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Eintracht-Trainer Glasner grollt vorm Bayern-Hit: „Müssen Boden unter die Füße bekommen“

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Von: Ingo Durstewitz

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Eintracht-Trainer Oliver Glasner prangert vor dem großen Bayern-Spiel eine überzogene Erwartungshaltung an.

Frankfurt - Irgendwann wurde es Oliver Glasner zu bunt, irgendwann hatte er das bestimmte Gefühl, seinem Herzen Luft machen zu müssen. Also ignorierte der Trainer von Eintracht Frankfurt vor dem großen Bayern-Spiel am Samstag in München-Fröttmaning (18.30 Uhr/Sky) geflissentlich eine ihm gestellte Frage und setzte stattdessen zu einem kurzen Grundsatzreferat an, das man mit Fug und Recht als flammenden Appell bezeichnen kann.

Oliver Glasner ging es um die Wahrnehmung seiner Mannschaft, um Ansprüche, Erwartungen und Realitäten, irgendwann sagte er also mit Nachdruck: „Ich finde, es ist wichtig, dass wir alle mal wieder einen Schritt zurückgehen und den Boden unter die Füße bekommen.“ Die Pressekonferenz hatte er schon kurz zuvor süffisant mit den Worten eröffnet: „Entschuldigung, dass wir keine 40 Punkte in der Hinrunde geholt haben, das ist brutal enttäuschend.“

Ganz offenkundig ist er mit der generellen Bewertung der Leistung seines Teams beim Auswärtsspiel in Freiburg (1:1) nicht einverstanden, und auch mit der Gesamteinschätzung des Erreichen geht er nicht konform. Der 48 Jahre alte Fußballlehrer ist der Meinung, dass latent „das Gefühl vermittelt wird, es ist immer noch zu wenig“.

Auf ihn wird es in München wieder ankommen: Torwart Kevin Trapp. Foto: Imago Images
Auf ihn wird es in München wieder ankommen: Torwart Kevin Trapp. Foto: Imago Images © imago

Glasner fordert Demut und Bescheidenheit ein

Dabei, führt er aus, habe seine Mannschaft die beste Hinrunde seit Einführung der Drei-Punkteregel gespielt (31 Zähler), ergo „einen Rekord aufgestellt“, sie hat sich im Pokal durchgesetzt und sogar in der Champions League, sie gehe in jedem Spiel an ihre Grenzen oder darüber hinaus, sei gegen Schalke 04 sechs Kilometer mehr gelaufen als der Gegner, „der mit dem Rücken zur Wand steht“. Sie gehe jedes Duell mit „Leidenschaft und Inbrunst“ an. „Da kann man ruhig mal sagen: Jungs, Daumen hoch, habt ihr toll gemacht.“ Sein Ensemble habe, alles in allem, „Großartiges, Herausragendes“ geleistet.

Stattdessen werde er das Gefühl nicht los, dass noch immer gemäkelt und stets mehr verlangt würde. „Das stört und ärgert mich, weil es den Leistungen der Jungs nicht gerecht wird.“ Natürlich, räumt der Österreicher ein, sei die Eintracht noch nicht in Bestform, auch das Spiel in Freiburg sei nicht das Gelbe vom Ei gewesen. Doch selbst wenn es nicht perfekt laufe, „werfen sich die Jungs immer in alles rein“, und man dürfe doch nicht ernsthaft denken, dass man mal eben ganz locker in den Schwarzwald fahre, „80 Prozent Ballbesitz und die totale Dominanz hat, den SC Freiburg in Grund und Boden spielt und mit 4:0 aus dem Stadion schießt“.

Glasner ist das alles zu viel, er fordert Demut und Bescheidenheit ein. „Wir sind nicht der Nabel des europäischen Fußballs, wir sind nicht die, die jede Mannschaft aus dem Stadion schießen muss. Da tun wir unseren Spielern unrecht.“ Im Übrigen sei auch im alten Jahr nicht alles rosarot gewesen. „Auch im glorifizierten Herbst war nicht jedes Spiel ein Fußballfest.“ Musste mal gesagt werden. Öffentlich, damit es jeder hören kann.

Und doch ist es ja auch so, dass nicht nur extern Kritik an den jüngsten beiden Spielen geübt wurde, auch Sportvorstand Markus Krösche ging relativ hart mit dem Team ins Gericht. Und die Annahme, dass irgendjemand die Gesamtleistung der Eintracht nicht anerkennen und würdigen würde, ist Nonsens. Das weiß Glasner sicherlich auch.

Er wehrt sich halt gegen Überzogenes, niemand solle Wunderdinge erwarten, die deutsche Meisterschaft etwa. Als Titelkandidat und Bayern-Jäger war die Eintracht zuletzt häufiger gehandelt worden. Das hat intern nicht jedem gefallen. Doch was wohl erst passieren würde, sollte die Eintracht am Samstag tatsächlich ihren Coup aus dem Herbst 2021 wiederholen können, als sie letztmals in Fröttmaning antrat und die Bayern dank eines überragenden Torwarts Kevin Trapp und eines typischen Filip-Kostic-Tores kurz vor Schluss mit 2:1 düpieren konnte. Der Stempel als Bayern-Verfolger wäre den Hessen sicher.

Glasner ist am Freitag sogar gefragt worden, ob er die Eintracht mit den Bayern auf Augenhöhe sehe. Er zählte da erst mal ein paar Superlative auf: Von 25 Pflichtspielen hätten die Münchner nur eins verloren, alle sechs Champions-League-Partien gewonnen, unter anderem gegen Inter Mailand und den FC Barcelona, „sie sind seit zehn Jahren deutscher Meister“, rundet Glasner ab. „Ich weiß nicht, wie wir da mit ihnen auf Augenhöhe sein sollen.“ Den wirtschaftlichen Aspekt erwähnte er nicht eigens. Die Bayern stecken mehr als 350 Millionen Euro in ihre Spieler – etwa fünfmal so viel wie die Eintracht. Noch Fragen? „Unser Ziel ist, international zu spielen, aber nicht, Bayern München zu überholen“, betont der Fußballlehrer. Doch das Ziel am Samstag ist ganz klar: „Wir wollen in München gewinnen.“ Auch wenn es, wie der Trainer einwirft, „leichtere Aufgaben“ gibt.

Zurück im Tor: „Benötigen herausragenden Kevin Trapp“

Seine Mannschaft müsse, na klar, „mit Mut, Energie und Überzeugung“ auftreten, hinten kompakt stehen und vorne die sich bietenden Räume nutzen. „Es ist wichtig, dass wir uns befreien und die Laufduelle für uns entscheiden können.“ Den Kasten wird, anders als in Freiburg, der kränkelnde Nationalkeeper Kevin Trapp hüten, der zwar noch etwas hustet und verschnupft ist, aber grünes Licht gegeben hat. „Wir werden einen herausragenden Kevin Trapp benötigen.“

Glasner hofft generell auf den Faktor Zeit, damit seine Elf wieder zu sich findet und sich steigert. Gerade die WM-Fahrer wie Daichi Kamada oder Randal Kolo Muani sind noch lange nicht wieder in der Form des Herbstes. Für den Coach keine Überraschung, er zitiert sogar den Welttrainer Carlo Ancelotti, der schon vor dem Großturnier orakelte: „Wir werden nach der WM die ersten Spiele überstehen müssen.“ Glasner pflichtet bei: „Ja, der schlaue Fuchs hat Recht gehabt.“

Man brauche Geduld, um den Rhythmus wieder aufzunehmen. „Unsere Aufgabe ist, die Spieler dabei zu unterstützen, wieder in Bestform zu kommen.“ Das werde gelingen, da ist sich Glasner sehr sicher, und die generelle Leistungsbereitschaft seiner Mannschaft sei sowieso vorbildlich: „Wir werden nicht nachlassen, wir werden unseren Spirit und Hunger beibehalten. Das kann ich versprechen.“ Kurze Pause, ehe er lächelnd anfügte: „Nur einen Sieg in München, den kann ich nicht versprechen.“ (Ingo Durstewitz)

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