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Eintracht kassiert Schuss vor den Bug

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Von: Ingo Durstewitz

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Zu verschnörkelt, zu viel Hacke, Spitze, Tralala: Jesper Lindström. Foto: Imago Images
Zu verschnörkelt, zu viel Hacke, Spitze, Tralala: Jesper Lindström. Foto: Imago Images © IMAGO/Jan Huebner

Weckruf für Eintracht Frankfurt: So ein bisschen hat sich die kleine Abreibung in Köln angedeutet. Zumindest Sportvorstand Krösche ahnte so etwas.

Es ist noch nicht so lange her, zehn Tage nur, da setzte der Frankfurter Sportvorstand Markus Krösche zu einer bemerkenswerten Manöverkritik an. Die fiel hart und schonungslos aus, und sie verwunderte so ein bisschen, weil sich die Menschen, die es mit der Eintracht halten, justament freudetrunken in den Armen lagen und alles rosarot schien. Die Hertha aus Berlin war gerade fluffig mit 3:0 abgefertigt und zurück in die Kapitale geschickt worden. Doch Markus Krösche passte etwas nicht nach diesem stimmungsvollen Nachmittag im Waldstadion, etwas schien verrutscht, und er spürte das deutlich tief in sich drin.

Er habe die Ernsthaftigkeit vermisst und die letzte Konzentration. „Da war zu viel Freestyle. Wir müssen lernen, über 90 Minuten bei 100 Prozent zu sein. Wenn wir glauben, dass wir auch mit 60, 70 Prozent unsere Ziele erreichen können, wird es nicht funktionieren“, mäkelte er in der Mixed Zone der Arena und blickte in verdutzte Gesichter. So schlimm hatte das niemand wahrgenommen.

Nun, eine derbe 0:3-Niederlage in der Bundesliga beim 1.FC Köln später, würde kaum noch jemand behaupten, der Manager habe da überzogen und sei übers Ziel hinausgeschossen. Diese Pleite im Rheinland war ein Beleg für die eindringlichen Worte des Sportchefs. Ein Spiegelbild des von ihm Erahnten.

Natürlich waren die Kölner den Frankfurtern am Sonntag nicht großartig überlegen, es war lange ein Spiel auf Augenhöhe, das auch in die andere Richtung hätte kippen können, wenn die Hessen das erste Tor geschossen hätten. Zur Wahrheit gehört aber auch: Davon waren sie an diesem Abend in Müngersdorf weit entfernt, manch einer orakelte, sie könnten noch bis Ostern spielen, ohne einen Treffer zu erzielen. „Ich bin es nicht mehr gewohnt, ein Spiel zu verlieren. Ich bin richtig sauer“, moserte Trainer Oliver Glasner. „Köln war in den Strafräumen besser, und da werden Spiele entschieden. So gewinnst du kein Spiel.“

Lindström im Tief

Das Frappierende und Alarmierende: Die Rheinländer wollten es insgesamt mehr, sie waren in den entscheidenden Duellen und Momenten einen Tick schneller, konsequenter und entschlossener. Anschauungsunterricht erhielten die Hessen beim 2:0, als der Kölner Ellyes Skhiri den Ball hinten abfing, im Vollsprint 80 Meter über den Platz fegte und vorne zur Vorentscheidung abstaubte. Eine Willensleistung.

Das ist normalerweise ein Qualitätsmerkmal der Eintracht, doch inzwischen versucht das Team im Wissen um die eigene Stärke, vieles nur noch spielerisch zu lösen, das ist alles in allem zu verschnörkelt und nicht zielgerichtet genug. Ein bisschen zu viel Hacke, Spitze, eins, zwei, drei. In Köln verpufften zwei, drei vielversprechende Situationen im Nichts, weil die Tor-Gier fehlte.

Sinnbildlich könnte man Jesper Lindström heranziehen, der im Ansatz gute Aktionen initiierte, aber letztlich doch immer hängenblieb oder sich festdribbelte. Der junge Däne wirkt, positiv formuliert, ein wenig zu selbstbewusst und optimistisch, etwas übermütig. In bester Form ist er nicht. Bezeichnend die Szene kurz nach der Halbzeit, als er aus spitzem Winkel dem Kölner Tor entgegenstrebte, aber nicht den Abschluss suchte, sondern ohne aufzuschauen quer passte – einem FC-Abwehrspieler in die Füße. Das ist fahrlässig, weil die Eintracht sich nicht gerade Chancen am Fließband herausspielt. Ohne Effizienz, die die Frankfurter nach dem Restart oft genug an den Tag legten, wird es dann aber schwierig, ein Spiel auf diesem Niveau zu gewinnen. Manager Krösche monierte schon des Öfteren, dass man sich zu wenige Chancen herausspiele.

Lindström ist nicht der Einzige, der zumindest ein wenig schwächelt. Auch Daichi Kamada oder Djibril Sow durchlaufen nicht gerade eine Hochphase. Vor allem Kamada müsste wieder eine andere Präsenz und Körpersprache auf den Platz bringen, so wirkt er eher wie in früheren Zeiten. Ob ihn seine ungewisse Zukunft belastet? Kann sein, muss es freilich nicht.

Generell herrscht auch im Mittelfeld derzeit zu wenig Präsenz, die harten, entscheidenden Duelle hat in Köln der Gegner für sich entschieden. Das ist gewiss kein Zufall. In der Rückschau wäre es vielleicht keine schlechte Idee gewesen, in der Zentrale mal die rustikale Variante zu wählen, Kapitän Sebastian Rode und Kristijan Jakic zu nominieren. Hinterher aber, so fair muss man sein, kann man es leicht besser wissen. Vorher wäre solch ein Schachzug eher für wenig sinnvoll erachtet worden.

Sorglosigkeit im Spiel

Krösche hat all das schon nach den ersten Partien im neuen Jahr wahrgenommen, er spürte, dass da so eine gewisse Sorglosigkeit Einzug gehalten hat. In der Tat: Betrachtet man alle Spiele losgelöst voneinander, so ist die Eintracht nur im Auswärtsspiel bei den Bayern in höchstem Maß konzentriert, diszipliniert und widerstandsfähig aufgetreten. In allen anderen Partien hatten die Opponenten immer wieder mal die Gelegenheit, ins Spiel zurückzufinden, da taten sich Räume und Löcher auf – selbst bei den beiden 3:0-Erfolgen gegen Schalke 04 und Hertha Berlin. Auch der Zweitligist Darmstadt 98 wurde im Pokal zum Toreschießen eingeladen.

Das fiel alles nicht so sehr ins Gewicht, weil es die Gegner zum einen nicht schafften, nachhaltig Kapital daraus zu schlagen und es kaschiert wurde – von der zügellosen Offensive, an der Spitze mit Mario Götze und Randal Kolo Muani. In Köln klappte das nicht, weil es die Eintracht nicht schafft, auch mal die Null zu halten, wenn sie schon nicht ihren besten Tag erwischt – und weil die eklatante Schwäche bei Standards (offensiv wie defensiv mittlerweile) voll durchschlägt.

Vielleicht war diese kleine Abreibung ein Schuss vor den Bug zur rechten Zeit, eine Art Weckruf. Denn viele Ausrutscher darf sich die Eintracht nicht erlauben, wenn die ambitionierten Ziele erreicht werden sollen.

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