Eintracht-Trainer Oliver Glasner: Erstaunlich dünnhäutig

Die Krise von Eintracht Frankfurt macht auch nicht vor Trainer Oliver Glasner Halt, dessen öffentliche Auftritte irritieren.
Wir wissen jetzt nicht, wie sich Oliver Glasner beim osterlichen Eierpecken mit der Familie geschlagen hat. Das ist ein hübscher Brauch in diesen Tagen, bei dem man sich mit zwei Ostereiern duelliert und der verliert, dessen Ei als erstes Schaden nimmt - und das ist meist jenes, das den Angriff startet. Wer will, kann das ganz gerne auf Eintracht Frankfurt übertragen und folgern, die Defensive gewinnt, und weil der Defensive bei Eintracht Frankfurt derzeit immer wieder einfache, individuelle Fehler unterlaufen, gewinnen die Hessen eben kein Spiel mehr. Kann man so machen, muss man nicht.
Oliver Glasner wird es eher nicht machen. Der Trainer hat genug zu tun, sich einigermaßen unter Kontrolle zu halten. In dem Manne scheint es zu brodeln, zu beben, und selten hat ein Ausspruch so sehr nicht mit der Realität übereingestimmt, wie jener Satz, gesprochen nach einer nicht ganz unerwarteten, dennoch „unnötigen Niederlage“ (Sportvorstand Markus Krösche) am Samstag bei Bayer Leverkusen (1:3): „Ich bin entspannt.“
Da möchte man den Frankfurter Fußballlehrer mal lieber nicht erleben, wenn er angespannt ist.
Eintracht Frankfurt: „Nicht provozieren“
Gleich zweimal hat er nach der 1:3-Niederlage verschiedenen Reportern unterstellt, sie wollten ihn provozieren. Einmal noch in der Interviewzone in den Katakomben, als Sky-Fieldreporter Jens Westen die fünfte Gelbe Karte für Mario Götze - seine vierte in der Bundesliga wegen Meckerns - anzusprechen versuchte. Danach beendete der Coach das Gespräch, man wolle „nur provozieren“, wünschte noch „frohe Ostern“ und ging. Das zweite Mal beschied er einen Frankfurter Journalisten in der Pressekonferenz nach einer eigentlich harmlosen Frage zu der von Glasner selbst festgestellten „fehlenden Handlungsschnelligkeit“ seines Teams, er, Glasner, lasse sich „heute nicht provozieren“.
Er sagte das in aller Freundlichkeit, im Tonfall höflich und die Stimme keinesfalls laut. Aber ungewöhnlich war das schon, zumal man den 48 Jahre alten Trainer in seiner Zeit in Frankfurt als ausgesprochen eloquenten, angenehmen, zugewandten Menschen erlebt hat, der ohne Allüren ausgekommen war.
Aber dieses neuerdings Dünnhäutige ähnelte stark jenem Auftritt vor gut drei Wochen in Berlin, als er erst seine Defensive arg in den Senkel stellte („Qualität kann man nicht trainieren“) und dann in der Pressekonferenz kurz angebunden nur das Allernötigste von sich gab: „Alles, was ich heute sage, kann und wird gegen mich verwendet.“ Es sind solche Auftritte, gepaart mit einer gerne mal en passant eingestreuten Medienschelte („Man sollte sich Gedanken machen, ob es klug ist, von medialer Seite so zu agieren“), die verwirren, irritieren und kein besonders souveränes Bild nach außen transportieren. Der öffentliche Darstellung tut das sicherlich nicht besonders gut, ja es verstört auch deswegen, weil man das in den vergangenen 18 Monaten so überhaupt nicht gewohnt war vom sonst so sympathischen Österreicher.
Ganz offensichtlich nagt die bald zweimonatige Sieglosserie in der Liga gewaltig am ehrgeizigen Fußballlehrer. Eintracht Frankfurt ist nach drei Remis und drei Schlappen im Gerangel um einen internationalen Startplatz gehörig ins Hintertreffen geraten. Vor allem die Fallhöhe ist enorm, zum Jahresbeginn noch auf Platz vier mit besten Aussichten auf einen Champions-League-Platz - den man laut Vorstand Krösche verteidigen wollte - ist die Mannschaft durchgereicht worden, Tendenz weiter fallend. Glasner sieht natürlich, dass die Chancen von Woche zu Woche mehr schwinden. Klar ist: Eine sportliche Delle haben alle Teams im Verlauf einer Meisterschaft mal, erstaunlich ist, dass Eintracht Frankfurt da einfach nicht herauszukommen vermag. Was den Fußballlehrer vor allem fuchst, ist, dass sein Team stets von den gleichen Fehlern gebeutelt wird: Die Abwehr ist, egal in welcher personellen Zusammensetzung, nicht sattelfest, die Zweikampfwerte sind eher mittelmäßig bis mau, die Anfälligkeit bei Standards ist erschreckend, mit eigenen ruhenden Bällen weiß man wenig anzufangen, im letzten Drittel fehlt die Durchschlagskraft - wenn nicht Alleinunterhalter Randal Kolo Muani trifft und sehr viel häufiger als der Franzose kann man kaum treffen.
Eintracht Frankfurt:: Alles droht zu zerrinnen
Diese Fehler, Ungenauigkeiten, Schlampigkeiten ziehen sich durch die ganze Saison. Die Mannschaft lernt nicht aus ihren Aussetzern. Da kann man als Trainer schon mal fuchsteufelswild werden.
Andererseits probiert Trainer Glasner personell wenig Neues aus, gibt regelmäßig denselben Profis weitere Bewährungschancen, während andere Spieler es kaum auf Minuten bringen oder gar nicht erst in den Spieltagskader schaffen.
Dazu kommt die grundsätzliche Unsicherheit, wie groß der personelle Umbruch in der nächsten Saison ist, welches Team an den Start geht, auch die klubinternen Machtkämpfe, die außerhalb Frankfurts kein Mensch verstehen kann, nagen am Nervenkostüm des Trainers. Die Angst ist groß, dass den Frankfurtern alles zwischen den Händen zerrinnt, dass sich die Mannschaft alles einreißt, was sie sich im vergangenen Jahr aufgebaut hat.
Auch bei Glasner. Das macht dünnhäutig und strapaziert. Glasner weiß natürlich auch, dass er diesem Trend Einhalt gebieten muss, ihn umkehren sollte, die Elf wieder aufs richtige Gleis zu stellen, ist seine ureigenste Aufgabe als Trainer. Er muss Lösung aufzeigen, er muss den Weg weisen. Krisenbewältigung gehört eben auch zu seinem Anforderungsprofil. Ganz ohne Provokation. (Thomas Kilchenstein und Daniel Schmitt)