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Nervenspiel in der Eintracht-Festung

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Von: Ingo Durstewitz

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Mijat Gacinovic
Vielleicht hilft ja beten: Mijat Gacinovic ist mit Eintracht Frankfurt gegen Donezk gefordert. © dpa

Der Ausgang des K.o.-Duells gegen die selbstbewussten Ukrainer aus Donezk könnte den Saisonverlauf beeinflussen.

Bevor die Frankfurter Fußballer auf die hell ausgeleuchtete internationale Bühne treten und zum zweiten Mal binnen einer Woche die Kräfte mit den besten Vereinsspielern aus der Ukraine messen, treffen die hohen Herren beider Klubs auf anderem Terrain zusammen. Es ist guter Brauch, die Delegation des Europapokal-Gegners zu einem festlichen Mahl einzuladen, die Eintracht hält stets direkt am Main Hof, in der altehrwürdigen Gerbermühle bewirtet und umgarnt sie ihre Gäste. Natürlich wurde die Frankfurter Entourage vor dem Hinspiel in Charkiw von den Donezk-Verantwortlichen ebenfalls zu einem Bankett gebeten, es war, so hört man, ein netter, unterhaltsamer Abend, der aber, wie Vorstand Axel Hellmann erzählt, über freundliches Abtasten auf Smalltalkniveau hinausging. Die Gastgeber präsentierten sich, wie auf dem Feld, sehr offensivstark.

Die Schachtjor-Funktionäre, berichtet Hellmann, hätten den Eintracht-Vertretern zu verstehen gegeben, dass man den hessischen Verein und seine Mannschaft sehr schätze, aber es schade sei, dass die Eintracht ausgerechnet Donezk zugelost bekam. „Sie haben uns deutlich gemacht, dass sie die Europa League gewinnen wollen und sich auch für die beste Mannschaft des Wettbewerbs halten“, bekundet der 47-Jährige und gibt die Worte der Bosse wider: „Pech für Euch, dass Ihr auf uns getroffen seid, Ihr seid ein toller Teilnehmer.“ Da haben die Gäste aus Deutschland verdutzt geschaut. „Wir saßen da und dachten: Meine Herren, die haben aber Selbstvertrauen.“

Donezk mit Ambitionen

Wer sich brasilianische Topakteure wie Marlos, Ismaily oder Kapitän Taison leisten kann, der hat offenbar große Ambitionen und auch das nötige Kleingeld, Starspieler Taison wird der Winter in der Ukraine mit 6,5 Millionen Euro versüßt. Die Rede ist hier von einem Nettoverdienst. Damit streicht der 31-Jährige mehr ein als etwa Franck Ribery, Jerome Boateng oder Mats Hummels. Qualität kostet halt ein bisschen was.

Eines aber fürchten die Gäste aus Donezk, das ist die prickelnde Atmosphäre in der Arena im Stadtwald. „Sie haben Riesenrespekt vor unserem Hexenkessel“, sagt Hellmann. Die Europapokalbilanz der Eintracht zu Hause kann sich sehen lassen, das Stadion im Stadtwald ist eine Festung. In den letzten neun Partien blieb sie ungeschlagen, konnte sieben davon gewinnen, keine Punkte gab es letztmals im Oktober 2006 beim 1:2 gegen Palermo. Lange her.

Bei einer Niederlage am Donnerstagabend (18.55 Uhr/RTL Nitro und Dazn) im Rückspiel gegen Donezk wären die Frankfurter raus aus dem Wettbewerb, der ihnen so viel bedeutet. Das 2:2 von vor acht Tagen ist ein gefährliches Ergebnis, an der Ausgangsposition hat sich nicht viel verändert, die Chancen werden allgemein als fifty-fifty eingeschätzt. Für die Eintracht ist die Partie eminent wichtig, sie will mit aller Macht ins Achtelfinale, das schon am Freitag ausgelost und am 7. sowie 14. März ausgespielt wird.

Die zusätzliche Belastung würde die Mannschaft gerne auf sich nehmen, die internationalen Auftritte haben höchste Priorität. „Wir haben Hunger auf mehr“, sagt Hellmann und wiederholt: „Europa ist in der DNA von Eintracht Frankfurt.“ Daher wird er sich auch morgen wieder in seinen eigens angefertigten Europa-League-Anzug werfen, in dessen Jacket auf der Innenseite das Eintracht-Wappen, der Pokal und die Aufschrift „Zu Hause in Europa“ eingestickt ist. Den feinen Zwirn haben alle Aufsichtsräte und Vorstände bekommen, auch „um zu symbolisieren, dass diese Tage für uns Feiertage sind. Wir wollten damit auch ein Signal an die Mannschaft senden“. Diese Ernsthaftigkeit und Haltung, davon ist Hellmann überzeugt, habe sich auf das Team und den gesamten Verein übertragen. „Wir zelebrieren Europa so stilvoll es geht.“

Ein Duell der Nerven

Das wird registriert und angenommen, die Hütte ist ausverkauft, alle Tickets bis zu einem möglichen Halbfinale sind bereits verkauft. Und auch die TV-Zuschauer sind heiß auf die Eintracht, das Hinspiel in Charkiw bescherte Nitro eine Rekordquote von 1,74 Millionen Schauer, was einem Marktanteil von 7,7 Prozent entspricht. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Marktanteil des Senders liegt bei 1,7 Prozent.

Natürlich weiß die Führungsriege der Eintracht, dass es nicht nur um die nächste Runde gehen wird, der Ausgang der Begegnung könnte den weiteren Saisonverlauf entscheidend beeinflussen. Es steht einiges auf dem Spiel, es ist auch ein Duell der Nerven.

Ein Knockout im Sechzehntelfinale könnte dem Eintracht-Ensemble sehr wohl einen Knacks geben, gerade weil man eine bessere Ausgangslage im Hinspiel verschenkt hat und die europäischen Auftritte einen solch hohen Stellenwert einnehmen. Die Gefahr ist da, dass die Mannschaft in ein Loch fallen würde, aus dem sie wieder mühsam heraus kraxeln müsste. Mental wäre das Aus, gar keine Frage, ein absoluter Tiefschlag – auch wenn es immer darauf ankommt, wie man sich verkauft. Nach dem dramatischen 3:3 gegen Porto im Februar 2014 und dem K.o. ist die Mannschaft gefeiert worden und konnte drei Tage später einen erlösenden 2:1-Erfolg gegen Stuttgart feiern.

Sollten die Frankfurter andererseits morgen ins Achtelfinale einziehen, würde das dem Team einen riesigen Schub und enormen Rückenwind geben. Ein Weiterkommen wäre von einiger Bedeutung, gerade jetzt, da man in der Liga durch die vielen Unentschieden so ein bisschen auf der Stelle tritt, zwar drei Punkte mehr geholt hat als zum vergleichbaren Zeitpunkt der Hinserie, aber sich irgendwie noch nicht so recht gefunden hat und nach der Leichtigkeit aus dem Herbst des alten Jahres sucht. Positive Momente und Erfolgserlebnisse, das sagt auch Coach Adi Hütter, sind wichtig für eine Mannschaft. „Dann wächst das Selbstvertrauen, dann geht vieles einfacher.“ Zurzeit sei es eher so, dass sich seine Elf alles „hart erarbeiten“ müsse.

Schlüsselerlebnisse hat es für die Eintracht in dieser Saison schon zwei gegeben, immer, wenn richtig Druck auf dem Kessel war gar, zum einen das überraschende 2:1 bei Olympique Marseille und zum anderen das 4:1 gegen Hannover 96. Nach dem morgigen Euro-League-Duell gegen Donezk geht es am Sonntag zum Vorletzten aus Hannover – vielleicht ist es an der Zeit für eine Initialzündung in doppelter Ausführung.

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