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Hinti, das Sinnbild der Eintracht

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Von: Ingo Durstewitz

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Martin Hinteregger taugt trefflich als Sinnbild für die Eintracht in dieser Saison. Nicht frei von Fehlern, aber mit Herz und Leidenschaft dabei. Ein Kommentar.

Es gibt aktuell keinen Frankfurter Fußballprofi, der derart verehrt wird wie der Mann aus den Bergen, der Hinti aus Kärnten. Im Stadion wird Martin Hinteregger selbst dann gefeiert, wenn er den Ball mit Vollspann auf die Tribüne drischt. Andersrum ist es genauso, der etwas verschrobene Kerl drohte dem Augsburger Manager Stefan Reuter damals frank und frei damit, dass er seine Karriere auf der Stelle beenden werde, wenn er ihn nicht zu seinem Herzensklub nach Frankfurt ziehen lassen würde. Dass es der Spieler ernst meinte, daran hatte Reuter nicht mal Restzweifel.

Rational lässt sich diese extreme wechselseitige Zuneigung kaum erklären, außer, dass der 29-Jährige halt so ist, wie er ist: eigen, ehrlich, anders, eben ein Unikum. Klar ist aber, wo die Liebesbeziehung begann, im Mai 2019 an der Stamford Bridge zu London, Halbfinale gegen Chelsea, Elfmeterschießen. Hinti versagte, der Traum erstarb, doch fand der Untröstliche echten Trost in den Armen eines Fans. Ein Bild, das um die Welt ging.

Ohne Angst vor Schmerzen: Martin Hinteregger (rechts) wirft sich rein - und sorgt damit für den Treffer zum 1:1.
Ohne Angst vor Schmerzen: Martin Hinteregger (rechts) wirft sich rein - und sorgt damit für den Treffer zum 1:1. © Revierfoto/Imago Images

Eintracht Frankfurt lebt, atmet und schmeckt Europa

Und so ist es nicht verwunderlich, dass es – ausgerechnet – Hinteregger war, der am Donnerstag einen denkwürdigen Abend in Frankfurt krönte und das Tor zum Viertelfinale in der letzten Sekunde der Nachspielzeit der Verlängerung erzwang. Diese eiserne Entschlossenheit, die Entscheidung herbeizuführen, war selbst aus 100 Metern Entfernung zu spüren.

Hinteregger taugt trefflich als Sinnbild für Eintracht Frankfurt in dieser Saison. Nicht frei von Fehlern, manchmal schwergängig, irgendwie unfertig und seltsam wankelmütig, aber doch mit Herz und Leidenschaft, mit Behauptungswillen, Resistenz und Robustheit. Die entfesselten Auftritte des Klubs auf internationalem Parkett sind kein Zufall, sie gehören zum Standardprogramm. Die Eintracht, auch wenn es pathetisch klingen mag, lebt, atmet und schmeckt Europa. Es ist die Haltung des Vereins zu diesem Wettbewerb, die die jeweiligen Mannschaften über sich hinauswachsen lässt, es ist Ausdruck einer inneren Stärke und Geschlossenheit.

In den letzten vier Jahren spielte die Eintracht dreimal europäisch, einmal Halbfinale, unter Geisterbedingungen „nur“ Achtelfinale, jetzt mindestens Viertelfinale. Kein anderer deutscher Verein, außer den Bayern auf anderem Niveau, nimmt diesen Contest so an, begreift ihn als Chance und definiert sich über den Europacup. Das ist umso bemerkenswerter, da die Eintracht 2016 fast abgestiegen wäre. Seitdem ist auf Managerebene vieles richtig gemacht worden, zumal sich der Klub Jahr für Jahr häuten und neu erfinden muss. Nur ein Beispiel: Bis auf Filip Kostic sind dem Verein alle Offensivstars weggeholt worden – das ist das Los der gehobenen Mittelklasse.

Eintracht Frankfurt hält Kurs

Auch in diesem Jahr des Komplettumbruchs auf sportlicher Ebene und der Corona-Umklammerung, die den Klub noch härter als andere trifft, weil er ausgerechnet vor dem Dauer-Lockdown in infrastrukturelle Großprojekte investierte und das Stadion übernahm, hat die Eintracht Kurs gehalten und ist nicht ins Schlingern geraten. National performt sie sehr solide und hat noch Ambitionen nach oben. Am Ende kommt vielleicht „nur“ ein Mittelfeldplatz heraus, aber im Vergleich zur völlig abgeschmierten Konkurrenz (Hamburg, Schalke, Bremen, nun vielleicht Hertha) ist das immer noch verdammt gut.

Und europäisch setzt die Eintracht immer wieder Glanzlichter, auch wenn sie gewiss nicht die talentierteste Mannschaft im Wettbewerb stellt und ihn eher nicht gewinnen wird. Aber sie wird es versuchen, selbst jetzt gegen den übermächtigen FC Barcelona, mit allem, was sie im Tank hat – und genau diese Einstellung macht sie so gefährlich und irgendwie auch so besonders. (Ingo Durstewitz)

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