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Eintracht Frankfurt und die Sehnsucht nach dem Herbst

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Von: Thomas Kilchenstein

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Hängt gerade ziemlich durch: Jesper Lindström.
Hängt gerade ziemlich durch: Jesper Lindström. © Imago

Warum Eintracht Frankfurt mit dem 2:2 beim VfL Wolfsburg nicht richtig von der Stelle kommt und schon ein wenig den Blues hat.

Sebastian Rode, der altgediente Haudegen, hat bei Eintracht Frankfurt noch andere Zeiten erlebt, Zeiten, in denen die Hessen in der zweiten Liga spielten und man bei Begriffen wie Champions League-Achtelfinale im Fremdwörter-Lexikon nachschauen musste. Diese Zeiten scheinen fürs Erste vorbei, in Frankfurt hat man sich an rauschende Europapokalnächte fast gewöhnt und manchesmal, vermutet Sebastian Rode, verrutscht da ein bisschen der Kompass. Er, Rode, habe inzwischen zunehmend den Eindruck gewonnen, sagte er nach einem 2:2 beim VfL Wolfsburg am Sonntagabend, dass bei einigen „die Erwartungshaltung so weit nach oben geschraubt“ sei, dass „wir die Champions League erreichen sollen, erreichen müssen.“ Deshalb werde ein Remis in Wolfsburg grummelnd bis missmutig zur Kenntnis genommen und geraunt, wonach es schon ein bisschen mehr hätte sein können.

Dem Kapitän ist die Grundstimmung im Umfeld „zu negativ“, Eintracht Frankfurt spiele, findet der 32-Jährige, „eine sehr, sehr gute Saison“. Rückendeckung erhält der nimmermüde Abräumer vom Chef persönlich: „Wir müssen aufpassen“, sagt Trainer Oliver Glasner, „dass wir nicht denken: Wir fahren überall hin und holen uns die drei Punkte im Vorbeigehen ab“. Er sei mit „diesem Ergebnis im Reinen“.

Tatsächlich ist ein Unentschieden auswärts bei einem Tabellensiebten sicherlich kein Beinbruch, damit kann man leben. Was aber auffällt: Diese Frankfurter Eintracht ist ein ganzes Stück von jenem Flow entfernt, mit dem sie im Herbst und vor der WM-Pause durch die Liga gesegelt war, als die Eintracht in zehn Pflichtspielen lediglich einmal verloren hatte und das höchst unglücklich gegen Borussia Dortmund. Vieles, was seinerzeit so mühelos und unbeschwert vonstatten ging, wirkt nun schwergängig und holprig. Die spielerische Leichtigkeit ist verflogen, Kombinations- und Passsicherheit sind den Frankfurtern verschütt gegangen, es haben sich zunehmend Ungenauigkeiten ins Spiel eingeschlichen, Dinge, die den Spielaufbau hemmen oder unterbinden. Und jeder unnötige Ballverlust kostet Körner, erfordert viel Laufarbeit, zumal ja die dann aufgerückte und ohnehin nicht sattelfeste Defensive zusätzlich in die Bredouille kommt. Sportvorstand Markus Krösche hat die kleine Delle vielleicht nicht kommen sehen, er hat zu Beginn des Jahres aber eindringlich appelliert, „den Fuß weiter auf dem Gaspedal zu halten“ und nicht nachzulassen. An den hohen Ambitionen hat sich ja nichts geändert. Die Gretchenfrage ist nun: Welche Eintracht ist die wahre? Die, die im Herbst aufgetrumpft hatte, oder jene, die sich jetzt schwertut. Vermutlich liegt die Wahrheit in der Mitte: Damals spielte die Elf etwas über ihren Verhältnissen, jetzt vermutlich darunter.

Aber: Die kreative Offensiv-Abteilung von Eintracht Frankfurt ist aktuell nicht in allerbester Verfassung. Mario Götze, Daichi Kamada, vor allem aber Jesper Lindström laufen ihrer Gala-Form aus dem vergangenen Jahr hinterher. Auch beim Japaner ist seit der WM fast der Wurm drin, sein letztes seiner sieben Bundesligatore hat er Ende Oktober des vergangenen Jahres gegen Borussia Dortmund geschossen, am 13. Spieltag, dazu kam zuletzt eines im Pokal gegen Darmstadt 98. Kamada spielt mittlerweile deutlich zurückgezogener, er muss sehr viel mehr Kärrnerarbeit verrichten. Vor allem hat er seine Risikobereitschaft minimiert, minimieren müssen. Weiter hinten darf er sich kaum (Abspiel-)Fehler leisten, deshalb, so hat es den Anschein, spielt der Hochbegabte eher den sicheren Pass. Gerade das Überraschende, Unerwartete aber war seine große Stärke. Oder ist Kamada wegen seines Wechsels am Saisonende mit dem Kopf nicht mehr ganz bei der Sache? Das aber würde vermutlich zu kurz greifen.

Auch Jesper Lindström, der flinke Däne, muss dringend zurück in die Spur finden, er muss vor allem seriöser spielen. Viel zu häufig verhaspelt er sich, will zu viel, die Bälle verspringen ihm. Ihm täte eine Pause offenbar gut, zumal Rafael Borré parat stände. Und Mario Götze? Ihm fehlen, weil einige mehr mit sich zu tun haben, bei allem Eifer die Spielpartner. Einzig Randal Kolo Muani ist von der allgemeinen offensiven Minikrise komplett verschont geblieben. Der Franzose trifft und trickst nach Belieben, er ist die Frankfurter Lebensversicherung oder, wie Sebastian Rode sagt, „eine herausragende Figur in Europa“: Elf Tore und 13 Vorlagen sprechen wirklich für sich. „Er macht in unserem Spiel den Unterschied aus. Man kann ihn in jeder Lage anspielen: Er kann Spieler ausdribbeln und ist in der Luft gut“, lobt der Kapitän.

Kolo Muani allein verdeckt durch seine Effizienz, Geschwindigkeit und Torgefahr die aktuellen Schwierigkeiten in der Offensive, denn oft genug trifft er mit seiner ersten Möglichkeit - und wenn nicht (wie in Köln beim 0:3) geht es eben schief. In diesem Jahr hat er von 13 Frankfurter Toren alleine acht erzielt. Ohne ihn findet ein Frankfurter Angriffsspiel im Grunde nicht statt.

Was die Sache kompliziert macht: Die anfällige Abwehr bleibt eine Achillesferse, zu leicht kommt den Gegner zu Toren. So viele Tore können sie vorn kaum schießen. Und Gegentore nach Standards sind ein ärgerlicher Dauerbrenner, Torwart Kevin Trapp will gar nicht mehr darüber reden, sonst verfestige sich so was in den Köpfen, auch Trainer Glasner legt in dieser Frage beinahe einen gewissen Fatalismus an den Tag. Man müsse jetzt nicht auf allem herumreiten, Standards seien ein Teil des Fußballs, da kann es schon sein, „dass du nach einem Standard ein Tor erzielst oder mal eines erhältst“, sagt er.

„Wir können nicht jeden Gegner an die Wand spielen“, findet Rode. Am nächsten Samstag kommt der VfB Stuttgart in den Stadtwald, drittschlechteste Auswärtsmannschaft.

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