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Für Eintracht-Trainer Glasner ist es eine Frage der Perspektive

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Von: Daniel Schmitt

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Übte Standards nach dem eigentlichen Training, beim letzten Versuch zog’s im Oberschenkel: Philipp Max fehlt drei Wochen.
Übte Standards nach dem eigentlichen Training, beim letzten Versuch zog’s im Oberschenkel: Philipp Max fehlt drei Wochen. © dpa

Eintracht-Coach Glasner stellt sich vor dem Punktspiel gegen Mönchengladbach plakativ vor seine Spieler: „Jeder reißt sich den Arsch auf“.

Der Fußballlehrer Oliver Glasner gestattetet sich selbst den altbewährten Spickzettel. Darauf notiert: die Bundesliga-Endplatzierungen von Eintracht Frankfurt in den vergangenen „sechs glorreichen“ Spielzeiten, wie der Trainer formulierte - die da wären seit 2017: Tabellenelfter, -achter, -siebter, -neunter, -fünfter, -elfter. Unverrückbare Fakten.

Mit der Interpretation dieser ließ Glasner nicht lange auf sich warten. Er wies darauf hin, dass die aktuelle Lage, Rang sieben, ja nicht so mies sei wie von vielen bewertet, „nicht aus der Norm“ jedenfalls, ja sogar „eher im oberen Bereich“. Es sei die Draufsicht also eine der Perspektive. „Klar ist: Wir sind nicht glücklich über die letzten Ergebnisse, aber so etwas kann einem Verein wie der Eintracht immer passieren.“ Solch eine sechs Ligaspiele anhaltende Sieglosserie.

Der Trainer blickte auf der Pressekonferenz vor dem Heimspiel am Samstag gegen Borussia Mönchengladbach (18.30 Uhr/Sky) daher noch kurz zurück auf den letzten Gegner Bayer Leverkusen. Der habe nämlich nur zwei Punkte mehr geholt in der Liga und befinde sich wie die Eintracht (DFB-Pokal) noch in einem zusätzlichen Wettbewerb (Europa League). Dennoch seien die Stimmungslagen „so was von verschieden“. In Leverkusen hui, in Frankfurt pfui.

Und von dieser Stimmung rund um den Klub habe sich auch der interne Zirkel anstecken lassen. „Wir, und da nehme ich mich als Trainer nicht aus, haben uns in diese Negativstimmung gebracht.“ Dies beeinflusse alles, vor allem die Leichtigkeit, so dass es die „Challenge“ sei, das Negative wieder zum Positiven zu drehen. An Engagement, Teamgeist und Einsatzwillen der Mannschaft dürfe niemand zweifeln, auch von jenen Spielern nicht, die den Klub bald verlassen werden (Kamada, Ndicka) oder verlassen könnten (Kolo Muani, Lindström, Sow, Knauff). „Jeder, dafür lege ich meine Hand ins Feuer, ist mit großer Leidenschaft dabei. Aber es fällt uns gerade nicht leicht. Jeder einzelne im Klub reißt sich den Arsch auf, um erfolgreich zu sein.“

Als schließlich ein Reporter fragte, ob die derzeitige Tristesse auch ein Fluch der guten Tat sei, also des Erfolges in den vergangenen Jahren wegen, ob dadurch die Erwartungen intern wie extern nicht schlicht (zu) hoch angesiedelt würden, antwortete Glasner mit einem Kopfnicker und flankierte verbal: „Ja, genauso sehe ich das. Wir haben die Latte immer höher gelegt und jetzt ist sie so hoch, dass wir bei zwei von drei Versuchen gescheitert sind.“ Der 48-Jährige schmückte den Vergleich zum Hochsprung noch weiter aus: Trotz des Misserfolgs werde man die Latte nicht nach unten setzen, „sondern wir wollen im dritten Anlauf drüberspringen“.

Max verletzt, Ndicka fraglich

Die Einlassungen des Trainer waren durchaus plausibel, nachvollziehbar, wenngleich sie Dinge außen vor ließen. Zum einen, dass sich der Klub selbst im Winter die Ziele derart hoch gesteckt hat, den vierten Rang verteidigen wollte, vor allem in Person von Sportchef Markus Krösche. Zum anderen, dass die Frankfurter in den vergangenen Wochen die vermeintlich nur schwer zu überspringende Höhe nicht eben haarscharf gerissen hatten, sondern - um im Bild zu bleiben - eher unter der Stange durchhüpften. Ein Blick auf die Rückrundentabelle zeigt: zehn Punkte aus zehn Spielen, nur ein Zähler mehr als der Drittletzte, die Werte eines Abstiegskandidaten, alles in allem weit unter Norm, um Glasners Spickzettel-Statement aufzugreifen.

Doch der Optimist findet Argumente, die trotz der schlechten Entwicklung positiv stimmen können für die Restsaison: Die Eintracht hat in der Bundesliga in den verbleibenden sieben Partien viermal Heimrecht, unter anderem gegen Tabellennachbarn wie Gladbach oder später gegen Mainz und Freiburg. Dazu kommt das Spiel gegen keinesfalls übermächtige Augsburger. Selbst auswärts scheinen bei den Abstiegskandidaten aus Hoffenheim und Schalke Punktgewinne drin, dreifache sogar, einzig in Dortmund hängen die Trauben sehr hoch.

Warum sollte es bei diesem Restprogramm nicht möglich sein, den Bock umzustoßen und die zwei Pünktchen auf Leverkusen wettzumachen oder zumindest den siebten Platz zu verteidigen?

Obendrein ist da ja noch der DFB-Pokal, das Halbfinale gegen den tief im Abstiegskampf steckenden VfB Stuttgart, der, wer weiß, Anfang Mai vielleicht andere Prioritäten als den Einzug ins Cupfinale haben könnte. Dort würden mit Freiburg oder Leipzig schlagbare Mannschaften warten, zumindest in einem Spiel, in dem sowieso oft alles anders ist als im Alltag. Gute Gründe, die Saison nicht zu früh abzuhaken, die Köpfe oben zu belassen und - ganz entscheidend - das fußballerische Niveau merklich anzuheben.

Die Trainingswoche sortierte der Coach allerdings als „durchwachsen“ ein, was weniger an den Leistungen der Spieler lag, sondern mehr an dem sich füllenden Verletztenlager. So wird Linksverteidiger Philipp Max mit einer Oberschenkelblessur mindestens drei Wochen ausfallen, Jesper Lindström fehlt ohnehin, Mario Götze ist gelbgesperrt. Zudem steht hinter dem Einsatz von Evan Ndicka (muskuläre Probleme) ein Fragezeichen. Die Besetzung der Abwehr wird sich erst kurzfristig entscheiden. Christopher Lenz steht als einziger Linksfuß parat, zudem könnten Tuta oder Kristijan Jakic die Seite wechseln.

Dass die Eintracht derzeit ihr größtes Problem ist, machte auf der Pressekonferenz auch eines deutlich: Eine Nachfrage zum nächsten Gegner, wie sonst üblich, gab es diesmal nicht. Auch das: ziemlich außer der Norm.

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