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Eintracht Frankfurt: Wenn der Kopf die Beine lähmt

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Von: Ingo Durstewitz, Daniel Schmitt

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Fußball: Bundesliga, RB Leipzig - Eintracht Frankfurt, 22. Spieltag, Red Bull Arena. Leipzigs Emil Forsberg (M) erzielt gegen Frankfurts Torwart Kevin Trapp das Tor zum 2:0.
Und Tor. Dieses 0:2 holt die Eintracht nicht mehr auf. © Robert Michael/dpa

Die noch immer unter dem Neapel-Schock stehende Eintracht tritt in Leipzig seltsam mutlos auf.

Frankfurt - Viel hätte nicht gefehlt und Eintracht Frankfurt wäre am Samstagnachmittag im Sachsenland böse unter die Räder gekommen und schon aussichtslos in Rückstand geraten, ehe alle Zuschauenden ihren Platz eingenommen und die Stadionwurst angeknabbert hätten. In der Anfangsphase der fälligen Bundesligapartie bei den Roten Bullen aus Leipzig lagen die Hessen nämlich im Kollektiv in einer Art komatösem Tiefschlaf, weshalb es zu nahezu absurden Szenen in ihrem Strafraum kam.

Nicht mal 120 Sekunden nach dem Anpfiff kam RB-Verteidiger Marcel Halstenberg frei stehend zum Schuss, verzog aber deutlich. Nach fünf Minuten schlenzte Emil Forsberg, ebenfalls alleine vor dem Eintracht-Kasten, den Ball am Pfosten vorbei, und noch mal eine Minute später war es dann Nationalstürmer Timo Werner, der einen grotesken Stockfehler des formlosen Tuta ausnutzte und die Kugel ins Frankfurter Netz stolperte. 1:0 für RB. Nur 1:0, nach, wie gesagt, sechs Minuten. Hätte auch 3:0 stehen können oder müssen. Sieht man auch nicht alle Tage in der deutschen Premiumklasse, zumal in einem Spitzenduell.

Eintracht Frankfurt war am Anfang gar nicht da

„Wir waren gar nicht da“, rekapitulierte Mittelfeldspieler Djibril Sow, der die Frankfurter Hoffnung auf ein Pünktchen mit seinem Anschlusstor zum 1:2 in der zweiten Halbzeit noch mal auflodern ließ (61), Emil Forsberg hatte noch vor der Pause den zweiten Treffer für die Sachsen beigesteuert (40.). „Wir haben die erste Halbzeit komplett verschlafen“, räumte Sow ein. Und deshalb auch kein Pünktchen verdient. Endstand nach 94 Minuten im Stadion des Brauseimperiums: 2:1 für RB. Leistungsgerecht.

Es war keine gute Woche für Eintracht Frankfurt, im Gegenteil, es war eine höchst ernüchternde und desillusionierende. Zwei empfindliche Niederlagen mussten die Hessen einstecken, wobei man nach dem Auftritt in Leipzig sicher konstatieren kann, dass die beiden Negativerlebnisse in einem kausalen Zusammenhang stehen. Denn diese 0:2-Schlappe unter der Woche in der Champions League gegen den SSC Neapel hat Spuren hinterlassen, sie hat Zweifel gesät und das Selbstvertrauen beeinträchtigt. Denn zu groß war die Chancenlosigkeit der Frankfurter am Dienstagabend, zu groß der Leistungsunterschied.

Das hat die Mannschaft beschäftigt, an ihr genagt, es hat ihr gewissermaßen den Stecker gezogen. Anders lässt sich ein derart fahriger und seltsam mutloser Beginn wie in Leipzig gar nicht erklären. „Ich denke schon, dass wir Neapel noch im Hinterkopf hatten“, räumt Dauerspieler Sow freimütig ein. Über Monate hinweg sei das Team gefeiert worden, „wir waren euphorisch und hatten einen Höhenflug“, berichtet Sow. „Und dann so einen Dämpfer zu bekommen, ist mental nicht leicht zu verdauen.“ Eine absolut nachvollziehbare Darstellung.

Es war ja keine knappe Niederlage nach großem Kampf, ein Spiel auf des Messers Schneide, sondern ein Klassenunterschied. Ein ungleiches Duell, das die Frankfurter ins Mark getroffen hat. In etwa so, wie das 1:6 zu Saisonbeginn gegen die Bayern, als sich die Eintracht als frisch gebackener Europa-League-Sieger gefühlt mit den Münchnern auf Augenhöhe wähnte – und dann heftig abgestraft wurde, 0:5 nach 38 Minuten. Es dauerte, bis sich das auf Normalmaß gestutzte Ensemble von diesem tiefen Schockerlebnis erholt hatte.

Oliver Glasner ist der Ansatz zu simpel

Trainer Oliver Glasner geht da nicht so ganz mit, ihm ist dieser Ansatz zu simpel. „Klar können wir Neapel als Ausrede hernehmen, dann haben wir eine Entschuldigung“, sagte er. Er sieht beide Partien quasi im Doppelpack, in der vergangenen Woche habe seine Truppe in zwei Spielen „einen Spiegel vorgehalten bekommen“, sagt Glasner. „Uns gelingt es derzeit nicht, über 90 Minuten unsere Topleistung abzurufen.“ Genau die müsse man aber bringen, um gegen solche Großkaliber eine Chance haben zu wollen. Und wenn man dann noch, wie jetzt in Leipzig, so sorglos und uninspiriert in ein Spiel starte, „wird es halt schwierig, das ist dann zu wenig, dann reicht es nicht“. Glasner wird als verantwortlicher Cheftrainer aber nicht ruhen, „sondern die Ärmel hochkrempeln“. Ihn treibt dieser Leistungsabfall an. „In mir brodelt es.“

Dass seine Mannschaft nicht alles verlernt hat und sie auch auf diesem Niveau mithalten kann, wenn sie selbst an ihr Limit kommt, zeigte sie im zweiten Abschnitt. Dazu benötigte es aber eine Nachjustierung in der Halbzeitpause, in der Kabine wurde quasi der Resetknopf gedrückt, alles auf null gestellt. „Wir haben uns gesagt, dass wir unseren Fußball und unser Gesicht wieder auf den Platz bringen wollen“, erzählt Djibril Sow, der in Wolfsburg aufgrund seiner fünften Gelben Karte fehlen wird.

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Eintracht Frankfurt muss wieder zu sich finden

Das sah dann sehr viel besser aus, ausgeglichener, nicht mehr so einseitig. „Da hat man gesehen, was wirklich in der Mannschaft steckt“, betonte Sportvorstand Markus Krösche. „Darauf können wir aufbauen.“ Zu mehr als Sows Anschlusstreffer langte es freilich nicht mehr, mehr wäre auch nicht verdient gewesen. Und spätestens mit dem Dreifachwechsel 20 Minuten vor Schluss, als RB-Coach Marco Rose noch mal hochqualifiziertes, frisches Personal (Schlager, Silva, Haidara) auf den Platz schickte, war die Messe gelesen, da war zu sehen, dass es für die Eintracht nicht mehr reichen würde.

Das spürten auch die Spieler selbst. „Gerade nach dem Dreifachwechsel sind wir hinten raus seltener in den Sechzehner gekommen“, stellte Kapitän Sebastian Rode fest, der nach seinem grippalen Infekt immer noch leicht angeschlagen ins Spiel gegangen war und 60 Minuten durchhielt. „Gegen einen Gegner dieser Qualität musst du brutal konsequent und mit Überzeugung anlaufen, um sie unter Druck zu setzen. Das haben wir vor der Pause nicht gut umgesetzt und auch viele 50:50-Bälle verloren.“

Die Eintracht muss sich nun schütteln und wieder zu sich finden. Am Sonntag in Wolfsburg, auf Rang sieben liegend, geht es darum, den internationalen Startplatz abzusichern – und nicht noch weiter abzurutschen. Knifflige Situation, so alles in allem. (Ingo Durstewitz und Daniel Schmitt)

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