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Eintracht in der Krise: Glasners Wutrede

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Von: Ingo Durstewitz

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Nur bedingt abwehrbereit: Eintracht in der Krise. Foto: dpa
Nur bedingt abwehrbereit: Eintracht in der Krise. Foto: dpa © dpa

Der Eintracht-Trainer legt eine denkwürdige Pressekonferenz hin und muss schauen, wie er mit den von ihm angezählten Spielern künftig umgeht.

Es wäre gewiss eine saftige Übertreibung, die jüngste Pressekonferenz des Fußballtrainers Oliver Glasner als legendäre Veranstaltung zu bezeichnen, die sich einreiht in die Phalanx der unerreichten Highlights auf diesem Sektor. Als da wären in beliebiger Reihenfolge und je nach Gusto: Giovanni Trapattoni („Flasche leer“), Rudi Völler („Hast hier drei Weißbier drin“), Klaus Augenthaler („Die Fragen stelle ich, die Antworten gebe ich auch“), Thomas Doll („Da lach ich mir den Arsch ab“) und vielleicht noch Stefan Effenberg („Freunde der Sonne“) oder Bruno Labbadia („Am Arsch geleckt“). Doch auch Eintracht-Coach Oliver Glasner hat am Sonntagabend in Berlin-Köpenick eine denkwürdige Presserunde abgehalten, vier Minuten, die an Einsilbigkeit und Schmallippigkeit kaum zu überbieten waren.

Nur zwei, drei Fragen beantwortete der 48-Jährige mit mehr als einem gesprochenen Satz. So viel verbale Enthaltsamkeit ist niemand gewohnt vom netten Österreicher, der sich stets Zeit nimmt und auf alle Fragen in der Regel freundlich und ausführlich antwortet. Doch die 0:2-Niederlage an der Alten Försterei hatte ihm gewaltig die Laune verdorben, sie war ihm aufs Gemüt geschlagen und legte gar ein paar grundsätzliche Bedenken frei. „Gratulation an Urs Fischer und Union Berlin zum 2:0-Sieg. Und...Danke.“ So legte Glasner los, und als Sprecher Bartosz Niedzwiedzki den Start zur Fragerunde ausrief, ahnten die Medienvertreter schon, dass das eine ziemlich zähe Angelegenheit werden könnte. Aber auch ein bisschen kultig, zumindest im Nachhinein. „Ich bin heute sehr vorsichtig. Denn alles, was ich sage, kann und wird gegen mich verwendet werden. Deswegen ist es besser, heute den Mund zu halten. Bitte um Verständnis dafür“, begründete Glasner.

Ein paar Einschätzungen gab der Fußballlehrer dennoch, in gebotener Kürze natürlich. Der Chancenwucher? „Es haben schon klügere Köpfe gesagt, wenn du vorne keine Tore machst und hinten welche bekommst, verlierst du das Spiel. Und genau so war es heute.“ Auf die Frage, ob er, wie Sportvorstand Markus Krösche, auch der Meinung sei, dass man noch eine halbe Stunde hätte spielen können, ohne ein eigenes Tor zu schießen, entgegnete er. „Nee, wir hätten noch drei bekommen wahrscheinlich.“

Das ging dann so oder so ähnlich weiter, bis ganz zum Schluss eine Frage zur Champions League um die Ecke kam, die ja jetzt doch in weite Ferne gerückt ist. „Ich habe noch nie über die Champions League gesprochen“, antwortete Glasner. „Ich spreche immer über die Leistung. Und deswegen sage ich heute dazu nichts, weil sonst wird es kritisch für mich.“ Weil er es sich sonst mit seinem direkten Vorgesetzten verscherzen würde? Es ist kein Geheimnis, dass der Chefcoach mit Sportvorstand Markus Krösche ab und an über Kreuz liegt. In Fragen der Kaderausgestaltung etwa.

Zuvor, vor den Fernsehkameras, war der Trainer zwar auch mächtig angefressen, aber zumindest noch etwas auskunftsfreudiger. Da kanzelte er seine Verteidiger nach allen Regeln der Kunst ab, nannte die Abwehrarbeit wahlweise „unterirdisch“ oder „abenteuerlich“. Und generell: „Man könnte auch mal 0:0 spielen. Aber wir können es nicht. Fakt ist, dass wir immer auf die gleiche Art und Weise unsere Tore kassieren und Spiele verlieren.“ Für den Trainer steht daher fest: „Das ist eine Frage der Qualität.“

Nun ist es nicht so, dass die Mannschaft und die Defensivabteilung erst seit gestern zusammenspielen würde. Die Abwehr ist schon einige Zeit die Achillesferse des Teams, und zuletzt häuften sich die individuellen Fehler, die öfter schon wichtige Punkte kosteten und die den Trainer schier zur Verzweiflung treiben. Trotzdem ist es seltsam, dass Glasner nun, nach 25 Spieltagen, acht Champions-League-Partien und drei Pokalrunden derart der Kragen platzt und er die Tauglichkeit auf diesem Level infrage stellt. Zumal er sich für gewöhnlich immer vor seine Spieler stellt, sie verteidigt und fast schon überschwänglich lobt. Und nun? Ende der Fahnenstange. Schonfrist vorüber. Kann man so machen, muss man nicht.

Sportvorstand Markus Krösche reagierte am Montag cool. Glasner habe „emotional reagiert“, das passiere mal bei einem Trainer. Man habe sich, wie immer, ausgetauscht - „und die gleiche Sicht der Dinge“.

Die Frage wird sein, wie der Trainer jetzt mit dem Rumpfteam umgeht, schließlich sind viele Spieler in der Bundesligapause bei ihren Nationalmannschaften und also quer über den Globus zerstreut. „Es sind nur die offensiven Spieler weg“, wirft der Coach eisig ein. „Alle defensiven sind hier.“ Die werden sich wohl auf was gefasst machen können. Oder auch nicht? Spannend ist allemal, wie nun gerade die namentlich nicht genannten, aber gemeinten Verteidiger Tuta und vor allem Neuzugang Hrvoje Smolcic mit der Kritik umgehen werden. Denn der Trainer hat seine Profis durch seine grundsätzliche Einschätzung geschwächt und angezählt. Und: Zurückrudern geht schlecht, er kann ja nicht sagen, er habe das so nicht gemeint oder sei falsch verstanden worden.

Der Frust des Trainers passt gleichwohl ins Bild, das die Eintracht abgibt. Sie ist nicht mehr wiederzuerkennen. Viele rätseln, was passiert ist mit dieser Mannschaft, der nichts mehr leicht vom Fuß geht, die hinten patzt und vorne nicht trifft und zwischendrin auch einfach nicht mehr gut genug Fußball spielt.

Es ist nun an Glasner, sich etwas einfallen zu lassen, in angemessener Form auf die Misere zu reagieren. Denn die Eintracht steckt in ihrer ersten richtigen Krise in dieser Saison. In der Rückrundentabelle rangierte sie nur auf Rang elf, selbst Augsburg, Bremen oder Schalke 04 haben mehr Punkte geholt. Dabei galt sie im Januar sogar mal als Bayern-Jäger und Titelkandidat. Das ist nicht mal zwei Monate her, klingt aber wie eine Episode aus einer anderen Zeit.

Vielleicht ist es jetzt, da nichts mehr zusammengeht und das Selbstvertrauen auf der Strecke geblieben ist, auch an der Zeit, etwas zu verändern, weil die Spielart ausgelesen und decodiert ist. Vielleicht mal die Dreierkette auflösen, im Mittelfeld eine andere Systematik versuchen oder vorne etwas Neues probieren. Vielleicht über Außen mal wieder Spieler mit mehr Vorwärtsgang aufstellen. Man muss nicht gleich alles über den Haufen werfen, aber stur an etwas festhalten, nur weil es mal geklappt hat, das kann es auch nicht sein.

Denn in den kommenden Wochen steht nicht weniger als der internationale Wettbewerb auf dem Spiel. Auf ihn ist die Eintracht zwar nicht zwingend angewiesen, aber er macht es ihr sehr viel leichter. Finanziell sind das wichtige Zusatzeinnahmen, auf die der Klub kaum verzichten kann, will er nicht ein, zwei Leistungsträger verkaufen. Und auch in der Akquise neuer Spieler ist Europa ein nicht zu unterschätzendes Argument. Die Eintracht war sexy durch ihr Auftreten, ihre Wucht – und ihre Erfolge. Gute Spieler lockt man nicht mit der Aussicht auf das Niemandsland der Bundesliga. Dort wird die Eintracht aber landen – schafft sie nicht bald den Turnaround.

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