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Eintracht-Gegner SSC Neapel: Emporgestiegen aus dem Nichts

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Von: Daniel Schmitt

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Victor Osimhen und Khvicha Kvaratskhelia tragen die SSC Napoli durch die Erfolgssaison. Jetzt treffen sie auf Eintracht Frankfurt.

Frankfurt - Victor Osimhen, diese furchteinflößende Gestalt von einem Fußballer, 1,86 Meter groß, gefühlt genauso breit, schwarze Maske infolge derer 20 Gesichtsbrüchen, ist ein netter Kerl. Sagen sie in Wolfsburg, in Charleroi, in Lille, in Neapel, für die er jetzt spielt und damit auch an diesem Dienstag (21 Uhr/Amazon Prime) gegen Eintracht Frankfurt.

Erfolgsduo: Khvicha Kvaratskhelia (l.) und Victor Osimhen prägen das Spiel des SSC Neapel. dpa
Erfolgsduo: Khvicha Kvaratskhelia (l.) und Victor Osimhen prägen das Spiel des SSC Neapel. © dpa

Der äußerlich Auffällige, der seine dunklen Haare gerne erblonden lässt, der Tore exaltiert bejubelt, sei auf dem Platz ein ganz anderer Typ als abseits, heißt es. Im Privaten, in der Kabine, berichten ehemalige wie aktuelle Mitspieler, sei er ruhig, bodenständig. Einer, der weiß, wo er herkommt - nahezu aus dem Nichts.

Victor Osimhen lenkte sich mit Fußball vom Nichts seiner Heimat ab

So nämlich, nach dem Nichts, habe sich das damals angefühlt in Lagos, Nigeria, erinnert sich Victor Osimhen. Die Slums der Millionenmetropole waren sein Zuhause. Seine Mutter verstarb, da war er ein kleiner Junge, sein Vater verlor seinen Job, die Familie den Boden unter den Füßen und in manchen Zeiten das Dach über dem Kopf. Die Geschwister fütterten sich gegenseitig durch, der Bruder bot Zeitungen an, die Schwester handelte mit Orangen, Victor meist mit Wasser - und er spielte Fußball, immer, überall, wo es ging. Einer seiner Lieblingsplätze lag am Rande einer Müllhalde. Dort sammelte er sich seine Schuhe zusammen. „Manchmal kam es vor, dass du am rechten Fuß einen Nike- und am linken einen Reebok-Schuh getragen hast“, beschrieb Osimhen. Ihm war’s egal. Hauptsache Ablenkung vom Nichts.

Und irgendwann kam die Chance, jene als Weg in ein besseres Leben. Der jugendliche Osimhen schaffte den Sprung in die „Ultimate Strikers Academy“ von Lagos, durfte ran für die U17 des Landes, schoss sich bei der Junioren-WM 2015 zum Torschützenkönig und auf die Zettel europäischer Scouts. Er entschied sich für Wolfsburg, wollte nicht zu groß starten, sondern geduldig das Abenteuer Europa angehen. Doch: Verletzungen, Malaria-Infektion, ein Klub in der Krise - der Aufstieg war gestoppt, noch ehe Osimhen mit seinen riesenhaften Füßen, Schuhgröße 46, Spuren hinterlassen konnte.

Victor Osimhen ist mittlerweile einer der gefragtesten Torjäger der Welt

Rund wird die (Leidens-)Geschichte dadurch, dass er heute, fünf Jahre später, einer der gefragtesten Torjäger der Welt ist. Eine Erscheinung im neapolitanischen Sturm, der den Maradona-Klub nach 33 titellosen Jahren mit seinen Toren (bisher 18 in der Liga, eins in der Champions League) zu eben jenen führen will. „Nestwärme“ habe er für die rasante Entwicklung gebraucht, sagte Osimhen über seine Zeit bei RSC Charleroi in Belgien, die sich an jene in Wolfsburg anschloss und die Karriere des mittlerweile 24-Jährige aufleben ließ. Über Lille ging es 2020 nach Neapel. Insgesamt 104 Millionen Euro sind bei Transfers des nigerianischen Nationalspielers (23 Spiele/15 Tore) bereits geflossen, eine ähnliche Summe müsste im Sommer ein Großklub aufbringen, will er Osimhen in seinem Team wissen.

Doch er fühle sich wohl in Neapel, sagt der Profi, was nicht schwer ist in diesen Zeiten, spielt der Verein vom Vesuv doch berauschenden wie erfolgreichen Fußball. Der Scudetto ist der Mannschaft von Trainer Luciano Spalletti kaum zu nehmen - und auch in Europa hängen die Träume hoch. Der Henkelpott - nicht ausgeschlossen. In der Gruppenphase überrannte Neapel die Gegner, im Achtelfinale gegen die Eintracht sind die Italiener klarer Favorit.

Die SSC Napoli verfügt über ein herausragendes Kollektiv

Die SSC verfügt über eine gute Mannschaft, ein herausragendes Kollektiv: Da wären der verlässliche Kapitän Giovanni Di Lorenzo als Rechtsverteidiger, der Abräumer auf der Sechs, Stanislav Lobotka, oder der Raumdeuter im Mittelfeld, Piotr Zielinski - gute Fußballer, keine Weltstars.

Den Status als absolute Topkraft verdienen sich zwei andere: Victor Osimhen und dessen hauptamtlicher Zuarbeiter Khvicha Kvaratskhelia. Der Georgier, 22, ist erst seit kurzem ein fußballerische Attraktion, dafür aber die spannendste der Serie A. Vor vier Jahren verließ er seine Heimat, wechselte nach Russland. Erst Moskau und Kasan, dann der Krieg und der Wechsel zurück nach Georgien, wo er in der Restsaison 2022 in elf Spielen acht Tore erzielte.

Längst hatte sich Neapel darob die Dienste des Linksaußen gesichert, ihn für zehn Millionen verpflichtet. Bestens angelegtes Geld, Kvaratskhelia ist jeden Euro wert. Seine aktuelle Bilanz: wettbewerbsübergreifende zwölf Tore und 14 Torvorlagen. Die Nummer 77 ist der perfekte Gegenpart zu Osimhen, verspielter und wuseliger, kleiner und schmaler, und doch genauso furchteinflößend für die Gegner. (Daniel Schmitt)

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