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Eintracht Frankfurt und die Systemfrage: Von allem ein bisschen

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Von: Ingo Durstewitz

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Trainer Hütter hat „richtig Spaß an ihm“: Eintracht-Stürmer Bas Dost. © Jan Huebner

Die Eintracht sucht weiter ihr fußballerisches Gleichgewicht und wird daran wohl noch eine Weile arbeiten müssen. Trainer Adi Hütter verteidigt seine Arbeit und weiß: Am Ende ist doch alles eine Frage der Qualität.

Frankfurt - Die etwas andere Promo-Tour des Frankfurter Fußballlehrers Adi Hütter geht munter weiter. Nachdem er in der vergangenen Woche bereits zwei Termine, einen davon auf der von ihm eigentlich ungeliebten Social-Media-Plattform, dazu nutzte, um seine Sicht der Dinge darzulegen, legt er nun durchaus wortgewaltig nach. In Deutschlands größtem Boulevardmedium tritt der 50-Jährige die Flucht nach vorne an und versucht, den seit knapp zwei Wochen latent durchschimmernden „Mutlos-Vorwurf“ zu entkräften. Der wurmt ihn ohne Ende. Denn Verzagtheit mag der Österreicher gar nicht. „Ich werde immer mutig bleiben“, hat er unlängst der FR gesagt.

Nun also bringt Hütter via „Bild“ sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass ihm unterstellt wird, er baue zu wenige Spieler ein, die ihre Stärken in der Offensive, in Sturm und Drang haben. „Es ist ja nicht der Fall, dass wir nur mit einer Spitze, drei Sechsern und zwei Außenverteidigern spielen. Wir spielen jedes Mal mit zwei Spitzen, mit Kamada als Zehner und mit zwei sehr offensiven Flügeln“, sagt der Trainer und fragt rhetorisch: „Soll das mutlos sein?“

Hütter ist sogar der Ansicht, dass seine Mannschaft sehr offensiv agiere. „Wir könnten uns auch hinten reinstellen und versuchen, mal einen Konter unterzubringen. Aber dann muss man einen anderen Trainer holen. Dafür bin ich nicht der Richtige. So habe ich Fußball nie gedacht.“ Fakt ist aber auch, dass der Coach seine Ideale schon lange an die Realität angepasst hat. Das ist nicht schlimm, sondern zeichnet einen guten Trainer aus.

Sehr viel interessanter als seine pauschale Rechtfertigung ist aber seine etwas tiefer gehende Ausführung in punkto Spielsystem und Analyse. Denn da wird, wenn man die Worte interpretiert, deutlich, dass sich seine Mannschaft in einem gewissen Ungleichgewicht befindet, frei nach dem Motto: Von allem ein bisschen, aber nichts so ganz. „Ich habe das Gefühl, dass uns immer mehr Mannschaften den Ball überlassen. Ballbesitz bedeutet, dass der Gegner auf Fehler lauert und kontert. Mehr Ballbesitz ist aber nicht unbedingt unsere Absicht, weil es dann schwerfällt, immer gute Lösungen zu finden. Wir sind da in einer Findungsphase.“ Mit anderen Worten: Fußballerisch ist seine Mannschaft nicht gut genug, um einen Kontrahenten aus den Angeln zu heben, da fehlen die technischen Fähigkeiten, die Ideen und die Kreativität. Es ist, kurzum, eine Frage der Qualität.

Und doch hat Hütter gar keine andere Wahl, als seine Mannschaft auf diesem Sektor irgendwie aufs nächste Level zu hieven, denn eine Kontermannschaft, nächster Punkt, ist die Eintracht schon lange nicht mehr. Dazu fehlt ihr die Geschwindigkeit. „Wenn wir tief hinten drin stehen, haben wir einen langen, langen Weg nach vorne“, räumt der Fußballlehrer ein. „Und da fehlt uns doch die hundertprozentige Schnelligkeit.“ Dieses Problem hat Hütter schon lange erkannt, doch auch im Sommer ließ es sich nicht beheben, weil sich die Transfers mit den avisierten Tempospielern nicht realisieren ließen – das liebe Geld.

Hinten viel zu sorglos

Und so ist sein Team, gerade gegen eher aufs Verhindern ausgelegte Opponenten, dazu verdammt, das Spiel zu machen – das gelingt mal besser und mal weniger gut, aber ohnehin nie über eine längere Strecke, sprich ein ganzes Spiel. Zu Torchancen, das ist das Positive, kommt die Eintracht trotzdem.

Sie ist durch die hohen Ballbesitzphasen (samt Fehleranfälligkeit durch technische Defizite oder Passungenauigkeit) und eine zumeist weit aufgerückte Hintermannschaft aber auch anfällig für Gegentore, die nicht selten nach einfach gestrickten Angriffsmustern des Kontrahenten fallen. Die Verantwortlichen sind überdies ob der Sorglosigkeit der Spieler bass erstaunt, zuweilen scheint es, als könnten sie Gefahren nicht erkennen oder erst dann, wenn es zu spät ist. Auch das zieht sich wie ein roter Faden durch die Saison und auch die letzte nach dem Re-Start.

Zur Disbalance trägt auch bei, dass das Pressing nicht funktioniert wie gewünscht. Und auch um die sogenannten zweiten Bälle zu gewinnen, bedarf es eines kollektiven Anrennens – auch das bekommt sein Ensemble nur sporadisch hin. Zudem sind beide Stürmer keine prädestinierten Spieler für dieses System. In der Analyse der abgelaufenen Spielzeit hatte Hütter das bereits als Schwachpunkt ausgemacht. „Damals hatten wir mit Haller, Jovic und Rebic die Typen dafür, die bedingungslos drauf gegangen sind, das war auch ein Zeichen für die anderen. Diese Dynamik fehlt uns ein bisschen.“ Daran hat sich nichts geändert. Im Gegenteil: Durch den wochenlangen Ausfall von Powerbündel Filip Kostic hat sich dieser Trend noch verstärkt.

Und doch ist der Trainer mit seinen Stürmern zufrieden, gerade Bas Dost kommt ihm in der öffentlichen Wahrnehmung zu schlecht weg. Der Niederländer überlasse etwa Sturmpartner André Silva stets die Ausführung der Elfmeter, obwohl er selbst ebenfalls ein absolut sicherer Schütze sei. Generell liegen „Welten“ zwischen seiner Verfassung in der letzten Saison und der aktuellen. „Ich habe richtig Spaß an ihm, und wie er als Führungsspieler die Mannschaft pusht, ist große Klasse.“

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