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Eintracht Frankfurt versinkt im Mittelmaß

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Von: Ingo Durstewitz

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Die Frankfurter Europa-Festspiele vernebeln den Blick: Die Entwicklung bei der Eintracht ist klar rückläufig.

Frankfurt – Fast hätte man meinen können, der kleine SC Freiburg habe den, sagen wir, großen FC Barcelona in die Knie gezwungen, mit reichlich Dusel, okay, aber sei’s drum – geschenkt. Trainer Christian Streich kam aus den Schwärmereien ob des tollen Gegners kaum mehr heraus. „Sie haben sehr viel Tempo und Power, einfach eine außergewöhnlich gute Mannschaft. Hut ab“, flötete das Bundesliga-Urgestein. Und weiter: „Es ist sehr schwer, hier zu gewinnen, jetzt haben wir es mal wieder geschafft. Das ist nicht alltäglich.“

Und dann treibt ja da noch dieser Linksaußen sein Unwesen, dieser Filip Kostic. „Sehr hohe Qualität, enormes Tempo, viel Power, obwohl er erst vor zweieinhalb Tagen noch gespielt hat.“ Dieser Modellathlet sei kaum zu halten, könne sogar „jederzeit um den Fuß herum flanken“, was auch immer das genau zu bedeuten hat.

Eintracht Frankfurt: Oliver Glasner geißelt sich selbst

Neben Streich saß nicht etwa Xavi, der Trainer des FC Barcelona, sondern Oliver Glasner, der Coach der Frankfurter Eintracht, jener so ausschweifend belobigte Kontrahent, der am Sonntag allerdings das Nachsehen hatte gegen Streichs Freiburger, 1:2 im eigenen Stadion, schon die insgesamt sechste Heimniederlage. Mit jedem Wort des Kollegen aus dem Breisgau wurde Oliver Glasner etwas größer und die Niederlage etwas kleiner. „Ich freue mich riesig, wenn Christian den Jungs solche Komplimente ausspricht“, sagte der 47-Jährige. „Das werde ich ihnen auch weitergeben.“

Kann es als Alleinunterhalter auch nicht richten: Eintracht-Stürmer Rafael Borré (Zweiter von links).
Kann es als Alleinunterhalter auch nicht richten: Eintracht-Stürmer Rafael Borré (Zweiter von links). © AFP

Er, der Cheftrainer, geißelte sich selbst, weil „ich hier sitze und so niedergeschlagen bin. Das ärgert mich brutal, denn es war ein guter Auftritt der Jungs, sie haben sich keine negativen Gedanken verdient“. Das war dann alles in allem vielleicht etwas zu viel des Guten, zu viel Harmonie und zu viel Schöngemaltes.

Natürlich hätte Eintracht Frankfurt diese Bundesligapartie, eingebettet zwischen den beiden Festspielen im Europapokal gegen den FC Barcelona, nicht verlieren müssen, die Pleite war gleichermaßen unnötig wie unverdient. Die Hessen hätten sich mindestens einen Punkt verdient gehabt, doch entweder hatte der Pfosten etwas dagegen oder aber das Regelbuch, denn auch ein paar Zentimeter im Abseits ist eben Abseits. „Diese Niederlage wird uns nicht umwerfen“, sagt Glasner trotzig.

Eintracht Frankfurt: Nur zwölf Punkte in der Rückrunde geholt

Und doch war diese Schlappe bezeichnend, ein Spiegelbild der gesamten Saison. Es ist bemerkenswert, welchen Aufwand die Mannschaft betreibt, sie ist fleißig, willig, kämpft und macht und tut, selbst am Sonntag, nicht mal drei Tage nach dem Kraftakt gegen Barca, spulte sie wieder mehr als 120 Kilometer ab (121,4) und zog mehr Sprints als die ausgeruhten Freiburger an (231 zu 215). Doch es springt zu wenig Zählbares dabei heraus. Aufwand und Ertrag stehen in keinem Verhältnis. „Wir brauchen viele Chancen, um ein Tor zu machen“, räumt Sportvorstand Markus Krösche ein. „Das zieht sich durch die gesamte Saison.“ Die Eintracht muss sich vor allem richtig quälen und eine Menge investieren, um überhaupt zu Torchancen zu kommen.

Eine spielerische Weiterentwicklung ist nicht zu erkennen, das Angriffsspiel bleibt statisch und ausrechenbar, ein richtiger Stürmer mit Knipserqualitäten fehlt. Das müssen sich die Verantwortlichen ankreiden lassen, zumal klar war, dass Toptorjäger André Silva die Eintracht verlassen würde. Stammstürmer Rafael Borré ist bei allem Engagement kein Goalgetter, Goncalo Paciencia ist phlegmatisch und genügt den Ansprüchen nicht, und in Sam Lammers hat die Sportliche Führung einfach aufs falsche Pferd gesetzt, der Bursche ist sportlich verbrannt. In der Spitze ist das Niveau nicht tief genug.

Die generelle Entwicklung ist rückläufig. In der Rückrundentabelle wird die Eintracht mit zwölf Punkten (nur drei Siege, sechs Niederlagen) auf Rang 14 gelistet – nur Fürth, Stuttgart Bielefeld und Hertha haben weniger Zähler geholt. Dieses Quartett liegt sinnigerweise im Gesamtklassement auf den letzten vier Plätzen. Dieser Negativtrend der Eintracht wird ein bisschen vernebelt durch die teilweise so furiosen Auftritten auf internationalem Terrain.

Eintracht Frankfurt tut sich daheim besonders schwer

Noch niederschmetternder ist die Heimbilanz, aus der einstigen Festung ist ein Selbstbedienungsladen geworden, Platz 16 in diesem Segment. Gegen die letzten Sechs des Tableaus hat die Eintracht im Waldstadion genau drei Punkte geholt, je einen gegen Augsburg, Stuttgart und Fürth. Es ist auch Ausdruck der Einfallslosigkeit gegen Opponenten, die die Räume verdichten und massiv das eigene Gehäuse schützen. „Wir haben Probleme gegen tiefstehende Gegner“, sagt Sportchef Krösche. „Auch das zieht sich ein bisschen durch.“ Und ist nicht behoben worden.

Da verbietet es sich eigentlich, weiterhin von europäischen Ambitionen zu schwadronieren. Der Europa-League-Rang (Freiburg, 48 Punkte) ist neun Zähler weit weg und also in unerreichbare Ferne gerückt, selbst der Rückstand auf einen Conference-League-Startplatz beträgt fünf Punkte. Das ließe sich sogar aufholen, doch dazu müsste die Mannschaft halt mal eine Serie starten – doch weshalb sollte das ausgerechnet jetzt im Saisonfinale gelingen? Der Trend ist nicht der Eintracht-Freund und die Konstanz sogar ein ausgemachter Gegner. Und auch die Hoffnung auf die Duelle mit den direkten Konkurrenten ist eine trügerische, wenn diese Spiele, siehe Freiburg, nicht gewonnen werden. Nicht mal Fürth hat die Eintracht im eigenen Stadion bezwingen können. Dennoch sagt Sportchef Krösche: „Wir verändern unsere Zielsetzung nicht.“ Muss er auch nicht mehr, jetzt, fünf Spieltage vor Ende.

Vieles aber spricht dafür, dass die Eintracht in etwa dort abschließen wird, wo sie aktuell steht: mittendrin, Platz neun, ausgeglichen in allen Parametern: zehn Siege, zehn Niederlage, 40 Tore geschossen, 40 kassiert. Mehr Durchschnitt geht nicht. Glasner sieht‘s pragmatisch: „Wenn es am Ende des Tages reicht, haben wir es uns verdient. Wenn nicht, haben wir es nicht verdient.“

Eintracht Frankfurt in Barcelona: „Fahren hin, schlagen sie“

Mit Rechenspielen möchte sich der Österreicher nicht befassen, „wir sind ja noch europäisch dabei“, und genau da sieht er die größte Chance: „Der kürzeste Weg ist, die Europa League zu gewinnen, dann bist du in der Champions League dabei.“

Dazu müsste aber zunächst einmal der FC Barcelona aus dem Weg geräumt werden, am Donnerstag (21 Uhr/RTL) in Camp Nou beim Viertelfinalrückspiel. Ein maximal schweres Unterfangen, eine Herkulesaufgabe – trotz des 1:1 im Hinspiel und der Unterstützung von etwa 30.000 Eintracht-Fans. Und doch hat die Eintracht gezeigt, dass sie in großen Spielen – befreit von den Mühen der Ebene – über sich hinauswachsen kann. Markus Krösche gibt die Stoßrichtung vor. „Wir haben uns eine gute Ausgangsposition geschaffen. Unser Ziel ist das Halbfinale“, sagt der Manager und orakelt keck: „Wir fahren dahin und schlagen die.“ Ganz klare Sache. (Ingo Durstowitz)

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