Eintracht souverän gegen Union: Balsam für die Seele

Sehr souverän zieht Eintracht Frankfurt nach einem 2:0-Sieg gegen Union Berlin ins Halbfinale des DFB-Pokals ein.
Hinterher, als das Halbfinale in aller Souveränität erreicht war, hat Kevin Trapp die Arme in die Höhe gereckt, immer und immer wieder. Man spürte förmlich, wie die Last, die auf seinen Schultern lag, vom Tormann abfiel. Endlich mal wieder ein Sieg, endlich wieder ein Erfolgserlebnis, und sogar ohne Gegentor. 2:0 (2:0) gegen Union Berlin, der erste Sieg nach sieben Pflichtspielen, genau zum richtigen Zeitpunkt. Es ist der vierte Einzug in ein DFB-Halbfinale binnen sieben Jahren, und er war so was von verdient. Eintracht Frankfurt war dem Tabellendritten der Liga in allen Belangen überlegen. Union war nur ein Schatten seiner selbst. Mittelfeldspieler Rani Khedira, vor zwei Wochen in der Liga noch Torschütze gegen Frankfurt, sagte: „Das war eine katastrophale erste Halbzeit von uns, zum dritten Mal hintereinander.“
Das Halbfinale wird am 2. und 3. Mai ausgespielt, die Auslosung für die Spiele der letzten Vier ist am Ostersonntag, 19 Uhr, in der ARD-Sportschau. Dass die Eintracht jetzt nach Berlin (am 3. Juni) will, ist offensichtlich und als Ziel formuliert, „dass es schwer wird, ist klar“, sagte Mario Götze, aber machbar. In Frankfurt wünscht man sich jetzt für das letzte Spiel vor dem Finale natürlich ein Heimspiel. Damit tanzt Eintracht Frankfurt weiterhin auf zwei Hochzeiten, wenn auch der Startplatz für einen internationalen Wettbewerb über die Bundesliga nach einer argen Sieglosserie ein bisschen schwer wird zu erreichen. Aber womöglich war dieser Sieg ein Brustlöser, kann mit diesem Erfolg der Trend umgekehrt werden. Dessen ungeachtet: „Wir wollen unsere Ziele in der Liga erreichen“, sagte Vorstand Markus Krösche auf die Frage, ob sich die Hessen nun nicht wieder komplett auf den Pokal konzentrieren sollten. Ziel ist und bleibt: ein Europapokalplatz. Denn diesen Wettbewerb, dieses hopp oder top, liebt Eintracht Frankfurt.
Es war schon erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit die Eintracht gegen die deutlich stärker eingeschätzten Unioner diese Partie gewannen. „Völlig verdient“, wie Trainer Oliver Glasner hinterher zu Recht sagte, der von der abgehangenen Vorstellung der Hessen angetan war. „Wir haben angeknüpft an die guten Leistungen der letzten Wochen“, assistierte Mario Götze. Kapitän Sebastian Rode empfand den ersten Sieg seit dem 18. Februar als „Balsam für die Seele“. Entscheidender Mann war einmal mehr Randal Kolo Muani, der beide Tore erzielte. Wettbewerbsübergreifend hat er nun 19 Pflichtspieltore gemacht, dazu kommen weitere 14 Vorlagen, eine bärenstarke Bilanz. Aber auch die Einstellung der gesamten Mannschaft stimmte, es war Zug drin. „Von der ersten Sekunde waren wir gut drin und griffig“, sagte Rode. „Und der Kolo hat dann den Rest gemacht.“
Tatsächlich hatte die Eintracht sicherlich die beste erste halbe Stunde in diesem Jahr gespielt. Hellwach und bis unter die Haarspitzen fokussiert waren die Platzherren an die Pokalsache herangegangen, wollten gleich klarstellen, wer hier Herr im Haus ist. Wohin die Reise gehen sollte, machte Kolo Muani schon nach fünf Minuten deutlich: Da zog der französische Nationalspieler aus 20 Metern ab und zwang den in der Folge unsicheren Union-Torwart Lennart Grill zu einer ersten Parade.
Es sollte der Auftakt eines gut 30-minütigen Gala-Auftritts der Hessen und speziell von Kolo Muani und Mario Götze werden: Binnen zwei Minuten (11. und 13.) hatte der 24 Jahre alte Angreifer die Hessen mit 2:0 in Front geschossen, beim ersten, einem satten Linksschuss, hatte Götze mittels Hacke, brillant und mit viel Gefühl aufgelegt, das 2:0 hatte er per Pass vorbereitet. „Ich weiß, dass Kolo gerne in die Tiefe läuft. Das hat er gut gemacht“, kommentierte Götze hinterher die beiden Geniestreiche. Und wenn Kolo Muani nicht kurz darauf noch uneigennützig auf den wieder unglücklich agierenden Rafael Borré (15.) aufgelegt hätte, die Partie wäre schon nach einer Viertelstunde entschieden gewesen. Der Kolumbianer schoss über das Tor.
Die Eintracht spielte in der Folge quasi Katz und Maus mit Union Berlin. Die Hauptstädter wussten zeitweise überhaupt nicht, wie ihnen geschah, beinahe hilflos rannten sie dem Frankfurter Kombinationsspiel hinterher. Dass es zur Pause nicht 3:0, ja 4:0 gestanden hatte, hatte Berlin nur Fortuna und dem VAR zu verdanken. Eigentlich unglaublich, dass diese Berliner Mannschaft aktuell Tabellendritter der Liga ist. Union ließ alles, aber auch alles vermissen, selbst nach dem 0:2 blieben sie in ihrer defensiven Struktur. „Die erste Halbzeit war super“, lobte Manager Krösche, schon in den letzten Spiele habe die Mannschaft ordentlich Fußball gespielt, nur die notwendige Effizienz fehlen lassen. „Heute haben sich die Jungs dafür belohnt“, meinte der Sportvorstand
Allein Rafael Borré hätte bis zur Halbzeit zweimal treffen können, einmal, als der Ball schon im Netz zappelte, hatte der Kolumbianer haarscharf im Abseits gestanden (20.), beim zweiten Mal traf er aus Nahdistanz nur die Latte (28.). Die Eintracht spielte lange wie aus einem Guss, nichts war zu spüren von einer Krise, nichts von Verunsicherung. Es herrschte die pure Spielfreude und die Lust, im Pokal eine Runde weiter zu kommen.
In der zweiten Halbzeit nahm die Eintracht den Fuß vom Gas, schaltete komplett in den Verwaltungsmodus, ging nicht mehr auf das dritte Tor, sondern kontrollierte nur noch das Spiel. Ganz offensichtlich wollten sie Kräfte sparen für die deutlich schwerere Aufgabe am Samstag bei Bayer Leverkusen. Und ganz zum Schluss musste sogar Torwart Kevin Trapp eingreifen, da lief schon die 87. Minute, der Schlussmann wehrte gegen Jamie Leweling ab. So hallte wenig später der beliebte Gassenhauer durchs Waldstadion: „Berlin, Berlin - wir fahren nach Berlin.“ Ein weiterer Sieg freilich ist dazu noch vonnöten.