1. Startseite
  2. Eintracht

Eintracht Frankfurt und die unmögliche Mission

Erstellt:

Von: Thomas Kilchenstein

Kommentare

Ein frommer Wunsch der ausgesperrten Eintracht-Fans: Auswärtssieg in Neapel. Schwer genug dürfte es werden.
Ein frommer Wunsch der ausgesperrten Eintracht-Fans: Auswärtssieg in Neapel. Schwer genug dürfte es werden. © dpa

Bange machen gilt nicht: Eintracht Frankfurt auf dem beschwerlichen Weg, über Neapel ins Viertelfinale einzuziehen

In der Nähe der Piazza Nazionale, im Zentrum Neapels, hängt für jeden sichtbar an einer Häuserwand schon die Aufstellung des Societa Sportiva Calcio in Überlebensgröße. Alex Meret etwa steht im Tor, Min-Jae Kim verteidigt, Stanislav Lobotka zieht im Mittelfeld die Fäden, vorne, natürlich, die beiden Wunderstürmer Victor Osimhen und Khvicha Kvaratskheila. Gut auch, dass dieses Bild im „Kicker“ am Montag veröffentlicht wurde, Oliver Glasner, der Trainer der Frankfurter Eintracht, dürfte vor dem Achtelfinal-Rückspiel in der Königsklasse am Mittwoch (21 Uhr/live Dazn) jede Information über den schier übermächtigen Gegner gebrauchen.

Dummerweise kennt er die Startformation der Neapolitaner ohnehin aus dem Effeff, dazu hätte es dieses Service gar nicht eigens bedurft. Er kennt Stärken und Schwächen jedes einzelnen Spielers des kommenden italienischen Meisters, der mittlerweile die Serie A bereits mit 18 Punkten anführt und theoretisch in sechs Wochen den Scudetto unter Dach und Fach bringen könnte. Vielleicht weiß der Frankfurter Coach gar eher, wie der SSC Neapel derzeit spielt als seine eigene Mannschaft - da gibt es ja, personell wie taktisch - ein paar dicke Fragezeichen.

Und eigentlich ist es ja im altehrwürdigen Stadio Diego Armando Maradona für die Eintracht ein Ding der Unmöglichkeit und wider alle Prognosen, noch in die nächste Runde der Champions League einzuziehen, ins Viertelfinale. Das wäre einer der größeren Sensationen der vergangenen Jahre und würde mit 10,5 Millionen Euro ordentlich versüßt. Bislang hat Eintracht Frankfurt rund 50 Millionen Euro in diesem Wettbewerb eingenommen, allein 35 Millionen Euro an Prämien von der Uefa.

Dazu, das ist bekannt und das Problem an der Sache, müssten die Frankfurter ein 0:2 aufholen, also mindestens zwei Treffer selbst erzielen im Hexenkessel am Fuß des Vesuvs ohne eigene Fans, um wenigstens eine Verlängerung und/oder ein Elfmeterschießen zu erreichen. Und dass ohne die beiden besten Torschützen Randal Kolo Muani (Rotsperre) und Jesper Lindström (Sprunggelenksblessur). Aber: Es ist Fußball, und da ist bekanntlich alles möglich. Kapitän Sebastian Rode, der sich ja ein wenig auskennt im internationalen Fußball im Allgemeinen und bei der Eintracht im Speziellen, sagt: „Wir hatten auch Zeiten, in denen es in der Bundesliga nicht so toll lief, und wir haben dann in der Europa League gute Leistungen gebracht.“ Ähnlich aufmunternde Durchhalteparolen bedient der Sportvorstand Markus Krösche: „Wir haben schon so viele Spiele gedreht, das Ziel ist das Viertelfinale.“ Aber was sollen sie auch sagen? Abschenken geht nicht, „die weiße Fahne“ werde man nicht hießen, hat Glasner gesagt. Man werde nicht verzagen und den Kopf in den Sand stecken, wirklich nicht. Selbst wenn er zuletzt einen gewissen Mangel an Selbstvertrauen angesichts ausbleibender Siege bei seinen Mannen festgestellt hat. Also packen die Hessen den Stier bei den Hörnern?

In diesen aufregenden Tagen, in denen es nicht unbedingt rund läuft bei Eintracht Frankfurt, muss Oliver Glasner - neben dem branchenüblichen Pfeifen im sehr dunklen Wald („Wir wollen das, was uns keiner zutraut, möglich machen“) - ein Team auf die Beine stellen, das halbwegs wettbewerbsfähig ist. Das ist angesichts der aktuellen Form und dem Fehlen der Leistungsträger schwer genug. Und der Fußballlehrer muss die richtige Balance finden zwischen einer kompakt stehenden Defensive und einer Offensive, die in die Lage versetzt werden muss, zwei Tore zu erzielen. Beides zuletzt nicht die allergrößte Stärke der Frankfurter.

Im Mittelfeld könnte Glasner auf die drei eher defensiv ausgerichteten Djibril Sow, Kristijan Jakic und Rode setzen, Mario Götze oder Daichi Kamada hinter der einzigen Spitze Rafael Borré den kreativen Part übernehmen. Das läge auf der Hand. Eine deutlich offensivere Aufstellung wäre mit dem Einbau von Lucas Alario als zweiter Spitze denkbar, einer der drei Defensiven müsste dann weichen. Immerhin muss die Eintracht ja ein gewisses Risiko in Kauf nehmen. Allerdings hat der aus Leverkusen gekommene Argentinier bisher so überhaupt keine Rolle im System Glasner gespielt, über Kurzeinsätze in sehr überschaubarer Größe ist er nicht hinausgekommen. Und jetzt soll er es als Stoßstürmer richten?

Was ihm fehlt, sind - neben Spielpraxis - auch verwertbare Anspiele, etwa von den Flügeln. Da kommt momentan zu wenig, da entwickelt das Team über Außen zu wenig Druck und Power. Das liegt natürlich an den beiden Schienenspielern Philipp Max und Aurelio Buta, die von ihrer Grundeinstellung eher defensiv denken. In erster Linie sind sie Links- oder Rechtsverteidiger und haben den Vorwärtsdrang im Grunde nicht im Blut. Das war früher anders, da waren Filip Kostic oder auch Ansgar Knauff, der nach seiner leichten Hüftblessur die Reise nach Neapel antreten wird, aus anderem Holz geschnitzt, sie sind eher Links- oder Rechtsaußen und erledigen abwehrende Aufgaben eher ungern. Dessen ungeachtet verspricht der 29 Jahre alte Max, der nach seinem furiosen Debütspielen mittlerweile etwas durchhängt, eines: „Die Mannschaft, die auf dem Feld steht, wird sich zerreißen.“

Schiedsrichter dieses Achtelfinales ist übrigens der Engländer Anthony Taylor. Womöglich ein gutes Omen, er hatte die Eintracht schon mal gepfiffen, im April 2019 beim 2:4 gegen Benfica Lissabon. Der frühere Gefängniswärter Taylor stellte Evan Ndicka nach 20 Minuten zwar vom Platz, im Rückspiel drehten die Frankfurter die Partie aber noch - mit einem 2:0. Wäre morgen schon die halbe Miete.

Auch interessant

Kommentare