem Schritt, der sicher nicht besonders populär ist. Aber unausweichlich. Die Entscheidung ist bereits am Montagabend nach einem langen Krisengespräch zwischen Sportvorstand Markus Krösche und dem 48 Jahre alten Coach gefallen. Am Dienstag folgten weitere Verhandlungen. „Wir sind der Auffassung, dass nach all den Spekulationen und auch aufgrund der aufgekommenen Unruhe rund um die Trainerpersonalie nun Klarheit in der Zukunftsfrage wesentlich ist, um den Fokus von Trainer und Mannschaft komplett auf die Saisonziele und das Pokalfinale zu richten“, sagte Manager Krösche. Auf salbungsvolle Worte des Dankes verzichtet die Eintracht in ihrer Mitteilung – weil sie den Zeitpunkt jetzt als nicht gegeben sieht, sondern den Fokus voll auf den Endspurt richten will. Der wird knifflig genug.

Die Mannschaft war in den Prozess eingebunden. Bei allen Beteiligten, Profis, Vorstand, Trainer, soll die Erleichterung nach Wochen der bleiernen Schwere groß gewesen sein. Als sei ein Ballast von allen abgefallen. Die Verantwortlichen erhoffen sich von der nun geklärten Zukunft eine Initialzündung, einen Ruck, der im Hinblick auf das Saisonfinale, aber vor allem auf das Finale in Berlin für Rückenwind sorgen soll. Kann sein, muss nicht sein.

Coach Glasner kommentierte nonchalant: „Ich akzeptiere die Entscheidung der Vereinsführung, die mir plausibel dargelegt wurde. Die Gespräche mit Markus Krösche und Timmo Hardung (Lizenzspielerleiter; Anm. d. Red.) waren ehrlich, offen und fair, so wie unser Austausch immer konstruktiv und von hohem gegenseitigem Respekt geprägt war“, ließ sich Glasner zitieren. „Es ist aber jetzt nicht der Zeitpunkt für Abschied oder Rückblick, sondern wir haben noch eine entscheidende Mission vor uns und werden alles daransetzen, den DFB-Pokal wieder nach Frankfurt zu holen. Es ist mir von sehr hoher Bedeutung, dass die Eintracht wieder großartige Nächte auf internationaler Bühne feiern kann.“

Auf Glasner folgt in der neuen mit ziemlicher Sicherheit Dino Toppmöller, der einstige Co-Trainer von Julian Nagelsmann bei den Bayern und frühere Eintracht-Profi (siehe weiteren Bericht). Der 42-Jährige ist der Topfavorit auf den Posten des Cheftrainers. Das ist ein großer Sprung für ihn, bisher war er als verantwortlicher Coach nur bei Düdelingen F91 in Luxemburg und Royal Excelsior Virton in der zweiten belgischen Liga angestellt. Markus Krösche kennt ihn aus Leipzig, er schätzt ihn. In Frankfurt wird Toppmöller in große Fußstapfen treten, die von Oliver Glasner.

Die Trennung, ein Jahr vor Vertragsende – sie zeichnete sich ab. Die Situation rund um den lange Zeit so erfolgreichen Coach spitzte sich in den vergangenen Wochen immer mehr zu – mit dem Wutausbruch von Hoffenheim am Samstag als Höhepunkt. Spätestens nach der darauffolgenden scharfen Rüge von Eintracht-Boss Axel Hellmann war klar, dass eine vorzeitige Trennung wahrscheinlich ist. Die Frage war schon da nicht mehr, ob, sondern wann. Sofort oder erst im Juni.

Nahezu grotesk ist freilich, wie schnell sich der Wind drehen kann. Noch vor acht, neun Wochen war die Eintracht-Welt in bester Ordnung. Anfang März legte die Klubführung dem Trainer ein sehr viel besser dotiertes Angebot zur Vertragsverlängerung vor. Doch der Österreicher ließ die Frist verstreichen, kokettierte mit anderen Vereinen, was er dann aber vehement bestritt. Nur zwei Monate später würde keine der beiden Parteien auch nur einen Gedanken an eine weitere Zusammenarbeit verschwenden.

Es kam intern nicht gut an, dass der immer dünnhäutiger werdende Trainer seine Zukunft lange offenließ und sich nicht bekannte. „Es ist eine Debatte, die nicht wir begonnen haben als Klub“, sagte Vorstandssprecher Axel Hellmann am Sonntag. „Sie ist dadurch entstanden, dass unsere Offerte nicht angenommen worden ist.“ Auch das Team stutzte und wunderte sich. Das ließ Kevin Trapp unlängst relativ offen durchblicken. „Jeder muss wissen, was er vorhat. Wir sind nicht verantwortlich dafür, was der Coach macht.“

Der hat, zermürbt von den Misserfolgen, der Sieglosserie und der zunehmenden Kritik, seine Linie und seine Souveränität verloren. Innerhalb der Mannschaft hat Glasners Glaubwürdigkeit gelitten, nicht nur durch den Schlingerkurs der vergangenen Wochen und seine seltsamen öffentlichen Auftritte. Dass er, zum Beispiel, Nationalspieler Mario Götze wegen dessen ständiger Meckerei rüffelte und sich dann selbst eine sinnlose Rote Karte einhandelte, verwunderte nicht nur den Spieler selbst.

Auch Routinier Makoto Hasebe war nicht erfreut darüber, dass der Coach jetzt in Hoffenheim ausplauderte, er habe Blut im Urin gehabt. Zumal die leicht rötliche Färbung, wie es vonseiten der Eintracht heißt, wahrscheinlich eine andere Ursache (Rote-Bete-Saft) hat. „Es liefen bereits Untersuchungen, die auf einen Zusammenhang zwischen Urinverfärbung und Rote-Bete-Konsum hindeuten.“

Hasebe konsumiere diesen Saft täglich, vor den Partien in größeren Menge. Er habe auch keine Beschwerden gehabt und sei uneingeschränkt spielfähig gewesen – und spielte ja auch, dreimal 90 Minuten. Interessant in diesem Zusammenhang, dass sich das nicht rund um das Hoffenheim-Spiel zutrug, sondern eine Woche zuvor nach der Augsburg-Partie, also noch vor dem Pokalhalbfinale in Stuttgart. Weshalb Glasner, der in die Rote-Bete-Nummer sicher eingeweiht war, es dann überhaupt erzählte und auch noch zu diesem Zeitpunkt, ist schleierhaft.

Zudem: Einige Spieler stören sich an den zwei Gesichtern des Trainers. Mal stellte er sich schützend vor die Mannschaft, dann sprach er ihr die Qualität ab. Mal erklärte er, mal tobte er. Der Ausbruch auf der Pressekonferenz in Hoffenheim war das, was die Spieler intern nicht nur einmal erlebt haben.

Das alles bedeutet nicht, dass er kein guter Trainer ist. Das Gegenteil ist der Fall, er ist eine fachliche Koryphäe, denkt und lebt Fußball rund um die Uhr. Genau deshalb nervt ihn das Absacken am meisten, auch dass er keine Lösung gefunden hat, die Abwärtsspirale zu stoppen.

Generell war bei ihm schon länger eine gewisse Verdrossenheit zu spüren, er fremdelte mit der Ausrichtung des Vereins und mit der Personalpolitik. Im Winter hätte er statt eines Offensivtalents aus den Staaten (Paxten Aaronson) lieber einen gestandenen Verteidiger (Victor Lindelöf von Manchester United) geholt. Glasner hatte grundsätzlich Bedenken, dass die Mannschaft auseinanderbricht und nicht adäquat verstärkt wird. Und so bekommen seine in der FR im Dezember geäußerten Worte eine größere Bedeutung. „Wenn ich das Gefühl habe, ich bin noch am richtigen Platz, dann werde ich bleiben. Wenn nicht, dann nicht. Ich will, dass alle an einem Strang ziehen. Wenn das nicht so ist, wenn andere woanders hinwollen, dann ist das auch okay, aber dann passt halt Oliver Glasner nicht mehr dazu.“ Genau so ist es gekommen.

Da hinten ist der Weg zu Ende: Noch-Eintracht-Trainer Oliver Glasner.
Da hinten ist der Weg zu Ende: Noch-Eintracht-Trainer Oliver Glasner. © IMAGO/Michael Weber

Auch interessant

Kommentare