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Eintracht in Wolfsburg: Wenigstens nicht verloren

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Von: Thomas Kilchenstein, Daniel Schmitt

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Klimmzüge, um das Tor wieder in die Verankerung zu bringen: Frankfurts Torwart Kevin Trapp.
Klimmzüge, um das Tor wieder in die Verankerung zu bringen: Frankfurts Torwart Kevin Trapp. © dpa

Die Frankfurter Eintracht erreicht in Wolfsburg ihr Minimalziel, rundum zufrieden ist sie nicht.

Um ein Haar hätte diese schiedlich-friedlich auslaufende Partie noch eine ganz besondere Pointe bereit gehalten. Es lief schon die allerletzte Minute der vierminütigen Nachspielzeit, als Eintracht Frankfurt noch einmal einen Freistoß aus dem Halbfeld zugesprochen bekam. Die Flanke, getreten von Daichi Kamada, segelte in den Strafraum, Rafael Borré reckte den Kopf nach oben, doch der Ball strich knapp am Pfosten vorbei. Die Pointe wäre: Die Hessen hätten diese Bundesligabegegnung beim VfL Wolfsburg noch mit 3:2 gewonnen, und zwar mit Hilfe eines Standards, einer Spielart des Fußballs, die die Eintracht überhaupt nicht beherrscht und womit sie nach einem Bonmot ihres Trainers Oliver Glasner zufolge eher „den Friedensnobelpreis“ gewinnen würde, als ein eigenes Tor zu erzielen.

So erreichten die Frankfurter wenigstens ihr Minimalziel. „Wir haben Wolfsburg auf Abstand gehalten“, fasste Kapitän Sebastian Rode die 90 unterhaltsamen Minuten zusammen, das Polster auf den VfL beträgt weiterhin fünf Zähler, Mainz 05 lauert mit vier Punkten Abstand auf Platz sieben. „Wichtig war, hier nicht zu verlieren“, sagte Rode, räumte aber wie Torwart Kevin Trapp selbstkritisch ein, dass „wir selbst schuld sind, nicht mit mehr nach Hause zu fahren.“

Coach Glasner war mit dem 2:2 (2:2) an alter Wirkungsstätte zwar nicht total zufrieden, er fand aber, dass „das Ergebnis passt“. Beide Teams, die sich wenig schenkten und intensiv zu Werke gingen, hätten jeweils Chancen gehabt, das Spiel für sich zu entscheiden, so richtig dauerhaft unter Kontrolle bekamen beide Ensembles die Begegnung nicht. „Wir mussten immer auf der Hut sein“, sagte Glasner. Das Spiel wogte hin und her, so dass etwa Torhüter Trapp sich schwer damit tat, ein aussagekräftiges Fazit zu ziehen. „Wir müssen das hinnehmen“, sagte er.

Damit meinte der 32-Jährige einerseits den Punkt, andererseits auch die Tatsache, dass Eintracht Frankfurt erneut - und inzwischen schon zum 15. Mal - ein Gegentor nach einem ruhenden Ball hatte fangen müssen. Einen Freistoß von Patrick Wimmer köpfte der überragende Wolfsburger Yannick Gerhardt (43.) zum 2:2 in die Maschen. Diese Schwäche fällt den Hessen immer wieder auf die Füße, sie bekommen sie einfach nicht in den Griff. Vielleicht, mutmaßte Trapp, solle man künftig gar nicht mehr darüber reden, andernfalls setze sich das in den Spielerköpfen fest. Anfälliger bei Standards ist in der Liga keine andere Mannschaft.

Dafür gehören die Hessen auch zu jenen Teams, die sich von Rückständen nicht aus der Fassung bringen lassen, schnell lagen sie auch in der Autostadt mit 0;1 hinten, Gerhardt hatte Omar Marmoush (10.) auf die Reise geschickt, haarscharf nicht im Abseits, dann umspielte der Angreifer, der womöglich in der kommenden Saison bei der Eintracht spielen wird, den herausstürzenden Trapp und schob die Kugel ins verwaiste Tor. Marmoush, ein steter Unruheherd, war bei seinem Tor um Zentimeter nicht im Abseits, der Treffer zählte zurecht.

Sehr viel später, in der 73. Minute, zählte hingegen auf der anderen Seite ein Treffer von Jesper Lindström nicht, ebenfalls eine korrekte Entscheidung. Der Däne hatte um wenige Haaresbreiten im Abseits gestanden. Glasner lag deshalb genau richtig, als er von „vielen knappen Entscheidungen“ sprach, die so oder so hätten fallen können. „Beide Mannschaften haben sich diesen Punkt verdient.“ Ähnlich sah es auch sein Pendant, der frühere Frankfurter Trainer Niko Kovac, „unterm Strich ist das Unentschieden okay“.

Und beide hätten sich über eine mögliche Niederlage nicht beschweren können. Es war zum Beispiel Evan Nidcka, der in der 90. Minute mit einem Schuss noch am Lattenkreuz scheiterte. Oder Marmoush, dessen Lupfer der dieses Mal sehr aufmerksame Tuta im letzten Moment von der Linie kratzte.

Tatsächlich hatte sich Eintracht Frankfurt nach dem frühen 0:1 nicht aus dem Konzept bringen lassen. Binnen vier Minuten drehten sie das Spiel, erst köpfte der immer torgefährliche Randal Kolo Muani eine perfekt getimte Flanke von Aurelio Buta sehenswerte und wie aus dem Lehrbuch zum 1:1 ins Netz (22.). Es war bereits der elfte Ligatreffer (bei 13 Vorlagen) des französischen Nationalspielers und ohne ihn - etwa in zehn Tagen beim SSC Neapel - würde es im Frankfurter Sturm gerade mehr als dünn aussehen. Dann drosch der zuletzt arg gescholtene Ndicka (26.) die Kugel per Dropkick von der Strafraumgrenze knallhart zur Führung unter die Latte (Siehe auch Bericht Seite S2). Nach dem Rückstand, lobte Glasner, habe sein Team „eine tolle Reaktion“ gezeigt.

Insgesamt war das eine „ordentliche Leistung“, resümierte Rode, vor allem nach dem beiden jüngsten Niederlagen gegen Neapel und RB Leipzig. In der Tat waren die Frankfurter gleich deutlich besser im Spiel, sie waren präsenter und nahmen den Kampf an. Dessen ungeachtet sind die Probleme, die es in der Abwehr gibt, noch immer nicht aus der Welt geschafft. Die Defensive wirkt weiterhin anfällig. Es kam nicht von ungefähr, dass Kevin Trapp, der sein 224. Spiel für die Eintracht bestritt und damit mit Uli Stein gleichgezogen hat, zu den besten Frankfurtern gehörte und die eine oder andere Schwäche seiner Vorderleute ausbügeln musste.

Womöglich hätten den Frankfurtern ein paar Klimmzüge mehr in der zweiten Halbzeit ganz gut getan, Klimmzüge, die unmittelbar nach Anpfiff der Partie der Eintracht-Torwart Kevin Trapp vollführte. Vollführen musste. Denn - wie kurios - Schiedsrichter Daniel Schlager monierte früh, dass das in der ersten Halbzeit von Trapp gehütete Tor offenbar höher als die vorgeschriebenen 2,44 Meter sei, ein Pfosten steckte nicht tief genug in der dafür vorgesehenen Öffnung. Ein paar Klimmzüge an der Latte brachten das Tor bald auf ordnungsgemäße Größe und in die richtige Verankerung. Dass es so etwas heutzutage in der bis ins kleinste Detail durchorchestrierten Bundesliga auch noch gibt, ist allemal bemerkenswert.

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