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Eintracht-Torwarttrainer Jan Zimmermann: Der Feinschleifer von Kevin Trapp

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Von: Ingo Durstewitz

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Ein gutes Team: Kevin Trapp (links)und Torwarttrainer Jan Zimmermann.
Ein gutes Team: Kevin Trapp (links)und Torwarttrainer Jan Zimmermann. © imago images/Hartenfelser

FR-Serie, achter Teil: Eintracht-Torwarttrainer Jan Zimmermann hat Kevin Trapp auf ein anderes Level gehoben.

Normalerweise geht Jan Zimmermann die Vorbereitung mit seinem Schützling Kevin Trapp stets gleich an. Keine Fisimatenten, keine Sperenzchen. Verlässlichkeit ist gefragt, Routine. „Egal, ob ein Freundschaftsspiel gegen Straßburg, Pokal gegen Mannheim oder das große Duell gegen Barcelona“, erzählt der Torwarttrainer der Frankfurter Eintracht. „Ich mache immer alles gleich, gleich akribisch.“

Doch einmal, am frühen Abend des 18. Mai, als er den Rasen des Estadio Ramón Sánchez Pizjuán zu Sevilla betrat, die Luft flirrte, er hinaufblickte auf „die weiße Wand“, da stieg das Kribbeln ins Unermessliche. „Beim Warmmachen war ich angespannter als sonst“, sagt der 37-Jährige. Nichts war mehr, wie es sonst immer war.

Klar wusste er, warum, der kluge Eintracht-Kopf. „Ein Finale hat eine Endgültigkeit, danach kommt nichts mehr, es gibt nur gewinnen oder verlieren. Das hat eine andere emotionale Tragweite.“ Und steht deshalb noch mal auf einer anderen Stufe als die Jahrhundertspiele gegen den glorreichen FC Barcelona. Das große Endspiel, Gänsehaut am ganzen Körper.

Für Jan Zimmermann, seit Januar 2020 für die Frankfurter Schlussmänner verantwortlich und Nachfolger von Manfred „Moppes“ Petz, ist der Europa-League-Sieg natürlich auch der größte Erfolg seiner Laufbahn, diese Momente in Andalusien waren die schönsten und bewegendsten Augenblicke seiner Karriere. „Wer etwas anderes behauptet, redet Blödsinn“, sagt er. Noch immer hat er diesen Triumph nicht verarbeitet, nicht im Familienurlaub in Kyllini auf der griechischen Halbinsel Peloponnes, nicht daheim in Frankfurt auf dem Balkon, „weil das einfach zu groß ist“, wie er mutmaßt.

Zimbo, wie er gerufen wird, hat keinen unerheblichen Anteil am Coup der Eintracht, auch wenn das der bescheidene und zuvorkommende Ex-Torwart niemals einräumen würde. „Wir müssen nicht von meinem Anteil reden“, sagt er. „Kevin hat die Bälle gehalten.“ Doch dass der Kevin, der Trapper, die Bälle halten konnte, im Elfmeterschießen und kurz vor Ende der Spielzeit, nach 118 Minuten mit dieser Parade vom anderen Stern, aber gerade auch auf dem Weg nach Sevilla, das hat sehr wohl mit dem Eintracht-Eigengewächs Zimmermann zu tun. Er hat Kevin Trapp, so ganz allgemein, zu einem besseren Torhüter gemacht, zu einem Torhüter von Weltformat.

Auch zum Happy End des Krimis vom Punkt hat er seinen Beitrag geleistet. In Windeseile hatte er vor dem Elfmeterschießen eine Trinkflasche mit den Rangers-Schützen beklebt, auch das gehört zu seiner detailversessenen Vorarbeit dazu. „Vor jedem K.o.-Spiel habe ich ein Tape mit den Schützen bereit gehabt“, berichtet er. In Sevilla wurde es ernst, da heftete er es ruckzuck an Trapps Plastikpulle. Was darauf vermerkt war? „Der Fuß des Schützen und sein bevorzugtes Eck“, erklärt der Coach. Aber auch Besonderheiten, zum Beispiel: langer Anlauf, kurze Schritte, Verzögerung, Spannstoßschütze. Knapp und prägnant.

Anders gehe das nicht in dieser Extremsituation, befindet Zimmermann. „In dem Moment kannst du nicht lange mit dem Torwart reden, der ist überladen“, eben nicht mehr aufnahmefähig. Aber eines habe er Kevin Trapp dann noch mit auf den Weg gegeben, bei aller anderen Hilfestellung. „Vertraue auf dein Gefühl, vertraue auf dich, du spürst, wo du hin musst.“ Wie beim vierten Strafstoß von Aaron Ramsey, den Trapp mit dem linken Bein parierte. Weil er sich auf seine Intuition verließ – aber auch weil er wusste, dass „Ramsey lange verzögert und wartet“, wie der Nationalkeeper verriet. Trainerkumpel Zimbo, na klar, hatte den entscheidenden Tipp gegeben.

FR-Serie „Helden von Sevilla“

„Wir sind alle Helden“ , hat Torwart Kevin Trapp in der Nacht von Sevilla ausgerufen, jeder habe seinen Beitrag zum Europapokal-Gewinn geleistet. Die FR erinnert in einer mehrteiligen Serie in unregelmäßigen Abständen an diese Helden, an große und kleine, in Fußballschuhen, Blaumann oder Anzug. Heute: Jan Zimmermann und Kevin Trapp. Das nächste Mal: Jesper Lindström und Jens Petter Hauge. (FR)

Bei den ersten beiden Schützen aber, räumt der Ex-Keeper ein, habe er komplett falsch gelegen, James Tavernier und Steven Davis haben „beide dahin geschossen, wo sie vorher noch nie hingeschossen hatten“, erzählt Zimmermann. „Dabei habe ich mir vorher von jedem bestimmt 20 Elfer angesehen.“ Das bestätigt ihn in seiner Annahme: „So eine Drucksituation ist nicht simulierbar.“ Nicht für den Torwart, aber auch nicht für die Schützen.

Genauso wie eine solche Szene kurz vor Schluss in der Verlängerung nicht erklärbar und greifbar ist, vorhersehbar schon mal gar nicht: Diese unglaubliche Glanztat des Kevin Trapp, als er schnell wie ein Windhund die Seite wechselte, sich groß wie eine Krake machte und den schon sicher im Tor geglaubten Ball irgendwie mit dem Knie noch rettete. Es war die Parade, die die Eintracht überhaupt ins Elferschießen brachte, die den Titel ermöglichte. „Ich habe mich wahnsinnig für Kevin gefreut, gerade weil ich weiß, was er investiert“, befindet Zimmermann.

Zumal das Spiel für einen Schlussmann ein undankbares war, Trapp habe sich vorher kaum auszeichnen können, dann noch das Gegentor, das ja auch den K.o. hätte bedeuten können, „es war ein ekliges Spiel für einen Torwart“, der Gegner sei zwar immer irgendwie gefährlich gewesen, aber nie so wirklich. „Viele Ecken, viele Flanken, viele sich anbahnende Chancen, aber keine richtigen“, zählt der Ex-Darmstädter auf. „Das ist für einen Torwart mental extrem schwierig.“

Doch Trapp habe sich nicht beirren lassen, sei auch nach dem Gegentreffer „ganz bei sich“ geblieben. Positiv eben. Das hatte sich schon am Spieltag abgezeichnet, findet der Mann, der einst fünfmal das Eintracht-Tor in der Bundesliga hütete und alle fünf Partien verlor. „So ein Spiel beginnt ja am Morgen, da entwickele ich ein Gefühl für Kevin. Und in Sevilla war er so, wie ich ihn gerne habe: Voller Anspannung, aber auch mit Selbstvertrauen und Lockerheit.“ Es war angerichtet.

Die Monsterparade kurz vor Schluss sei kein Zufall gewesen, findet Zimmermann. Genauso wenig wie der gehaltene Freistoß Sekunden vor Beendigung der Verlängerung, den Trapp locker abfing. Aber was heißt locker abfing? „Was kaum jemand sieht: Kevin hat eine unglaubliche Beinarbeit, er ist extrem schnell auf den Beinen, könnte da auch im Feld mitspielen.“ Daher mache er viele gefährliche Situationen zunichte, ehe sie überhaupt als gefährlich erachtet würden: „Ein Großteil der Torhüter muss hechten, aber Kevin läuft viele Bälle ab. Das sieht dann nicht spektakulär aus, ist aber unfassbar gut.“ So wie bei jenem Freistoß von Rangers-Kapitän James Tavernier in der 120. Minute.

Auch für Jan Zimmermann ist Kevin Trapp in der Form seines Lebens. „Er ist nahe dran an dem, was er leisten kann“, lobt der einstige Heidenheimer und Darmstädter Goalie. Die Leistungsexplosion habe gewiss mit der Modifizierung des Torwartspiels zu Saisonbeginn zu tun, weshalb es dem Trainer und seinem Schützling aber auch klar war, dass es erst einmal schwierig und holprig werden würde. „Wenn du die Muster veränderst und das Torwartspiel eines erfahrenen Torhüters umstellst, dann laufen die Sachen am Anfang nicht optimal. Aber wir wussten, dass wir irgendwann aus der Talsohle herauskommen und dann belohnt werden.“ Und genau so ist es gekommen.

Kevin Trapp ist derzeit das Maß aller Dinge im Kasten, einer der besten deutschen Torhüter, vielleicht sogar besser als die Institution Manuel Neuer. Die langjährige deutsche Nummer eins, da sind sich Zimmermann und Trapp einig, habe das Torwartspiel generell verändert und auf ein anderes Level gehoben. „Aber Kevin muss sich hinter keinem verstecken, hinter gar keinem.“

Das, findet Zimmermann, liege ein Stück weit auch an der Torhüter-Konstellation im Eintracht-Kosmos. In Platzhirsch Trapp, Jungspund Diant Ramaj und Routinier Jens Grahl habe man eine perfekte Mischung beisammen, die sich gerade menschlich bestens ergänzt. „Diese drei Jungs machen jedem Freude, sie unterstützen, pushen und fordern sich gegenseitig. Dieses Team ist außergewöhnlich.“ Mit einer außergewöhnlichen Nummer eins an der Spitze – geformt und herausgeputzt von Jan Zimmermann, dem Feinschleifer.

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