Oliver Glasner – der König von Frankfurt
FR-Serie, zehnter Teil: Eintracht-Trainer Oliver Glasner schafft in Sevilla auch sein ganz persönliches Husarenstück.
Frankfurt – Es ist einer dieser Momente, in denen der Körper nicht mehr weiß, was der Kopf von ihm will. Und umgekehrt. Heraus kommt ein Mann, 47, verheiratet, drei Kinder, mitten im Leben stehend, der scheinbar verwirrt durch die Gegend rennt. Hochroter Kopf, durchgeschwitztes, blaues Polo-Hemd, ein die Emotionen nicht mehr einfangen könnender und wollender Oliver Glasner.
Kurz zuvor erlebt der Fußballtrainer von Eintracht Frankfurt das Elfmeterschießen im Europa-League-Endspiel von Sevilla äußerlich noch verhältnismäßig kontrolliert, er ballt die Fäuste, redet mit seinen Assistenten, dann aber eskaliert er. Der Schuss von Rafael Borré zappelt kaum im Netz, da stürmt Glasner los. Erst in Richtung der Spieler auf dem Platz. Schneller, immer schneller. Doch auf halbem Wege ein abruptes Stoppen, eine Drehung, der Lauf genau dorthin, wo er herkommt. Wohin nur mit all den Glücksgefühlen? In den folgenden Stunden und Tagen steckt er sie in feuchtfröhliche Feierei – in Sevilla, in Frankfurt, im Bierkönig zu Mallorca.
Glasners Europareise mit Eintracht Frankfurt begann trist
Ja, es waren intensive Momente, die Oliver Glasner, der immerhin auch schon zehn Jahre im Trainergeschäft werkelt, derart stark noch nie gespürt hat, die ihn einfach überkamen, unwissentlich, was er mit ihnen anstellen sollte. Er ließ ihnen dann freien Lauf.

Dabei hatte die Frankfurter Europareise für Glasner im vergangenen September ziemlich trist begonnen - hoch droben auf der Tribüne im Waldstadion. Noch aus Wolfsburger Zeiten war der Österreicher gesperrt für das Europa-League-Heimspiel der Eintracht gegen Fenerbahce Istanbul, die Assistenten Michael Angerschmid und Ronald Brunmayr vertraten ihn an der Seitenlinie. „Es war hart für mich in der Loge“, verriet Glasner nach dem 1:1 gegen die Türken, das er, der Chef, rückblickend als „sehr bedeutend“ für den späteren Titeltriumph einstuft. Damals, so Glasner, hätte sich erstmals der enorme Teamgeist ausgezahlt, als die Frankfurter am Rande einer Niederlage standen und nur mit viel Glück und einem Strafstoß parierenden Kevin Trapp den Punkt retteten.
Eintracht Frankfurt gewinnt Europa League – Oliver Glasners Husarenstück
Beim Finale in Sevilla schließlich schaffte auch Oliver Glasner sein ganz persönliches Husarenstück, ohne dafür besonders tief in die Trainer-Trickkiste zu greifen. Der Coach, der dauerhaft am Spielfeldrand dirigierte und sich so auch ein Stück weit von seiner eigenen Nervosität befreite, stellte seine Mannschaft so ein wie immer, routiniert, detailliert, taktisch ohne großartige Überraschungen für den Gegner und die eigene Elf. Ob das abgespielte Motivationsvideo im Vorfeld der Partie einen tatsächlich Effekt auf die Leistung hatte, sei dahingestellt bei ohnehin bis in die Haarspitzen motivierten Final-Fußballern.
Glasner jedenfalls ahnte, dass die größtmögliche Siegchance darin bestehen sollte, möglichst wenig an der vorherigen Erfolgsformel zu verändern, nur situativ zu reagieren beispielsweise auf Verletzungen. Nicht taktieren, nicht probieren, einfach laufen lassen. So wie es der Kopf seinem Körper nach dem finalen Schuss befahl, und umgekehrt. (Daniel Schmitt)