Timothy Chandler: „Es war nicht alles Gold, was wir auf den Platz gezaubert haben“

Eintracht-Urgestein Timothy Chandler über Mentalität, spielerische Armut und die Schwierigkeit, Spieler für die rechte Außenbahn zu finden.
So langsam muss sich Timothy Chandler, 31, Gedanken machen, was er nach seine Profikarriere machen möchte. Ideen hat der dienstälteste Spieler bei Eintracht Frankfurt allemal. Im nächsten Jahr will er, gemeinsam mit Teamkollege Sebastian Rode, einen Trainer-Lehrgang besuchen, ähnlich wie das jetzt schon Altmeister Makoto Hasebe vorhat. „Ich freue mich schon, ihn auf der Trainerbank zu sehen“, sagte Chandler am Mittwoch nach dem Training im kleinen Kreis. Der Familienvater nahm sich Zeit, Rede und Antwort zu stehen zu...
. ..den nächsten Aufgaben, allesamt gegen Mannschaften aus der oberen Hälfte, gegen die sich Eintracht Frankfurt bislang immer leichter getan hat: Ich gebe immer ungern Prognosen aus, wie viele Punkte wir holen oder wie wir abschneiden werden. Wir wissen, dass nicht alles Gold war, was wir in den letzten Wochen auf den Platz gezaubert haben. Aber: Wir dürfen weiterhin nicht diese Mentalität vermissen lassen, die uns in den letzten Wochen ausgezeichnet hat. Wir wissen, dass wir fußballerisch nicht das Niveau erreicht haben wie früher, daran müssen wir arbeiten. So lange aber die Mentalität stimmt, mache ich mir keine Sorgen.
...zu den von Trainer Glasner prognostizierten „kleinen Schritten“ bis Weihnachten: Kleine Schritt sind wichtig, wir müssen uns in kleinen Schritten verbessern, und nicht glauben, alles mit einem Mal erreichen zu können. Klar: Wir wollen immer mehr, mehr, mehr, aber brauchen dafür Geduld.
. ..zu seinem Gefühlen nach der ersten sehr schwachen Halbzeit gegen Fürth: Da kann man in der Tat schon verzweifeln. In Fürth sind viele Spieler vielleicht mit dem Gedanken reingegangen: Heute musst du gewinnen. Dann ist man nicht so locker im Kopf und kriegt das nicht so einfach raus. Natürlich wollen wir Spieler das immer wegschieben, aber jeder fragt sich schon, wie kann so eine Halbzeit passieren. Noch dazu ein paar Tage nach dem Sieg in Piräus. Manchmal macht man sich auch zu viele Gedanken. Gut ist, dass wir wissen, bis zur letzten Sekunde kann immer alles möglich sein.
...zu den Gründen der momentanen spielerischen Armut: Es ist ein bisschen Unsicherheit dabei. Wir haben einen neuen Trainer, neue Spieler, es ist einiges umgestellt worden. Daran muss man sich erst gewöhnen. Aber die Jungs arbeiten gut. Wenn ich sehen würde, es liefe anders, würde ich sagen, wir haben ein Problem, aber so ist es nicht. Ich habe Vertrauen in die Mannschaft und: Die Qualität werden wir noch ausspielen. Aber solange das noch nicht da ist, muss es uns darum gehen, über gewonnene Zweikämpfe ins Spiel zu kommen.
. .. dem Phänomen, häufig anfangs nicht richtig auf dem Platz zu sein und frühe Gegentreffer hinnehmen zu müssen: Das ist jetzt aber nicht neu bei uns. Das hatten wir schon viele Jahre so, dass wir früh hinten lagen und dann erst aufkommen. Das zeigt aber: Wir kommen zurück, never give up.
...wie er mit Kritik umgeht: Kritik kann ich gut ab, etwa nach dem Hertha-Spiel, als mir vorgehalten wurde, zu hoch zu stehen. Das ist okay. Damit habe ich kein Problem. Für mich ist das keine große Sache, damit muss man umgehen lernen. Ich bin von Null gekommen, habe gute Spiele gemacht, die wir auch gewonnen haben. Es ist immer entscheidend, was ich auf dem Platz bringe.
...zur misslichen Situation auf dem rechten Flügel, wo sich bislang kein Spieler einen Stammplatz erkämpfen konnte.
Im Grunde ist diese Position nicht kompliziert zu spielen. Wie auf der anderen Seite auch. Wir haben viele Spieler, die diese Position anders interpretieren. Die Erwartung bei vielen draußen ist doch, jeder müsste genauso spielen wie Filip Kostic. Aber das geht nicht: Ich bin Timmy, ich spiele meinen Fußball, ich helfe der Mannschaft so, wie ich kann. Vergleiche zu unterschiedlichen Spielern zu ziehen, halte ich für schwierig, weil jeder ein Individuum ist. Und man muss bedenken: Wenn Filip Kostic offensiv links spielt, kann Erik Durm auf rechts nicht auch noch so offensiv agieren. Fest steht: Es gibt auf dieser Position rechts momentan keine Konstante und die, die dort vom Trainer nominiert wurden, versuchen ihr Bestes und geben Gas. Es hängt ja auch immer damit zusammen, welche Kriterien der Trainer welchem Spieler bei welchem Spiel vorgibt.
...zum Hinweis, womöglich verstehe sich die Mannschaft zu gut, sei zu brav : Wir helfen uns untereinander, sprechen uns untereinander Mut zu, das finde ich richtig. Wenn es jetzt knallen würde oder einer kritisiert den anderen hart, das würde bei uns nicht reinpassen. Dass wir uns gegenseitig helfen, finde ich super.
...seinem Rückblick auf das letzte halbe Jahr mit den zahlreichen personellen Umbrüchen: Die letzten Monate der Rückrunde und der Sommer waren natürlich sehr turbulent. Es gab Zirkus oben (in der Geschäftsstelle, d. Red.), ein neuer Trainer, es herrschte einiges an Tohuwabohu. Ich war immer entspannt, die Stimmung war super in der Kabine. Ich bin weiterhin zuversichtlich, wir werden unsere Qualität schon noch zeigen.
Aufgezeichnet: Thomas Kilchenstein